Er sieht aus wie ein durchgestylter Selbstausbau der Vanlife-Szene, kommt aber aus dem börsennotierten Knaus-Tabbert-Imperium: Der neue Weinsberg Caralife 630 LQ (2023) ist ein Kastenwagen der völlig anderen Art und mit uns auf erster Testfahrt unterwegs.
Eine Flex, eine Stichsäge, eine Kreissäge, dazu noch viel mehr Werkzeug, jede Menge Freizeit, stabile Nerven und mindestens einen Carport – mehr braucht es nicht, um seinen Camper selbst auszubauen. Okay, ein leerer Kastenwagen muss auch noch her. Und das ist gar nicht so einfach, denn selbst die größten Gewerbegurken kosten als Gebrauchte ein kleines Vermögen. Schon sind wir mittendrin im Rechenmodell, das sie bei Weinsberg aufmachen, der Einsteiger-Marke des bayrischen Branchenriesen Knaus Tabbert: Wer es nicht selber kann oder einfach nicht ewig basteln will, muss nicht auf einen individuellen Kastenwagen verzichten. Alles, was die Generation Vanlife liebt, gibt es mit dem neuen Weinsberg Caralife (2023) jetzt auch beim Händler. Natürlich ist das teurer als der Eigenbau und hat bei Instagram nicht den bewusstseinserweiterten Heimwerker-Heldenfaktor. Ein Kastenwagen der ganz anderen Art ist er aber trotzdem, wie die erste Testfahrt zeigt. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
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Erste Testfahrt mit dem neuen Weinsberg Caralife 630 LQ (2023)
Und doch beruhigt der neue Weinsberg Caralife (2023) auf großer Tour mit allen Vorzügen des Konzernprodukts. Das kann ja schon ein Wert an sich sein. Dass sie die Lieblings-Grundrisse der Vanlif-Fans studiert haben, geben sie bei Weinsberg ganz offen zu. Es lässt sich bei der Begegnung mit dem Caralife auch nicht übersehen, denn sein Layout unterscheidet sich von herkömmlichen Kastenwagen wie TikTok vom Schulfernsehen. Das beginnt beim Fahrerhaus mit drei Sitzen und durchgehender Schottwand, an deren Rückseite die L-förmige Küche montiert ist. Und es endet beim Fehlen der klassischen Nasszelle, die viele Vanlife-Fans zu raumgreifend finden.
Stattdessen freut man sich über ein großes Querbett im Heck, das sich per ausziehbarem Lattenrost auf bis zu 2,10 m Breite erweitern lässt, und davor die Vis-à-Vis-Sitzgruppe für vier. Auch geduscht wird in der Wagenmitte, denn unter dem faltbaren Holzdeckel im Fußraum verbirgt sich eine Duschtasse samt blick- und wasserdichtem Vorhang, der sich an der Decke festclipsen lässt. Viel Stehhöhe bietet die Konstruktion namens Secret Shower nicht, deshalb müssen Menschen über 1,70 m Körpergröße den Kopf einziehen, doch die Grundfläche fällt mit 80 auf 60 cm nicht knapper aus als in konventionellen Kastenwagen.
Weinsberg hat an alles gedacht
Ein bisschen mehr Überwindung könnte es kosten, die Toilette zu benutzen, denn die versteckt sich beim neuen Weinsberg Caralife (2023) in den Sitzkisten. Ansonsten fehlt es uns auf der ersten Testfahrt im 6,36 m langen Kastenwagen an nichts, selbst an einen Kosmetikschrank mit herausnehmbarem Kulturbeutel hat das Weinsberg-Designteam gedacht. Im Eingangsbereich gibt es ein Barfach mit kleiner Theke und Tragekorb für Gläser sowie Flaschen, auch der schwenkbare 32-Zoll-Fernseher ist im Bereich der Küchenrückwand montiert und ermöglicht so die Nutzung von außen.
Komfortabler ist es innen, denn das Querbett lässt sich zum extrabreiten Sofa falten, so wie es viele Vanlife-Fans lieben. Und auch bei den Materialien des Innenraums zitiert Weinsberg den Stil der Hausmacher-Community: mit Holzleisten an der Decke und Filzoptik an der Wand, einem schwarz glänzenden Edel-Kochfeld von Thetford und einem kompletten Sortiment von Retro- sowie Deko-Accessoires, zu denen neben der Analoguhr mit Edelholz-Zifferblatt auch der original Weinsberg-Traumfänger gehört.
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Auf Kosten der Nutzbarkeit gehen die vielen Lifestyle-Gimmicks glücklicherweise nicht. Im Gegenteil: Eine ziemlich smarte Idee sind die Haken und Ösen, mit denen sich Kleingepäck direkt an der Seitenwand festschrauben lässt. Daneben verzichtet auch der neue Weinsberg Caralife (2023) nicht auf Stauboxen, wie sie unterm Dach jedes konventionellen Kastenwagens hängen. Einen geräumigen Kleiderschrank hat Weinsberg im Küchenblock untergebracht, und unter dem Bett tut sich eine mächtige Gepäckhöhle von 1,30 m Breite, 1,60 m Tiefe und einem Meter Höhe auf. Sogar ein bisschen sparen lässt sich mit dem neuen Caralife. Nicht im Vergleich zum Selbstausbauen mit Stich- und Kreissäge, wohl aber gegenüber handelsüblichen Ducato-Kastenwagen mit Nasszelle und Drehsesseln. Viele von ihnen sind mittlerweile teurer.
Technische Daten des Weinsberg Caralife 630 LQ (2023)
AUTO ZEITUNG 18/2023 | Weinsberg Caralife 630 LQ |
Technische Daten | |
Motor | 4-Zylinder Turbodiesel; 2184 cm³ |
Getriebe/Antrieb | 6-Gang, manuell; Vorderrad |
Leistung | 103 kW/140 PS bei 3500 /min |
Max. Drehmoment | 350 Nm bei 1400-2500 /min |
Karosserie | |
Außenmaße (L/B/H) | 6360/2050/2580 mm |
Leergewicht/Zuladung | ca. 2900/600 kg |
Sitz-/Schlafplätze | 3/3-4 |
Ausstattung | |
Herd/Heizung | 2-Flammenkocher mir Piezozündung/Truma Combi 4 |
Gas | 2 x 11 kg |
Frisch-/Abwasser | k.A. |
Kaufinformationen | |
Basispreis | 59.990 € |
Mit Knaus Tabbert greift der erste Branchenriese nach dem individuellen Stil der Selbstausbauten. Je nach Sichtweise kann man das ganz schön unromantisch oder ziemlich lässig finden. Wer mit dem beengten Raumgefühl konventioneller Kastenwagen fremdelt und ohne Nasszelle klarkommt, könnte mit dem Weinsberg Caralife glücklich werden.