1934 rennt Carlo Abarth mit dem Motorrad-Gespann gegen den Orient-Express und gewinnt: 1370 Kilometer von Wien bis Ostende. Wie das wohl über 80 Jahre später mit einem Abarth 595 Cabrio wäre?
Sieben Uhr in der Früh, Wien-Westbahnhof, wir stehen neben unserem Reisebegleiter Abarth 595 Cabrio. Die ersten Lieferwagen-Pulks drücken bereits in die Straßen, bald wird die Stadt vom ganz alltäglichen Verkehrs-Infarkt eingeholt. Wir beginnen genau jetzt eine Reise – und die lebt von einer Erinnerung: 88 Jahre vor diesem Morgen hat Carlo Abarth seine Reisetasche gepackt, im Fußraum seines Motorrad-Seitenwagens verstaut und ist dann nach Westen davongefahren. Es ging um eine Wette: Schafft Abarth es, mit seinem verwegen konstruierten Gespann, bei dem sich Motorrad und Beiwagen gemeinsam in Schräglage werfen, schneller als der Orient-Express zu sein? Der Luxuszug ist damals Sinnbild für mondänes Reisen, das Orient-Express-Netzwerk spannt sich auf verschiedenen Trassen von Istanbul bis London. Carlo Abarths Gegner steht im Wiener Westbahnhof, dampfend, rauchend, tobend vor Kraft, und dann spannt das schwarze Lokomotiven-Ungetüm die Muskeln. Zerrt seine mit Luxus und Komfort gefüllten Waggons davon. Durchs Donau-Tal geht die mächtige Maschine bis an die deutsche Grenze bei Passau, dann über Nürnberg und Frankfurt. Unterwegs wird er mehrfach Wasser und Kohle fassen. Dann durchs tief eingeschnittene Rheintal grollen bis nach Köln, über die Grenze nach Belgien und zum Stopp in Brüssel. Schließlich kommt die Schluss-Etappe ans Meer, erst im Seebad Ostende hat der Zug sein Ziel erreicht – und Carlo Abarth, dieser Irrsinnige, Getriebene will den Orient-Express niederringen. Auf seinem Motorrad. In einer Welt ohne Autobahnen und Bundesstraßen, in der es noch Schotterpisten und Kopfsteinpflaster, nicht aber einen Abarth 595 Cabrio gibt. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
Der Fiat 500 (2020) im Video:
Faszinations-Reise mit dem Abarth 595 Cabrio
Carlo Abarth, aus dessen Firma später der Abarth 595 Cabrio hervorgehen sollte, will gewinnen. Das ist ihm das Allerliebste: Als Rennfahrer hat er sich mit seiner wilden Entschlossenheit den Ruf eines wahren Berserkers erworben, und nach dem Krieg wird der in Wien geborene Carlo Abarth mit seinen Rennwagen den europäischen Motorsport umkrempeln, aufmischen, vorführen. Aber davon weiß die Welt 1934 noch nichts. Jetzt ist da nur dieser 26-Jährige auf seiner Maschine, der mit kernig ausgedrehtem Motor durch die Straßen Wiens nach Westen hämmert. 88 Jahre später, zum Schnapszahl-Jubiläum der verrückten Fahrt, wollen wir diese wilde Reise nachstellen: Wien-Ostende im Abarth. Start am Westbahnhof, raus aus der Stadt und dann Kilometer machen. Möglichst wenig auf der Autobahn, denn die ist ja eine Erfindung der jüngeren Jahrzehnte. Also zuerst vorbei am Schloss Schönbrunn über den Wiener Wald und am Stift Melk ins Donautal einsteigen... In unserer Vorstellung ist das glamourös und bedeutungsvoll, wir sehen uns im kleinen Abarth 595 Cabrio kernig durch die Stadt preschen, Ken-Block-mäßige Drifts hinlegen, dann als Furie übers freie Land fliegen, so schnell, dass ein parallel losfahrender Schnellzug keine Chance gegen uns hat. Wir werden Helden sein!
Der kleine Abarth hat uns an die gute, alte Zeit erinnert – und versöhnt mit dem Heute
Die Realität sieht heutzutage im Abarth 595 Cabrio jedoch anders aus. Mit Drängeln stadtauswärts geht es los, was so viel bedeutet wie: heftiges Feilschen mit den Locals, Ampeln, Blitzer, Einbahnstraßen, suzidäre Radl-Helden und verbissen um Positionen kämpfende Lieferwagen... Irgendwann haben wir Wien mit allen Extremitäten, dann aber doch hinter uns und finden in der Rückschau, dass so ein moderner Abarth 595 auch im urbanen Getümmel eine erfrischend gute Figur macht. Ist dann eben doch ein Fiat 500, kaum größer als ein Badehandtuch, aber mit dem motorischen Durchsetzungsvermögen einer Bulldogge gesegnet. So gesehen haben wir bereits kurz nach Wien deutlich mehr Stress abgewettert als Carlo Abarth knapp 90 Jahre vor uns, der ja nur losfahren musste. Finden wir. Und schaffen es trotzdem erst auf der halben Strecke zwischen Wien und Linz, aus dem aufgepeitschten City-Attacke-Modus in jenen entspannten Trab zu finden, der uns bis ans Ziel der Fahrt begleiten wird. Autofahren ist Kopfsache, damals wie heute. Man muss für eine solch weite Strecke zum Zugvogel werden, die Kraftlinien eines inneren Magnetfelds anwerfen und dann im Zen der Reise versinken. Nur Gelassenheit führt ans Ziel, Raserei bringt einen nicht weit(er). Kluges Navigieren und eine kräfteschonende Gangart sind auf der Langstrecke auch im Abarth 595 Cabrio erfolgversprechender als dauernde Eskalation.
Fahrspaß mit dem Abarth
Der Abarth 595 Cabrio zerrt jedoch ganz schön an der Kette: Er will stürmen, voranpreschen und antreiben, aber wir lassen ihn nicht. Setzen den saftigen Bums des kleinen Turbomotors stattdessen zur Erzeugung einer lässigen Drehmomentwelle ein, und auf der wird gesurft. Mit kernig-bassigem Granteln schnürt der 595 an der Donau entlang, schwingt durch die Flussschleifen, lässt Orte und Landschaften vorbeifliegen. Der Fluss ist in Österreich satt, breit und träge, wir folgen dem graubraun nach Osten trödelnden Riesen flussaufwärts, rollen bei Passau über die Grenze nach Deutschland, schlagen uns im lockeren Swing der Fahrt an Regensburg vorbei – und erst jetzt wünschen wir der Donau gute Reise. Bis Nürnberg haben wir noch rund 130 Kilometer, es ist Abend geworden, eine warme Sonne schleicht durch Wiesen und Wälder. Die kleinen Sträßchen der Oberpfalz schenken uns einen Carlo Abarth-Moment: rasantes Angasen, hypnotisches Fahren. Wir haben das Dach des Abarth 595 Cabrio geöffnet, baden im Fahrtwind, spüren, wie sich die Nachtkühle anschleicht und fliegen mit geblähten Nüstern in einen hellwachen Dämmerzustand aus Fahrfreude hinein.
Langstrecke: Fahren mit Gefühl
Vermutlich hat Carlo Abarth das vor 88 Jahren in seinem Gespann hart durchgezogen, ist die Nacht hindurchgerast, hat mit Blick auf den Fahrplan des Orient-Expresses und dessen Stopps vielleicht ein paar Minuten am Straßenrand gedöst. Wir lassen das mit unserem Abarth 595 Cabrio. Schließlich haben wir keinen Gegner, außerdem ist die Welt eine völlig andere geworden: Deutschland hat heute viele Millionen mehr Einwohner und unfassbar viel mehr Autos. Wir leben in einem Land von Straßen, Trassen, Verkehrsströmen. Wir fahren heute anders Auto: für den Hausgebrauch, von A nach B oder möglichst schnell und effizient. Wir sind Partikel in einem durch Verkehrsregeln domestizierten System – anders ginge es überhaupt nicht mehr. Würden wir heute den heldenhaften Motoristen-Spirit von damals kultivieren, wäre es das sofortige Infarkt-Ende des Autofahrens. Ein Crash-Kurs in Systemversagen. Und nein, dahinter steckt keine Verschwörung des autofeindlichen Meinungsmainstreams, sondern der Erfolg des Automobils ist sich bereits vor Marktstart des Abarth 595 Cabrio selbst zum Schicksal geworden.
Zieleinlauf mit dem Abarth 595 Cabrio
Um vorwärts zu kommen, landen wir mit dem Abarth 595 Cabrio nun also doch auf der Autobahn – und gleich im ersten Stau. Aber den sitzen wir cool aus, die Gelassenheit des Fahrens funktioniert auch im Stehen. Als die Kolonne wieder rollt, ziehen wir weiter – Würzburg, Frankfurt, Koblenz. Die Etappe im Rheintal, auf den Spuren des Orient-Express, muss natürlich sein – der Stimmung wegen. Oben in Köln hat uns das verschwitzte Pflicht-Autofahren wieder, wir segeln im Strom der Auto-Massen bis Aachen rüber nach Belgien, und dann verwandelt sich der kleine Abarth bis Brüssel erst recht in ein Molekül des Verkehrs. Er macht das übrigens überraschend gut, wir haben uns schon in weitaus langstreckenverdächtigeren Autos den Rücken kaputtgesessen, im 595 sind wir bis jetzt erstaunlich frisch. Und dann plötzlich hört das Land auf, die Nordsee bei Ostende hat lustigerweise dieselbe Farbe wie die Donau in Österreich. Den alten Bahnhof von Ostende gibt es noch, majestätische Belle Epoque und graziler Jugendstil. Daneben kristallisieren neue Bahn-Anlagen aus luftigem Glas, was erstaunlich gut zueinander passt. Genau hier sagen wir dem kleinen Abarth 595 Cabrio leise Dankeschön: Er hat uns vergnügt an die gute, alte Zeit erinnert – und vollkommen versöhnt mit dem Heute.
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Technische Daten des Abarth 595 Cabrio (Werksangaben)
AUTO ZEITUNG 15/2022 | Abarth 595 Cabrio |
Technische Daten | |
Motor | 1,368-Liter-Vierzylinder-Turbobenziner |
Getriebe | Fünfgang-Schaltgetriebe |
Leistung | 121 kW/165 PS bei 5500 U/min |
Max. Drehmoment | 230 Nm bei 2250 U/min |
Karosserie | |
Außenmaße (L/B/H) | 3660/1627/1485 mm |
Leergewicht | 1075 kg |
Fahrleistungen | |
Beschleunigung (0-100 km/h) | 7,3 s |
Höchstgeschwindigkeit | 218 km/h |
Verbrauch auf 100 km (WLTP) | 6,8 l |
Kaufinformationen | |
Preis | 27.990 € |