close
Schön, dass du auf unserer Seite bist! Wir wollen dir auch weiterhin beste Unterhaltung und tollen Service bieten.
Danke, dass du uns dabei unterstützt. Dafür musst du nur für www.autozeitung.de deinen Ad-Blocker deaktivieren.
Geht auch ganz einfach:

Halwart Schrader: Geburtstagsbesuch beim Automobilchronisten

AUTO ZEITUNG

Über 300 Bücher über Autos & Oldtimer veröffentliche der Journalist und Verleger Halwart Schrader. Wir haben ihn zu seinem 90. Geburtstag besucht!

Hinweise zu den Affiliate-Links
Die genannten Produkte wurden von unserer Redaktion persönlich und unabhängig ausgewählt. Beim Kauf in einem der verlinkten Shops (Affiliate Link) erhalten wir eine geringfügige Provision, die redaktionelle Selektion und Beschreibung der Produkte wird dadurch nicht beeinflusst.
Inhalt
  1. Halwart Schrader: Auflagenstärkster deutscher Fachjournalist & Automobilhistoriker
  2. Bei Schraders erstem Auto
gehts ans Eingemachte
  3. Grafiker, Journalist, Automobilist: die erstaunliche Karriere Halwart Schraders
  4. Von Horch bis Mercedes W08: Die Oldies suchen den Journalisten
  5. Schrader schreibt auch für die AUTO ZEITUNG
  6. Der Schrader-Verlag gerät ins Fadenkreuz
  7. Trotz seiner 90 Jahre schreibt Halwart Schrader weiter

"Die größte Macht hat das richtige Wort zur richtigen Zeit", wusste bereits der große Mark Twain. Ein anderer Großer, der Journalist, Verleger und Automobilchronist Halwart Schrader, feierte am 24. Februar 2025 seinen 90. Geburtstag. Noch höher als die Zahl seiner Lebensjahre ist die der von ihm verfassten Bücher. Sie stecken voller Auto-Geschichte und Geschichten rund um die Oldtimerszene, deren Bedeutung maßgeblich auch auf Schrader zurückgeht. Wir waren mal da, zu Kaffee und Kuchen und mit automobilen Klassikern, die für ihn eine besondere Bedeutung haben.

Im Lauf eines langen Lebens stellen sich einem viele Fragen. Zum Beispiel diese beiden hier: Wie wird man eigentlich ein Urgestein? Und: Warum bloß so unvorbereitet? Das kann ganz schnell gehen. Man muss nur behutsam, aber freudig in jungen Jahren den ersten Gang einlegen und anrollen. Dabei sicher auch das Steuer in eine bestimmte Richtung einschlagen. Oder zumindest in eine ungefähre. Dann läuft die Karre schon. Junge, nun fahr’ erstmal!
Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon

Der Audi RS 6 GT (2024) im Check (Video):

 
 

Halwart Schrader: Auflagenstärkster deutscher Fachjournalist & Automobilhistoriker

Kaum jedoch bist du los und erlebst die tollsten Dinge, schüttelst in Berlin die Hände von Lionel Hampton, in Princeton die von Lloyd Scott Bailey, in Monaco die von Paul Frére, in England die von David Scott-Moncrieff, Karl Eric Ludvigsen und Lord Montagu of Beaulieu, wirst angeraunzt in München von Paul Hahnemann, fährst, testest, bewirbst oder zerlegst Mercedes Nürburg, DKW Munga, Lagonda 3 Litre, Audi UW Front Cabriolet, Matra Rancho und Audi TT und 54 weitere persönlich besessene Autos, schreibst das alles auf im DKW- und BMW-Pressedienst, in Playboy, in twen, in der AUTO ZEITUNG und in rund 300 Büchern über Autos und Menschen und was deren Bedeutung war oder hätte sein können – kaum also ist das alles und noch viel mehr geschehen, bist du junger Spund plötzlich 90 und die Leute titulieren dich "Urgestein".

Man verzeihe diesen mit Tempo 250 durch die Jahre und die Sprache hindurch eilenden Satz, aber er musste sein. Nicht weniger war bisher los in den bisher 90 Lebensjahren des Halwart Schrader. Eines Feingeistes, studierten Grafikers, pointierten Werbers, begeisterten Automobilisten und passionierten Automobilchronisten. Als gedanklicher Bremsklotz möge nun ein wahrhaftiges Urgestein dienen, das in Schraders Schreib-Refugium im niedersächsischen Hösseringen residiert: Am marmornen Rolls-Royce Phantom IV des Jahrgangs 1955 im Maßstab 1:12 muss man herum und vorbei, um an des Meisters Schreib- und Schaltzentrale zu gelangen. Der Monolith war ein Geschenk zu Schraders 50. Geburtstag, steht gefühlt also erst seit Kurzem hier. Woran man nicht vorbeikommt, ist die schlichte Feststellung: Ohne einen Halwart Schrader wäre das Fundament der gesamten deutschen Old- und Youngtimerszene weit weniger tragfähig – und wir Menschlein um hunderte Auto- und Lebensgeschichten ärmer. Schrader ist, bei aller selbst auferlegten Bescheidenheit, der auflagenstärkste deutsche Fachjournalist und Automobilhistoriker.

Produkte für den Klassiker: 

Besuch mit Klassikern aus Schraders Vergangenheit

Bestehend aus einer Zeitreise in Form zahlloser Erinnerungsstücke und mehreren hundert Büchern nimmt sein Schreibefugium die komplette obere Etage eines Dreiständer-Fachwerkhauses von 1710 ein. Draußen geben sich Autoklassiker aus Schraders Vita ein
Stelldichein. Vom Opel P4 über Matra Rancho, Buick Century, Alfasud Sprint und DKW Munga bis hin zu Volvo 740 und Datsun 280 ZX Targa reicht das Portfolio. Oben in Schraders Büro gibts die Geburtstagsmusik dazu: Aus den Lautsprechern tönt Jazz-Großmeister Lionel Hampton mit "Flyin’ home", auf dem Bildschirm läuft die alte Schwarz-Weiß-Filmaufnahme von 1957 dazu. "Dem Hampton habe ich die Hand geschüttelt", erzählt der mit glänzenden Augen dem Vibraphon-Stakkato folgende Schrader. "In Berlin. Vor ihrem Hotel habe ich die Band abgefangen und ‚musste‘ danach mit ihnen in ein Fachgeschäft, weil jeder eine deutsche Leica-Kamera haben wollte."

Danach gings noch in Hamptons Konzert, wo dieser eben auch den Klassiker "Flyin’ home" darbot. "Das war die damalige Aufbruchstimmung, yeah, der Krieg ist aus, wir fliegen nach Hause!" Die heute so vergötterten US-Cars der 50er-Jahre hingegen, sie waren damals nichts wert in Germany. Sie seien meist nur bei Industriellen und Filmstars beliebt gewesen, bei denen Chromglanz die simple Technik überstrahlte. "Amerikanische Automobilphilosophie auf Sparflamme: Chevrolet Bel Air von 1955", textete Schrader dann 1985 auch unter das Bild eines eingewachsenen Exemplars im Bildband "Schlafende Schönheiten". In die gleiche Kategorie fiele im Prinzip auch der von uns heute mitgebrachte 1955er Buick Century, doch fallen Blick und Meinung zu Harley Earls Formdiktat heute milder aus. Und im erwähnten Jahrzehnt erwachte ja auch der innere Motor fürs Auto in Halwart Schrader.

Schrader sitzend vor dem Innenraum des Buick fotografiert.
Foto: Markus Heimbach
 

Bei Schraders erstem Auto
gehts ans Eingemachte

Rückblende: So richtig angefixt vom Automobil wird der in Braunschweig geborene und danach in Berlin lebende Halwart im Alter von 19 Jahren. Inspiriert von einem individuell zum Transporter umgebauten Citroën 5 CV, den er während einer Faltboot-Tour durch Frankreich erblickt, will er sowas auch! Zurück an seinem damaligen Wohnort im damaligen West-Berlin kauft er sich für den damals nicht gerade geringen Betrag von 250 Mark ein etwas abgehalftertes Borgward FW 200-Dreirad mit 199-cm3-Einzylindermotor und 7,3 PS (5 kW). "Ich glaubte, mein so günstig erworbenes Dreiradfahrzeug erst einmal gänzlich zerlegen zu müssen. Dadurch ermordete ich es auf grausame Weise, zerstückelte es und riss es in hundert Teile", erinnert sich der Übeltäter 71 Jahre später.

Sinn und Ziel der Aktion sind nicht nur die profunde Kenntnis aller Einzelteile, sondern vor allem die Kür des Auftritts: Der Herr Gestalter verwandelt den einstigen Brikett-Lieferwagen in einen offenen Zweisitzer mit selbst entworfener Karosserie aus Hartfaserpappe und Blech. Es gibt rote Polster, Weißwandreifen und die viel zu großen Lampen eines Horch-Achtzylinders sowie eine chromblitzende DKW-Stoßstange vom Schrottplatz. Dazu
schwarze und weiße Zebrastreifen. Mehr Design geht nicht! Doch der Luxusliner bleibt wegen eines defekten Motors immobil. Der Hausmeister des Garagenhofs tauft das Ding etwas respektlos "Dreikantfeile" und liefert ungewollt den Buchtitel mit Schraders automophilen Erinnerungen "Mit der Karre kommste nicht weit" von 2015.

Schrader sitzend in seinem Borgward-Dreirad fotografiert.
Foto: Archiv Schrader

"Ich hatte Glück im Unglück und verkaufte die Dreikantfeile für die 250 Mark, die ich selbst als Einstand gezahlt hatte. Doch nun hatte mich der Auto-Bazillus gepackt – ich wollte endlich fahren!" Der Batzen Bargeld wird umgehend in einen 1938er Opel P4 vom Schrott investiert, der TÜV und Antrieb besitzt. Er fährt – immerhin – mehrere Monate und bringt Schrader an 
seinen neuen Wohn- und Arbeitsort Hamburg, wo junge Menschen wie er bessere Chancen auf einen Job haben. In der Hansestadt lebt auch Halwarts Vater Herbert Schrader, der zum damaligen Zeitpunkt einen BMW 502 V8 und wenig später einen leibhaftigen 7,9-l-V8 namens Facel Vega HK 500 als Direktionswagen fährt.

 

Grafiker, Journalist, Automobilist: die erstaunliche Karriere Halwart Schraders

Will man ein Werk erklären, muss man den Menschen dahinter erkennen. Im Fall Halwart Schraders führt die eigene kreative Begabung über sein Studium an der Meisterschule für das Kunsthandwerk Berlin für Gebrauchsgrafik und Kunstgeschichte von 1952 und 1956 schon 1957 zur Anstellung als Werbeassistent im Hamburger Augstein & Jahr-Verlag im Sprinkenhof in der Burchardstraße 14. "Direkt vis-à-vis vom Bauer Verlag mit Quick und Praline, die unanständigen Sachen", lacht Schrader leise. Dort ist Friedrich Wilhelm Heye sein Chef. Mit Heye, ehemals jüngster Schnellbootkommandant der Deutschen Kriegsmarine, teilt Schrader die Begeisterung für alles Maritime. Passend dazu lebt Schrader in Hamburg auf einem alten Kutter, einem ehemaligen Rettungsboot eines torpedierten und gesunkenen KdF-Dampfers. Eine DKW Meisterklasse von 1938, ein Citroën C3 Trèfle des Baujahrs 1923 und die bereits 
erwähnte Opel P4-Cabrio-Limousine sind seine automobilen Begleiter in dieser Zeit.

Auch alle anderen Geschichten schrieb das Leben stets selbst. Zum Glück war es Schraders eigenes Leben, das da so loslegte, und zum Plaisir für uns alle war Schrader nicht nur dabei, sondern schrieb auch fleißig mit, was sein Werdegang ihm – diktierte? Nein, dafür war er zu selbstbestimmt, wenn auch nur diffus zielstrebig. "Man ließ sich auf Abenteuer ein, ohne etwas zu planen", erinnert er. "Frankreich soll schön sein? Gut, fahren wir hin und leben für eine Weile dort, probieren wir es einfach! Man ließ alles auf sich zukommen, unbeschwert. Wir dachten nicht an Zukunft, an Rente oder auch nur an einen festen Wohnsitz."

Durchstarten mit DKW als Großkunde

Nachdem Schraders Mentor Heye 1958 ein lukratives Angebot von AEG erhalten hat, schiebt Schrader Frust und kündigt ebenfalls. 1959 legt er erstmal einen Studienaufenthalt in Frankreich ein. Als er, wieder in Deutschland, erneut bei Heye anklopft, ist dessen AEG-Ausflug bereits wieder Geschichte. Kurzerhand gründen die beiden in Oberursel ihre eigene Werbeagentur namens F. W. Heye KG. Dort heben sie das Magazin "boote" aus der Taufe – "Als Gegenstück zur stets etwas elitär auftretenden ‚Yacht‘ ", sagt Schrader. Das Heft jedoch erweist sich als nur bedingt profitabel, sie verkaufen es. Aber Heyes Netzwerk ist groß und lukrativ: Die Auto Union mit DKW wird Agenturkunde, Schrader übernimmt den leitenden Posten des Haus- und Kundenmagazins "Club", was anspruchsvoll klingen soll.

Job-konform tauscht er seinen Fiat 500 A Topolino von 1937 gegen einen 1957er DKW F89. Oft muss er zur Abnahme von Anzeigenmotiven und Beiträgen ins Werk zu einem gewissen Paul Gustav Hahnemann. "Was immer ich ihm vorlegte, kommentierte er abfällig, spöttisch oder wütend: ‚Wer sind Sie denn überhaupt, wer hat Sie zu mir vorgelassen, Sie Säckl? Richten Sie Heye aus, er soll selber kommen und mir keine inkompetenten Schwachköpfe schicken‘."

"Dabei waren die Entwürfe gar nicht schlecht und wurden meist auch ausgeführt. ‚PGH‘ war halt ein Poltergeist – jedoch ein liebenswerter, wie ich ‚inkompetenter Schwachkopf‘ bald feststellen durfte." Der kluge Schrader schluckt die Poltereien, teils ob der geäußerten tieferen Erkenntnis, teils weil Hahnemann mit DKW der Kunde Nummer eins ist. Heye stellt sogar Hahnemanns spätere Frau ein, die die Rennfahrer Graf Berghe von Trips und den Schwager des "Bergmeisters" Hans Stuck als ständige Kolumnisten für das von Schrader betreute DKW-Magazin gewinnt. Und weil "PGH" gut mit Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß kann, fährt die Bundeswehr bald DKW Munga, zu dem Schrader bis heute eine Meinung hat: "Nur drei Zylinder-Zweitakt, aber an irgendwas musste der Feind ja sterben – warum also nicht an den Abgasen von in Reihe rückwärts zur Front gestellten Munga?" Wenig später ergeht an Schrader die Aufgabe, die Vermarktung des Munga 
auf dem zivilen Sektor zu unterstützen. "Das war genau mein Ding – ich mochte den Munga, wahrscheinlich, weil er mich so an den Jeep erinnerte."

Schrader sitzend neben einem DKW Munga fotografiert.
Foto: Markus Heimbach

Texten für das "BMW-Journal"

Als DKW zu Audi wird, was Schrader noch miterlebt und konsequenterweise ein Audi UW Front Cabrio Gläser von 1933 fährt – "UW" steht für "Umgedrehter Wanderer", so bezeichnet aufgrund des zugunsten des Audi-Frontantriebs umgedreht eingebauten Wanderer-Sechszylinders –, geht Marketing-Fuchs Hahnemann zu BMW – und wenig später übernehmen Heye und Schrader dort ähnliche Aufgaben wie zuvor bei DKW, unter anderem das "BMW-Journal". In München steht nach dem rettenden Erfolg des BMW 700 dort die "Neue Klasse" in den Startlöchern, die es zu vermarkten gilt. Hahnemann erwirbt sich hier seinen legendären Spitznamen "Nischen-Paule", denn er
ist die treibende Kraft hinter dem Prozess, auch einen sportiven Zweitürer parallel zur dynamischen, aber viertürig-gesetzten Mittelklasse zu etablieren. Der Rest ist Geschichte und hört auf den Namen Nullzwo.

Dass "Nischen-Paule“ und der preußisch-disziplinierte BMW-Boss Eberhard von Kuenheim nicht harmonieren und Hahnemann bald darauf gehen muss, wirft Schrader jedoch nicht um. Im Gegenteil: Er bleibt Industrieseitig bei BMW an Bord, gleichzeitig zündet die nächste Raketenstufe seiner Laufbahn: Das damals (und auch noch heute) sensationell gemachte und 
gestaltete Magazin "twen" engagiert ihn als festen freien Mitarbeiter. "Denn die brauchten ’ne Autoseite – und ich konnte das besser."

Testen für das Magazin "twen"

Chefredakteur Klaus Kulkies hört sich Schrader an und nimmt dessen Ideen und Vorschläge an. Er wird nach Heye zu einem weiteren Mentor des noch jungen Werbers und Journalisten. Fortan testet Schrader also zeitgenössische Autos für junge Leute. "Das waren Renault 4, Simca 1100, Citroën Dyane – Buggys!" Mit seiner jungen Frau Mila düst er im nagelneuen Autobianchi 
A 112 durch Mailand. "Dort haben wir den Test gemacht und eine ganze Schulklasse für das Foto in den A 112 bugsiert."

Ähnlich progressiv wie die Beiträge geraten deren Layouts. Gleichzeitig pflegt Schrader aber auch seine private Vorliebe für das, was wir heute Oldtimer nennen: Unter dem Rubrikentitel "Schraders Antiquitäten-Salon" begutachtet und beschreibt er auf dem Markt angebotene Veteranen-Automobile. Gedacht 
als Service für die Leserschaft – und geschrieben in der Hoffnung, 
seine Rubrik möge wirken als Appetizer für Gleichgesinnte oder frisch Inspirierte.

Auch interessant:

 

Von Horch bis Mercedes W08: Die Oldies suchen den Journalisten

Wen wunderts, dass auch Schrader selbst solche Antiquitäten fährt – in Gestalt von keinen geringeren automobilen Größen wie Horch 930 Roadster von 1939 (einer von rund 40 von Gläser karossierten Wagen), der ihn 1965 gerade einmal 3500 Mark kostet. Vom selben Vorbesitzer gibt es noch einen voll funktionsfähigen Mercedes W08 Typ Nürburg dazu – kostenlos! "Der wollte ihn nur loswerden." Der Sattler, bei dem Schrader ein neues Interieur für den Nürburg ordert, verwendet am Ende hierfür Kunstleder. "Weil sich echtes Leder bei einem so alten Auto doch nicht lohnt."

Schraders Horch statisch von vorne fotografiert.
Bildunterschrift eingeben Foto: Archiv Schrader

In diese Phase fallen auch Schraders erste größere Auslandstouren mit journalistischem Entdecker-Hintergrund, zum Beispiel nach England, wo er den unvergleichlichen Rolls-Royce-Händler, das liebenswerte Schlitzohr David Scott-Moncrieff, kennenlernt. "Call me Bunty!“, fordert dieser Schrader bei seinem ersten Besuch sogleich auf, oh, und ob der Besuch aus Deutschland wohl so gut wäre, ihm die Keksdose zu reichen, ihm einen Tee zu kochen und die Heizsonne näher an seinen Sessel zu rücken?

Jener Bunty, der 1933 einen Alfa Romeo RL nach Italien fuhr, um den Rückweg über Österreich im 1929er Mercedes SSK eines in Bedrängnis geratenen Waffenhändlers anzutreten – mit falschen englischen Kennzeichen gelang das Husarenstück. Über viele Jahre, bis zu seinem Tod 1987, war der schillernde Bunty Schrader ein Freund, der ihm "Einblicke in die ganz alte Szene" geliefert habe. Kein Wunder, dass Schrader 2015 Scott-Moncrieffs Leben unter dem Titel "Bunty" ein Buch widmete. "Wenn das Abenteuer einen Namen hat, dann Bunty!"

 

Schrader schreibt auch für die AUTO ZEITUNG

Auch über den Engländer Paul Foulkes Halbard ranken sich Schrader-Geschichten und Anekdoten. "Stets bedurften die von ihm angebotenen Veteranen etwas, was Paul mit ‚needs a bit attention‘ umschrieb. Als das Finanzamt ihm eine zu große Gefahr zu werden drohte, machte er aus seinen Handelsobjekten auf Rädern und seinem Ersatzteilfundus ein Museum. Ab 1970 ist das Ein-Mann-Unternehmen namens Schrader in voller Fahrt: Der Mann schreibt neben twen für den deutschen Playboy ("Anspruchsvolle Geschichten, zum Beispiel mit BMW-Rennleiter Jochen Neerpasch"), das BMW Journal, außerdem hat er für viele Jahre auch eine eigene Rubrik in der AUTO ZEITUNG. Durch Bunty und Foulkes-Halbard wird er endgültig sattelfest in der britischen Automobilhistorie, er beginnt, englische und französische Oldtimer-Bücher zu übersetzen und die ersten eigenen zu verfassen. In diesem Zuge gründet er 1973 gemeinsam mit seiner Frau Mila in München den Schrader-Verlag – und eröffnet das bundesweit erste Ladengeschäft für internationale Automobil- und Motorrad-Literatur.

"Halwart wäre zu bescheiden, sich selbst als einflussgebende Person zu sehen", sagt Fachantiquar-Instanz, Freund und Wegbegleiter Hans-Joachim Weise über Schrader, der durchaus als Instanz und als "Automobil-Informations-Pionier", wie ein anderer Freund und Kollege 2002 schrieb, angesehen werden darf. Und höchstpersönlich reisen die Schraders damals im VW T2 oder im Matra Simca Rancho nach England, um ihren Wagen mit Bücherpaketen für den eigenen Laden vollzupacken. "Oh, dieser Rancho!", ruft im Jahr 2025 Mila Schrader und bedeckt ihre Augen mit den Händen. "Nie werde ich vergessen, wie der bei Nacht, Nebel und Regen nach Paris 
die angetriebene Vorderachse lupfte, weil hinten die schweren Bücher so drückten."

Halwart Schrader stehend neben seinem Matra Rancho mit offener Heckklappe fotografiert.
Foto: Archiv Schrader

Begegnungen mit schillernden Gestalten

Zur eigenen Kreativität und der allumspannenden Passion für das Automobil gesellt sich die dritte prägende Schrader-Eigenschaft: die Neugierde! Wobei der Mann auch hier stets die Form und die Verhältnismäßigkeit wahrt. "Das Erfolgsrezept besteht darin, immer interessiert zu sein, ohne dabei aufdringlich zu werden. Und die richtigen Partner zu finden, die sich ebenfalls öffnen – dann macht Neugierde Spaß!"

Diese Kultur der Offenheit und gegenseitiger Neugierde ermöglicht ihm exklusiven Zugang und Einblicke, sei es bei Zeitgenossen wie den Designern Pinin Farina, Bertone und Paul Bracq, bei Rennfahrer Louis Chiron, beim "Automobile Quarterly"-Gründer und Herausgeber Lloyd Scott-Bailey, der sein Freund wird, ebenso wie der legendäre Journalist und Autor Karl Eric Ludvigsen, den Schrader als "profundesten Kenner der Mercedes-Benz-Renngeschichte und der Porsche-Historie" bezeichnet.

Mit der AUTO ZEITUNG ins geheime Bugatti-Museum

Und ohne die besagte gegenseitige Neugier und das damit verbundene Vertrauen wäre es Schrader wohl auch nicht gelungen, über die streng unter Verschluss gehaltene Automobilsammlung der berühmt-berüchtigten Gebrüder Schlumpf im Elsass berichten zu können. Hintergrund: Über Jahrzehnte veruntreuen die Schlumpfs, Besitzer eines großen Textilunternehmens in Mühlhausen, Firmengelder für die Anschaffung von Bugatti- und anderen Klassikern sowie dem Aufbau eines Museums, bis die 1800 Menschen starke Belegschaft 1976 die Brüder vertreibt und das Museum als Faustpfand besetzt.

In diesem hochgefährlichen und brisanten Moment gelingt das Husarenstück: Die AUTO ZEITUNG-Redakteure und Fotografen Wolfgang Drehsen, Werner Haas und Hans-Jürgen Schneider erhalten nicht nur Zugang zur Sammlung, sie bekommen als Einzige auch die "Erlaubnis" der Besetzer zur fotografischen Dokumentation aller vorhandenen Fahrzeuge. Es werden 24 schlaflose Stunden in vibrierender Anspannung. Dass die komplette Sammlung erhalten bleiben und ab 1981 in Form des staatlichen "Musée National de l’Automobile" eröffnen wird, ist damals nicht absehbar. Das Ergebnis der langen Nacht jedenfalls kulminiert im Schrader-Buch "Die Automobile der Gebrüder Schlumpf".

 

Der Schrader-Verlag gerät ins Fadenkreuz

Das bringt dem Verlag den einstweiligen Verkaufsstopp des Buches und eine sechsstellige Schadenersatzforderung vonseiten der Schlumpf-Insolvenzverwalter ein, die jede Möglichkeit der Finanzmittelbeschaffung für die Gläubiger ausnutzen – und sei es, indem sie einem kleinen Verlag aus München eine sechsstellige Pistole auf die Brust setzen, verbunden mit dem Vorwurf des ungenehmigten Eindringens in die Museumshallen und der ungenehmigten Veröffentlichung der Bilder. Und, wie war das? "Schockstarre", sagen Mila und Halwart Schrader unisono, "wir hatten schlaflose Nächte." Dann fassen sie einen Entschluss und lösen ihren Verlag auf. Nur, um sofort einen neuen zu gründen. Motiv für diese Rochade: "Wir hatten herausgefunden, dass erloschene Unternehmen nur binnen eines Jahres nach deren Ende noch juristisch belangt werden konnten", erzählt Schrader. "Das waren zwölf Monate Zähneklappern, ob sich die französischen Anwälte nochmal melden würden." Taten sie nicht. Aufatmen. Heute ist das Buch antiquarisch sehr gesucht.

Mit dem von Paul Foulkes-Halbard gekauften Lagonda 3 Litre Z-type Tourer von 1931, einem 1966er Rover 3 Litre Mk III Coupé und einem 1955er Peugeot 203 Commerciale eilen die Schraders durch die Jahre. Bücher über erloschene deutsche Karosseriebauer, über die unvergesslichen Mercedes-Kompressorwagen entstehen, "der" Band über Bentley, Jaguar, zu Rolls-Royce. "Habe ich dir eigentlich schon erzählt, wie der örtliche Rolls-Importeur mich bat, nicht zu erwähnen, dass es sieben Jaguar-Zwölfzylinder in Brunei gebe? Weil sonst der Sultan sehr traurig würde, entgegen seiner Annahme doch nicht den Einzigen zu besitzen." 

 

Trotz seiner 90 Jahre schreibt Halwart Schrader weiter

Zu solchen exotischen Erlebnissen gesellen sich die erste deutschsprachige Zeitschrift über Klassiker namens "Automobil-Chronik", diverse Bände von Typologien und die legendäre Reihe "Schrader Motor-Chronik", gewidmet jeweils einer Marke oder einem speziellen Modell und gedruckt im quadratischen Format. 1995 verkaufen die Schraders ihren Verlag an den Wettbewerb: Der Motorbuch Verlag Stuttgart übernimmt. Schrader schreibt dennoch munter weiter – bis heute.

War sonst noch was außer Büchern über Cabrio-Klassiker, Lastwagen, Weingüter, Reiseführer, die Silberpfeile von Mercedes und der Auto Union oder den versierten und philosophierenden Begleittexten zum damaligen Sensationsband "Schlafende Schönheiten"? Antwort: Ja, da war noch was. Der dicke Wälzer über die bedeutendsten Gesichter der Autogeschichte, getauft "Motor Men". Oder "Deutsche Autos 1885 – 1905". Oder "Siegertypen bremsen nicht. Die härtesten Autorennen 1894 – 1945". Oder "The Beaulieu Encyclopedia of Automobile", "Vergessene Autos – erloschene deutsche Marken", "Fährt der alte Lord fort", "Was spricht dagegen, sich in ein altes Auto zu verlieben?" und, erschienen Ende 2022, "Alternativ mobil: Die Geschichte der Elektromobilität von 1881
bis morgen".

Schrader sitzend und schreibend an seinem Schreibtisch fotografiert.
Foto: Markus Heimbach

Durchatmen. Aufmerksamer Blick hinter dem August-Hoch-Schreibtisch: "Haben wir es für heute, Sir?" Oh, noch eine Frage, um kurz in die Inspektor-Columbo-Rolle zu verfallen: Die Autos von heute? Nochmaliges Durchatmen. "Optisch gefallen sie mir kaum, am ehesten noch die Koreaner von Peter Schreyer. Was nicht heißen soll, dass früher alles besser war, aber die Autos galten nicht als CO2-Schleudern, sondern als Lustobjekte." Schraders letztes eigenes Lustobjekt datiert aus dem Jahr 2000, ein scubablaues Audi TT quattro Coupé, das mittlerweile seine Tochter fährt. Im Prinzip wurde alles gesagt und geschrieben, oder, Halwart? "Na, eine Betrachtung zur Vergänglichkeit und zur Objekthaftigkeit des Automobils fehlt noch, deshalb sammele ich seit langem Schrottplatzbilder und verfasse nun das Buch dazu." Wer bleibt, der schreibt!
Von Knut Simon

Tags:
Copyright 2025 autozeitung.de. All rights reserved.