Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge: Fakten
So steht es um das Ladenetz
- Wie geht der Ausbau der Ladeinfrastruktur voran?
- Sind die Vorgaben der Politik überhaupt realisierbar?
- Dank höherer Ladeleistung weniger Ladesäulen nötig?
- Wie viele Ladesäulen sind nötig im Vergleich zu herkömmlichen Tankstellen?
- Wie viel Strom kann man selbst mit PV-Anlagen produzieren?
- Wie steht es um neue Hightech-Ladetechnik?
- Funktioniert Smart Grid an öffentlichen Ladepunkten?
- Gibt es Ladetechnik für künftige Feststoffbatterien?
- Ladepreis-Entwicklung und Strafen für Standzeit
- Wie gut ist die Ladeinfrastruktur in den Nachbarländern?
- VDA-Ranking: Öffentliche Ladeinfrastruktur nach Bundesländern 2023 (Tabelle)
Von den geplanten eine Million Ladepunkten bis zum Jahr 2030 ist Deutschland noch meilenweit entfernt. Alles über den aktuellen Stand und interessante Fakten zum E-Auto-Laden hier. Und: Wir zeigen im Ranking, welche Städte und Länder in Europa und Regionen in Deutschland bereits E-Auto-freundlich sind.
Wie geht der Ausbau der Ladeinfrastruktur voran?
Leider nur schleppend. Derzeit gibt es in Deutschland etwa 105.000 öffentliche Ladepunkte. Davon sind nur 20.500 Schnelllader (Stand Dezember 2023). Der "Masterplan" zum Ausbau des Ladenetzes für Elektroautos von Bundesverkehrsminister Volker Wissing wurde im Oktober 2022 beschlossen. Das Ziel: Bis 2030 sollen insgesamt eine Million öffentlich zugängliche Ladepunkte bereit stehen. Das dafür vorgesehene Budget liegt bei 6,3 Milliarden Euro. Denn demzufolge müssten in den kommenden sechs Jahren (Stand: 2023) jährlich knapp 150.000 zusätzliche Ladeeinrichtungen entstehen, also etwa eineinhalbmal so viele, wie in den vergangenen sieben Jahren aufgestellt wurden. Dem gegenüber steht das Ziel, bis 2030 von rund einer Million (Stand: 2023) auf 15 Millionen vollelektrische Pkw auf deutschen Straßen zu kommen. Der "Masterplan" der Bundesregierung sieht 68 Maßnahmen vor, um die CO2-Emissionen im Straßenverkehr zu senken und die Elektromobilität zu stärken. Dazu zählen beispielsweise auch die Verfügbarkeit von Flächen zum Laden an Verkehrsknotenpunkten oder die Integration ins auszubauende Stromnetz. Sollte der Wachstumsplan für die E-Mobilität aufgehen, würde der anteilige Stromverbrauch der Elektroautos von 0,5 auf acht Prozent ansteigen. Besonders groß ist derzeit noch der regionale Unterschied beim Ausbau der Ladeinfrastruktur: Neben einem deutlichen West-Ost-Gefälle hat auch der Ausbau im ländlichen Raum einen großen Nachholbedarf. Dagegen gibt es rund um die Autostädte Wolfsburg, München, Ingolstadt, Stuttgart, Rüsselsheim und Berlin eine um zwei- bis dreimal höhere Ladesäulendichte. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
Was wäre, wenn alle E-Auto fahren? (Video):
Sind die Vorgaben der Politik überhaupt realisierbar?
Um das anspruchsvolle Ziel zu erreichen, müssten monatlich 12.500 zusätzliche Ladepunkte in Deutschland ans Netz gehen. Kaum vorstellbar, dass das gelingt. Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), bemängelt: "Deutschland braucht nun endlich mehr Tempo und mehr Entschlossenheit beim Ausbau." Und sie rechnet das Minimum an nötigen Zapfstellen vor: Wenn künftig 15 E-Autos auf einen Ladepunkt kommen sollen, müssten wöchentlich zumindest 2200 neue Lademöglichkeiten entstehen. Bisher seien es aber nur 540. In diesem Tempo werde das Ziel bis 2030 nicht einmal zu einem Drittel erreicht. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) gibt kräftig Gas und will in das Ladenetz 6,3 Milliarden Euro investieren. Vor allem sollen Wechselstrom-Ladestationen (AC) in Wohnvierteln und Schnelllader (DC) an Tankstellen und entlang der Hauptverkehrsstraßen gebaut werden. Die nötigen finanziellen Mittel sollten dafür vorhanden sein – trotz der angespannten Haushaltslage. Probleme bereiten dagegen große bürokratische Hürden: Knappe Stellplätze, verzwicktes Wegerecht, Bauämter und Netzversorger sowie die Entscheidungstragenden in Bund und kommunalen Behörden bremsen derzeit vielerorts den infrastrukturellen Ausbau aus. Mehr und mehr bekommen auch die beauftragten Baufirmen und Netzbetreiber den Fachkräftemangel zu spüren – ein zusätzliches Dilemma, denn man will und kann nicht. Mit einem einfachen "weiter so" kann es also nicht gelingen.
Schon Mitte April 2023 äußerte Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Zweifel an der Erreichung des Ziels der Bundesregierung. Auch wenn die Zahl der E-Autos in Deutschland stabil wachse, seien 15 Millionen E-Pkw bis 2030 mit den bisherigen Maßnahmen nicht zu erreichen. Zudem sei die Zielsetzung von einer Million öffentlichen Ladepunkten bis 2030 aufgrund der Steigerung der Ladeleistung bei E-Autos "technisch überholt". Es käme nicht mehr auf die Menge der Lader, sondern auf die Ladeleistung an, damit pro Tag deutlich mehr Fahrzeuge an einer Ladesäule laden können. Eine Sprecherin des Verbands der Automobilindustrie kritisierte diese Ansicht. Die gesetzten Ziele beim Ausbau der Ladepunkte nicht weiterzuverfolgen "würde die Elektromobilität ausbremsen". Auch würden noch acht von zehn Gemeinden in Deutschland nicht über Schnellladepunkte verfügen. Zudem müsse das Stromnetz entsprechend ausgebaut werden. "Hier gibt es erheblichen Nachholbedarf", so die Sprecherin.
Dank höherer Ladeleistung weniger Ladesäulen nötig?
Berechnungen des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zeigen, es könnten sogar viel weniger Ladepunkte ausreichend sein. Die Begründung sei der zu erwartende technologische Sprung bei der Ladeleistung. Optimistisch betrachtet müsse ja die Ladeleistung sowohl der Ladesäulen als auch der E-Fahrzeuge mit künftiger Technik weiter ansteigen, was die Ladezeiten verkürzen werde. Ergo: Es würden weniger Ladepunkte benötigt. Die bisherigen öffentlichen Ladeeinrichtungen könnten im Idealfall insgesamt bis zu 4,5 Gigawatt zur Verfügung stellen – das sei mehr als ausreichend, so der BDEW. Denn in der Vergangenheit waren die Ladepunkte im Durchschnitt nur zu 11,6 Prozent belegt – je nach Landkreis ergab sich demnach eine Belegung zwischen drei und maximal 25 Prozent des Tages. Allerdings sind bei dieser theoretischen Betrachtung die vielen defekten und an Hotspots (City-Lage, Raststätten) überbelegten oder einfach nur zugeparkten Stromzapfstellen nicht mit eingerechnet. Wichtig: Die Kalkulation des Branchenverbandes stützt sich auf das bisherige Ladeverhalten der E-Autokundschaft der ersten Stunde, meist gut betucht, mit Wallbox und Photovoltaik-Anlage auf dem Eigenheimdach sowie Lademöglichkeit beim Arbeitgeber. Bei dieser Klientel dürfte die Nutzung öffentlicher Lader sekundär sein. Das ändert sich aber, wenn die E-Mobilität breiter ausgerollt wird und wirklich Fahrt aufnimmt. Dann wird es eng an den Ladesäulen.
Wie viele Ladesäulen sind nötig im Vergleich zu herkömmlichen Tankstellen?
Nur selten muss man an deutschen Tankstellen Schlange stehen. Und wenn, dann ist mit zügigem Vorankommen zu rechnen. Denn ein Tankvorgang ist inklusive Bezahlung nach vier bis acht Minuten abgeschlossen. Überhaupt sind moderne Tankanlagen sehr leistungsfähig. In Zahlen: In Deutschland gibt es derzeit 14.104 Tankstellen. Im Durchschnitt betreibt jede Tankstelle sechs Zapfsäulen, an denen jeweils zwei Autos gleichzeitig bedient werden können (also rechts und links). Theoretisch können also hierzulande etwa alle acht Minuten 170.000 Autos betankt werden. Anders sieht das bei Elektro-Ladesäulen aus: Bei den meisten städtischen 11-kW-Ladepunkten benötigt man 3,5 bis 4 h, am Schnelllader mit 50 kW im Durchschnitt 40 min, um auf einen Akku-Ladestand von 80 Prozent zu kommen. Da die E-Auto-Hersteller empfehlen, nur den Akku-schonenden Kapazitätsbereich zwischen zehn und 80 Prozent zu nutzen, liegt die reale Reichweite zwischen den Ladestopps – je nach Auto und Akku-Größe – bei 170 bis 290 km. Genau deshalb sieht ein E-Auto die Ladesäule vier- bis fünfmal öfter als ein Auto mit modernem Diesel die Tankstelle. Entsprechend größer muss die Ladesäulendichte im Verhältnis zu herkömmlichen Tankstellen sein.
Wie viel Strom kann man selbst mit PV-Anlagen produzieren?
Viele, die sich für ein E-Auto interessieren, träumen vom kostenlosen Tanken per Photovoltaik-Anlage (PV) auf dem Eigenheimdach. Allerdings klappt das nur, wenn die Hausdachfläche ausreicht, zur Sonne optimal ausgerichtet ist und nicht von Bäumen oder anderen Häusern abgeschattet wird. Wichtig: Auch ein nur kleiner, teilweiser Schatten beeinflusst die Energieernte (wegen der in Reihe geschalteten Solarzellen) enorm. Zudem muss das Auto dann auch tagsüber, wenn die Sonne scheint, geladen werden. Wer nachts lädt, zieht Kohle-Strom – es sei denn, er verfügt über eine Hausspeicheranlage. Dann kann zumindest teilweise eigener Strom auch nachts in die Autobatterie fließen. Allerdings sind die Energiemengen im hauseigenen Speicher arg begrenzt. Bei den üblichen PV-Anlagen mit 10 bis 15 kWp (Kilowatt peak) pro Einfamilienhaus sind Speicher mit einer Kapazität von 10 bis 15 kWh üblich. Bedenkt man, dass die meisten E-Autos mit 54- bis 78-kWh-Batterien ausgestattet sind, die großer SUV sogar deutlich mehr speichern, wird schnell klar, dass nächtliches Laden bei Dunkelflaute derzeit nur mit einem beträchtlichen Anteil an schmutzigem Kohle-Strom funktioniert. Und dann emittiert ein E-Auto deutlich mehr CO2 als ein Auto mit modernem Diesel. Wichtig für die reale Stromproduktion via Solaranlagen sind zudem örtliche Lage, Jahreszeit und Wetterbedingungen. Im Durchschnitt erzeugt eine 10-kWp-Photovoltaik-Anlage in unseren Breitengraden etwa 27,4 kWh Solarstrom pro Tag. Für eine Akku-Ladung muss das Auto entsprechend lange angestöpselt bleiben. Man braucht also viel Geduld.
Wie steht es um neue Hightech-Ladetechnik?
Der Düsseldorfer Rheinmetall-Konzern erprobt derzeit zum Beispiel in Köln eine interessante Ladetechnik: Statt üblicher Ladesäulen installiert das Unternehmen Ladebordsteine. Diese Neuentwicklung lässt sich fast überall einbauen, kommt auch im knappen City-Bereich mit sehr wenig Raum aus und ist für das Straßenbild fast unsichtbar. Das gilt als perfekte Lösung, gerade für historische Innenstädte. Die modularen Bordsteine arbeiten mit einer Ladeleistung von bis zu 22 kW Wechselstrom. Ein Open Charge Point Protocol (OCPP) ermöglicht es sogar, die Ladepunkte in bereits vorhandene Ladesystem-Strukturen zu integrieren.
Eine interessante Technik zum kabellosen Laden (auch induktives Laden genannt) soll künftig mehr Komfort ermöglichen. Dabei erfolgt die Übertragung der Energie im sogenannten Coil-to-Coil-Verfahren, also über Spulen wie in elektrischen Zahnbürsten oder wie beim Qi-Prinzip zum kabellosen Laden von Smartphones. Bislang galt diese Technik als sehr verlustbehaftet und damit wenig effizient. Doch bei einem Forschungsprojekt der Volkswagen Group of America konnten Forschende mit einem Prototyp einer optimierten Ladetechnik einen Porsche Taycan mit bis zu 98 Prozent der aufgewendeten Energie induktiv aufladen. Das stimmt optimistisch, irgendwann einmal auf das umständliche Steckerladen ganz verzichten zu können.
In Zukunft sollen E-Autos sogar beim Fahren Strom tanken. Stuttgarter Forschende setzen in Zusammenarbeit mit einem israelischen Unternehmen diese futuristische Idee bereits in die Tat um. Bei dem "Dynamischen induktiven Laden" wird Energie über ständig wechselnde Magnetfelder übertragen. Das funktioniert so ähnlich wie bei einem Linearmotor. Dazu befinden sich in der Straße unterm Asphalt starke Magnetspulen, die über ein Pendant unterm Auto Energie übertragen. Neben der Senkung hoher Kosten für den Ausbau entsprechender Infrastruktur steht die Effizienz im Fokus der Forschungsteams. Kürzlich gelang es bereits, den Wirkungsgrad von anfänglich maximal 36 Prozent auf stattliche 92 Prozent zu steigern. Der Hauptvorteil dieser Technik ist eine deutliche Verschlankung der Speichertechnik im Auto. Denn wenn der Akku auch unterwegs – zum Beispiel auf städtischen Schnellstraßen oder im Kreuzungsbereich – geladen werden kann, muss der Akku nicht so groß und so schwer wie der von herkömmlichen E-Autos sein. Das würde die Kosten der E-Autos drastisch senken und der Ressourcen-schonenden Herstellung entgegenkommen. Und es könnte auch helfen, den riesigen klimaschädlichen "CO2-Rucksack" der E-Autos (der bei der Batterie-Herstellung entsteht) zu verringern.
Funktioniert Smart Grid an öffentlichen Ladepunkten?
Nein, noch lange nicht. Die intelligente Stromnetz-Steuerung (Smart Grid), mit der sich die Erzeugung, Speicherung und der Verbrauch von Energie managen und optimieren lässt, funktioniert bisher nur auf dem Papier. Der Einsatz von Smart Grid hätte große Vorteile für die gleichmäßige Netzauslastung und die optimale Verteilung erneuerbarer Energien. So könnten Autos dann bevorzugt und kostengünstig geladen werden, wenn ein Ökostrom-Überschuss vorhanden ist und sie im Gegenzug kleine Energiemengen (etwa 1,5 bis 2,5 Prozent der Batteriekapazität) einspeisen, wenn der Strombedarf zum Beispiel bei einsetzender Dämmerung in den Haushalten schlagartig ansteigt. Für eine Umsetzung an öffentlichen Ladepunkten müssten jedoch Energieversorger, Ladestation-Betreiber, Autohersteller und Regulierungsbehörden eng zusammenarbeiten. Doch das tun sie bisher nicht.
Gibt es Ladetechnik für künftige Feststoffbatterien?
Die Feststoffbatterie gilt als der große Hoffnungsträger der E-Autohersteller. Soll diese doch leichter sein und mit weniger Bauraum auskommen und zudem weniger brandgefährdet sein als Lithium-Ionen-Akkus. Feststoffbatterien könnten überdies die Kosten- und Reichweitenprobleme der E-Autos lindern. Allerdings stellen sie andere Anforderungen an die Ladetechnik. Denn Zyklenfestigkeit, Energieaufnahmeverhalten, Ladeprofile und die Ladeeigenschaften sind nicht mit denen von Lithium-Ionen-Batterien vergleichbar. Die Ladetechnik muss deshalb anders konzipiert sein, um die mögliche Schnellladefähigkeit zu nutzen, optimale Ladeleistung und vor allem Ladesicherheit bei hohen Ladeströmen zu gewährleisten. Auch bei der Kommunikation zwischen Auto und Ladepunkt läuft ein anderes Prozedere ab. Genau dafür muss dann natürlich auch die bestehende Ladeinfrastruktur erneuert oder zumindest fit gemacht werden. Das ist eine weitere Herausforderung für die zweite Hälfte dieses Jahrzehnts. Und natürlich mit abermaligen großen Investitionen verbunden.
Ladepreis-Entwicklung und Strafen für Standzeit
Ebenso wichtig wie ein dichtes Ladesäulen-Angebot sind transparente Kosten für die erworbene Energie. Auch da gibt es noch viel zu tun. Denn das derzeitige Karten- und Tarif-Wirrwarr ist alles andere als verbraucherfreundlich. Prinzipiell bestimmt der Ladedienst-Anbieter den Preis an öffentlichen Ladestationen. Über Lock-Angebote mit Vertragsabschlüssen in Kombination mit entsprechenden Ladekarten versuchen Dienstleister, die Kundschaft an sich zu binden. Je nach gewähltem Tarif bewegen sich die Kosten an ein und derselben Ladesäule zwischen 35 und 109 Cent pro Kilowattstunde. Schnelllade-Pionier Ionity, aber auch der ADAC mit seinem Smart-Tarif und Tribber (bei Wallbox-Anschlüssen) experimentieren mit dynamischen Stromtarifen – ähnlich wie es Tesla mit seinen Superchargern vormacht. Dabei sollen in Abhängigkeit vom realen Börsenstrompreis zeitweilige Einsparungen für Verbraucher:innen möglich sein. Allerdings gibt es auch teure Abnahmephasen – immer dann, wenn der Strom stark nachgefragt und damit knapp ist. Doch gerade beim Ad hoc-Laden zum Beispiel an Tankstellen und auf Autobahn-Rastplätzen ist der Energiekauf – an Schnellladern – teuer. Immer mehr Stromversorger kurbeln ihr Geschäftsmodell zudem mit sogenannten Blockiergebühren an. Wer sein E-Auto an einer Innenstadt-Ladesäule länger als zum Beispiel die erlaubten zwei oder drei Stunden lädt, zahlt zusätzlich zu den Energiekosten eine Gebühr für die Standzeit. Da können für eine Ladung über Nacht durchaus 60 Euro Aufpreis anfallen (meist 10 Cent pro Minute). Die Betreiber argumentieren damit, dass der Ladeplatz schnell für die nächste Person geräumt werden solle. Doch wer blockiert und nicht angesteckt ist, kann nicht vom Stromanbieter zur Kasse gebeten werden. Allerdings könnte hier das Ordnungsamt Kasse machen – was mitunter günstiger ist.
Wie gut ist die Ladeinfrastruktur in den Nachbarländern?
Auslandsreisen mit dem Elektroauto sollten gut vorbereitet werden. Nur die Niederlande und Luxemburg verfügen über eine Ladesäulendichte, die deutlich größer als die in Deutschland ist. Mit 114.000 Ladepunkten, das sind 47,5 Ladesäulen pro 100 km, ist sie in den Niederlanden sogar doppelt so hoch wie in Deutschland. Frankreich ist nach Zahlen ähnlich gut aufgestellt wie Deutschland, allerdings gibt es fernab großer Städte dort riesige weiße Flecken auf der Landkarte. Deutlich schlechter sieht die Stromversorgung für E-Autos in vielen anderen Nachbarländern aus. So stehen in Österreich nur rund 17.500 Ladepunkte bereit, in der Schweiz knapp 10.900, in Polen sind es lediglich 3387 und in Griechenland nur 981. Besserung ist in Aussicht: Das EU-Parlament hat jetzt ein Gesetz über den verpflichtenden Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Autos in ganz Europa beschlossen, das den Ausbau der Infrastruktur vorschreibt. Bis 2026 sollen entlang der Hauptverkehrsstraßen in der Europäischen Union mindestens alle 60 km öffentliche Ladesäulen zur Verfügung stehen.
LeasePlan-Auswertung: Ladeinfrastruktur in Deutschland und Europa 2023
Das Leasingunternehmen LeasePlan stellte Mitte 2023 bereits zum sechsten Mal einen jährlichen EV Readiness Index auf, der anhand der Faktoren "Elektromobilitäts-Markt", "Ladeinfrastruktur" und "Gesamtbetriebskosten eines E-Autos" beurteilen soll, wie gut 22 Länder in Europa auf Elektrofahrzeuge vorbereitet sind. Deutschland hat sich zwar im Bereich der Ladeinfrastruktur deutlich verbessert, rutscht aber im europäischen Vergleich der Gesamtpunktzahlen mit 33 Punkten von Platz acht auf Platz zehn ab. Auf Platz eins befindet sich Norwegen mit 42 Punkten, gefolgt von den Niederlanden mit 38 Punkten. Auf Platz drei finden sich Großbritannien, Österreich und Schweden mit jeweils 36 Punkten ein. Den größten Sprung nach oben macht Dänemark von Platz elf auf sieben mit 35 Punkten. Insgesamt ist laut Auswertung von LeasePlan die Bereitschaft für die E-Mobilität in Europa um zwölf Prozent gestiegen. Die Ladeinfrastruktur verbesserte sich um 43 Prozent.
Am wenigsten ausgereift ist der Elektroauto-Markt in Tschechien, die Ladeinfrastruktur ist in Griechenland am wenigsten entwickelt. Die Gesamtbetriebskosten für ein E-Auto sind in der Slowakei am höchsten. Die Auswertung der Bundesnetzagentur zeigt: Die Ladeleistung stieg um 40 Prozent – von 1,74 Gigawatt 2021 auf 2,47 Gigawatt 2022. Ein Grund dafür ist die Anzahl der neu installierten Ultra-Schnellladesäulen mit Ladeleistungen ab 150 kW. Die Anzahl ist von 3851 (2021) auf 7037 Stück gestiegen und wuchs damit um 80 Prozent. Die Anzahl der Ladepunkte in Deutschland im Jahr 2022 stieg zudem um 35 Prozent. Am Stichtag 1. Januar 2023 wurden insgesamt 80.541 öffentliche Ladepunkte gezählt.
Uswitch-Auswertung: Europäische Städte im Ladeinfrastruktur-Ranking
Städte mit guter Ladeinfrastruktur (Tabelle)
Die britische Preisvergleichs-Webseite Uswitch hat 2022 ein Ranking erstellt, das die Ladeinfrastruktur in 33 europäischen Großstädten bewertet. Das Punktesystem berücksichtigt den prozentualen Anteil von kostenlosen Ladesäulen, den durchschnittlichen Preis pro kWh an den Säulen, die durchschnittliche Ladeleistung und die durchschnittliche Distanz zwischen den einzelnen E-Auto-Ladern. Die Analyse der Ladeinfrastruktur in den berücksichtigten Städten hat ergeben: Zur E-Auto-freundlichsten Stadt hat Uswitch die isländische Hauptstadt Reykjavík gekürt. Hier steht der Strom bei 65 Prozent aller Ladestationen kostenlos zur Verfügung. Kostet der Ladestrom in Reykjavík etwas, dann durchschnittlich 0,29 Euro pro kWh. Die Ladegeschwindigkeit liegt im Mittel bei 26 kW. Der durchschnittliche Abstand der Ladesäulen von nur 0,55 Kilometer ist der zweitkürzeste aller bewerteten Städte nach Den Haag. Auch Glasgow auf Platz zwei schnitt in fast allen Kategorien hervorragend ab. Nur bei der Ladegeschwindigkeit von 17 kW ist noch viel Luft nach oben. Auf Platz drei rettet sich Lissabon trotz nur einem Prozent an kostenlosen Ladepunkten mit einem äußerst niedrigen kWh-Preis von nur 0,17 Euro und einem eng gestrickten Netz von Ladesäulen (0,76 km). Auf Platz vier und fünf ranken Budapest mit guter Ladeleistung (25 kW) und einem hohen Anteil an kostenfreien Lademöglichkeiten (54 %) und Oslo, mit dichtem Ladenetz (0,61 km) jedoch langsamen Ladern (9 kW) und wenig kostenlosen Säulen.
Platz | Stadt | Kostenlose Ladestationen | Preis/kWh* | Ladeleistung* | Distanz* zw. Ladestationen |
1 | Reykjavík (Island) | 65 % | 0,29 € | 26 kW | 0,55 km |
2 | Glasgow (UK) | 92 % | 0,32 € | 17 kW | 1,10 km |
3 | Lissabon (Portugal) | 1 % | 0,17 € | 24 kW | 0,76 km |
4 | Budapest (Ungarn) | 54 % | 0,33 € | 25 kW | 1,03 km |
5 | Oslo (Norwegen) | 8 % | 0,32 € | 9 kW | 0,61 km |
Städte mit unzureichender Ladeinfrastruktur (Tabelle)
Zu den am schlechtesten abschneidenden Städten Europas zählt Köln. Die Stadt am Rhein kann zwar in keiner Kategorie richtig punkten, ranked aber besser als Rotterdam, wo es zwar viele Lademöglichkeiten gibt (0,7 km), diese sind jedoch teuer (0,45 Euro/kWh) und langsam (13 kW). Gleiches gilt für Frankfurt (0,45 Euro/kWh; 18 kW). In Wien ist der Ladestrom günstiger (0,28 Euro/kWh) jedoch ebenfalls langsam (14 kW) und weniger häufig zu finden (1,55 km). Vorletzte Stadt im Ranking der europäischen Städte mit der besten Ladeinfrastruktur für E-Autos ist Paris vor Liverpool. In beiden Städten liegt durchschnittlich eine Distanz von mehr als zwei Kilometern zwischen den Ladesäulen. Auch die Kosten sind nicht gering (0,43 & 0,39 Euro/kWh). In Paris lädt man allerdings im Mittel mit einer guten Leistung von 54 kW, dafür sind in Liverpool immerhin 38 Prozent der Lademöglichkeiten kostenlos.
Platz | Stadt | Kostenlose Ladestationen | Preis/kWh* | Ladeleistung* | Distanz* zw. Ladestationen |
1 | Liverpool (UK) | 38 % | 0,38 € | 14 kW | 2,38 km |
2 | Paris (Frankreich) | 14 % | 0,43 € | 54 kW | 2,15 km |
3 | Wien (Österreich) | 7 % | 0,28 € | 14 kW | 1,55 km |
4 | Frankfurt a. M. (Deutschland) | 12 % | 0,45 € | 18 kW | 1,04 km |
5 | Rotterdam (Niederlande) Köln (Deutschland) | 3 % 7 % | 0,45 € 0,39 € | 13 kW 20 kW | 0,70 km 1,22 km |
*Durchschnittswerte
VDA-Ranking: Öffentliche Ladeinfrastruktur nach Bundesländern 2023 (Tabelle)
In welchen Bundesländern und Regionen das Verhältnis zwischen zugelassenen Elektroautos und Ladesäulen am besten ist, hat der Verband der Automobilindustrie (VDA) berechnet und dazu ein entsprechendes Ladenetz-Ranking erstellt. Dabei präsentiert der VDA drei Werte, die für den Ausbau der Elektromobilität entscheidend sein sollen: A-Wert, T-Wert und S-Wert. Der A-Wert soll dabei einen Indikator für die Attraktivität des E-Autos in der Region geben und setzt daher alle zugelassenen Pkw (auch Verbrenner) in Relation zur Zahl der öffentlichen Ladepunkte. Der T-Wert teilt die Anzahl der zugelassenen E-Autos durch die Ladepunkte. Der S-Wert bezieht sich auf Elektroautos und Schnellladepunkte mit mindestens 22 kW Ladeleistung.
Sowohl beim A-Wert als auch nach T-Wert schneidet Ingolstadt am Besten ab: Hier kommen 66 Pkw beziehungsweise 4,2 Elektroautos auf einen öffentlichen Ladepunkt. Im ersten Halbjahr 2023 wurden in dem Zulassungsbezirk 859 neue Ladepunkte gebaut. Beim A-Wert liegt Regensburg mit fast doppelt so vielen Pkw pro Ladepunkt (125) auf Platz zwei, beim T-Wert liegt der E-Auto-starke Bezirk nur auf Platz sieben. Das niedersächsische Emden liegt bei beiden Werten in den Top drei. Nach dem A-Wert am wenigsten attraktiv für den Umstieg aufs Elektroauto ist der Landkreis Südwestpfalz mit 2275 Fahrzeugen pro Ladepunkt. Mit einem T-Wert von 81,4 bildet die Stadt Mülheim an der Ruhr wiederum im T-Ranking das Schlusslicht. Unten stehend ist eine Tabelle zu finden, welche die Bundesländer nach dem S-Wert ordnet. Auffällig ist hier das Ost-West-Gefälle, denn die fünf ostdeutschen Bundesländer weisen die besten Schnellladenetze auf. Bundesweit liegt der S-Wert bei 110,8.
Deutsche Bundesländer im Schnellladenetz-Ranking des VDA nach S-Wert* (Stand: Juli 2023) | ||||
Rang | Bundesland | E-Pkw-Bestand | Schnellladepunkte | S-Wert |
1 | Thüringen | 29.261 | 607 | 48,2 |
2 | Sachsen-Anhalt | 25.719 | 514 | 50 |
3 | Mecklenburg-Vorpommern | 18.039 | 354 | 51 |
4 | Sachsen | 52.597 | 772 | 68,1 |
5 | Brandenburg | 40.553 | 552 | 73,5 |
6 | Schleswig-Holstein | 68.879 | 820 | 84 |
7 | Rheinland-Pfalz | 99.276 | 1080 | 91,9 |
8 | Niedersachsen | 196.529 | 2024 | 97,1 |
9 | Bayern | 380.440 | 3689 | 103,1 |
10 | Hamburg | 48.232 | 397 | 121,5 |
11 | Berlin | 55.714 | 447 | 124,6 |
12 | Baden-Württemberg | 339.434 | 2672 | 127 |
13 | Nordrhein-Westfalen | 462.877 | 3141 | 147,4 |
14 | Bremen | 11.641 | 78 | 149,2 |
15 | Hessen | 203.658 | 1309 | 155,6 |
16 | Saarland | 22.966 | 121 | 189,8 |
* Der S-Wert gibt an, wie viele E-Pkw sich einen öffentlich zugänglichen Schnellladepunkt teilen müssen. Er beschreibt das Verhältnis aller aktuell zugelassenen E-Pkw und der verfügbaren öffentlichen Ladepunkte mit mindestens 22 kW Ladeleistung. Die private Ladeinfrastruktur ist nicht erfasst. |
Von Holger Ippen, Victoria Zippmann & Max Grigo