Aller Laster Anfang: Mit dem Audi RS 6 Avant hat die Marke mit den vier Ringen den Kombi vor 20 Jahren zum Sportwagen geadelt – und den Grundstein für bis heute vier spannende Generationen gelegt.
2002-2022: 20 Jahre Audi RS 6
"Schöne Kombis heißen Avant" – dieser Slogan ist fast so eng mit Audi verbunden wie "Vorsprung durch Technik". Doch seit 2002, also ziemlich genau 20 Jahren, erzählt er nur noch die halbe Wahrheit. Denn nachdem der Autobauer bei RS2 und RS 4 schon ein bisschen geübt hatte, kam mit dem Audi RS 6 Avant im Jahr 2002 das erste mächtige Muskel-Modell dazu. Bis dato vor allem ein Praktiker, wurde der Kombi zum Sportwagen geadelt – und der Claim hätte auch "Starke Kombis heißen Avant" lauten können. Schließlich hat die Quattro GmbH den 4,2 Liter großen V8-Motor aus A8 und S6 in Zusammenarbeit mit der damaligen Audi-Tochter Cosworth mit einem Biturbo bestückt und die Leistung von 340 PS (250 kW) auf 450 PS (331 kW) gesteigert. Dass der Vorderwagen dafür um vier Zentimeter gestreckt und tief in die Struktur gegriffen werden musste, hatte seinerzeit niemanden gestört, aber auch nicht der Preis von 90.000 Euro. "Die Zeit dafür war damals einfach reif", sagt Stephan Reil, der ab 1998 die Entwicklung der Quattro GmbH geleitet hat, und zückt den Zündschlüssel, den er sich bei Audi Tradition geliehen hat. 20 Jahre nach dem Debüt hat mittlerweile die Klassik-Abteilung die Verantwortung für den Erstling übernommen und den Audi RS 6 der Generation C5 für eine Ausfahrt im Kreise der Familie aus der Fahrzeugsammlung geholt. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
Leslie checkt den Audi R8 V10 performance RWD (2021) im Video:
Audi RS 6 C5 mit um vier Zentimeter gestreckten Vorderwagen
Breit und bullig steht der Audi RS 6 erster Generation da und knurrt kein bisschen müde, als der Motor noch ganz ohne Startknopf zum Leben erweckt wird. Die damals typisch rote Instrumentenbeleuchtung flackert auf, die analogen Zeiger zucken über die runden Skalen und gierig scharrt der Kraftkombi mit den Hufen ... Pardon, Reifen. Automatik auf D, Fuß aufs Gas – und noch ehe die Navigation auf dem kaum handtellergroßen Bildschirm ihre pixelige Landkarte aufgebaut hat, schießt der RS 6 los, als müsse er noch immer dem M5 und dem E 63 davonfahren – dabei waren die schon damals schwächer. Mit einem Sprintwert von 4,7 Sekunden hat der Audi jeden Stich gemacht. Dass die 310 km/h auf dem Tacho eine leere Versprechung waren, hat niemand übelgenommen. Das Gentlemens Agreement auf 250 km/h war vor 20 Jahren noch nicht so verwässert wie heute. Erst der um noch einmal 30 PS erstarkte und 15 Prozent teurere Audi RS 6 plus hat diese Hürde genommen und immerhin 280 km/h geboten. Neben dem Turbo und der entsprechenden Power gab es noch eine zweite Zutat, die bis heute zum RS-Rezept gehört: das adaptive Fahrwerk. Auch wenn solch ein Museumsfahrzeug kaum noch ernsthaft geprüft wird, lässt sich der Wechsel von Landstrecken-Komfort auf Rundstrecken-Härte noch immer gut erfahren.
Größter RS-Motor aller Zeiten im C6
Obwohl nur gut zwei Jahre bis Ende 2004 gebaut, wurden vom ersten Audi RS 6 über 8000 Exemplare verkauft. Das hat den Autobauer auf den Geschmack gebracht und ihn bei der Nachfolgegeneration C6 von 2008 zu noch tieferen Eingriffen motiviert: War der erste RS 6 quasi noch Werkstuning nach alter Väter Sitte, hat sich die Quattro GmbH beim Nachfolger früher engagiert und mehr Eigensinn bewiesen. "Das mussten wir ja auch", sagt Reil mit Blick auf das Grundmodell: "Schließlich fuhr ja schon der S6 mit einem V10-Motor, den man sonst vom R8 und von Lamborghini Gallardo kannte." Also hat sie verstärkt an der Optik gearbeitet und erneut einen Turbolader entwickelt – obwohl der Motorraum damit so voll wurde, dass nicht das kleinste Schräubchen mehr hineingepasst hätte, schildert Reil seine Erinnerungen: "Ich kenne keinen Motorraum, der besser gefüllt ist als der des RS 6 C6.“ Der Superlativ gilt allerdings nicht nur für die Technik, sondern auch für die Eckdaten: 5,0 Liter Hubraum machen den eigens mit einer Trockensumpfschmierung für die Rennstrecke ertüchtigten V10 zum größten RS-Motor aller Zeiten – und seine 580 PS (427 kW) waren damals unerreicht. Selbst der R8 GT musste mit 20 PS weniger auskommen. Entsprechend brachial sind die Fahrleistungen: Nur 4,6 Sekunden vergehen bis Tempo 100 und statt der 250er-Marke durchbricht der Power-Kombi schon die nächste Schallmauer: Weil bereits der RS 6 gegen Aufpreis bis 280 km/h Auslauf bekam, stehen beim RS 6 plus bis dato unerreichte 303 km/h im Fahrzeugschein. Nach wieder nur zwei Jahren und diesmal knapp 4000 Kombis stellt sich für Reil und seine Truppe die Frage, wie man den V10 beim Nachfolger noch toppen könnte.
Weniger Zylinder, weniger Gewicht: Audi RS 6 C7 setzt wieder auf V8
Auf die Frage fand die Quattro GmbH eine ungewöhnliche Antwort: "Weniger ist mehr", sagt Reil und macht beim Fahrzeugwechsel einen V8 schmackhaft, der nicht nur 20 PS weniger hat als der V10, sondern der mit vier Litern Hubraum zudem der kleinste Motor in der Geschichte des Audi RS 6 ist. "Er war aber eben auch ein paar Zentner leichter", sagt Reil und bittet zum Kickdown, bei dem Kilos mehr zählen als Kilowatt: 700 Newtonmeter reißen an allen vier Rädern und beim Spurt auf Tempo 100 vergehen nur 3,8 Sekunden. "Das war ein Zeitgewinn, der alle Zweifler überzeugt hat", so Reil. Obendrein gab es erneut einen RS 6 Plus mit dann 605 PS (445 kW) und 750 Newtonmetern Drehmoment. Langsamer war der RS 6 aus der Generation C7 auch nicht – im Gegenteil läuft er diesmal sogar 305 km/h. Und dass er – nicht zuletzt auch wegen der Zylinderabschaltung – 30 Prozent weniger verbraucht, war, nun ja, kein Schaden. Obwohl anfangs heftig kritisiert, wird der RS 6 Nummer drei so zum Bestseller, hat mit einer Bauzeit von 2013 bis 2018 die längste Laufzeit und setzt sich beim Absatz deutlich vor die Konkurrenz aus Stuttgart und München.
Breitbaukarosse und 48-Volt-Technik beim C8
Bei der vierten und bis dato jüngsten Generation des Audi RS 6 hat die Marke mit den vier Ringen erneut vieles anders gemacht. Ersten gab es keine lange Wartezeit mehr: Das Auto wurde schon 2019 eingeführt, also nur ein Jahr nach der Präsentation des Basismodells. Und zweitens trägt der Kombi auch optisch dick auf. Waren die ersten drei Auflagen noch vergleichsweise dezent und folgten dem Ideal vom Wolf im Schafspelz, leistet sich der C8 eine eigene Breitbau-Karosserie mit acht zusätzlichen Zentimetern. Diese kommt so gut an, dass Audi den Avant sogar erstmals nach Amerika bringt und dort viele neue Fans gewinnt. Natürlich liegt das auch an dem, was vorn im Bug steckt: Es blieb beim V8-Biturbo mit vier Litern Hubraum, der allerdings schon standardmäßig 600 PS (441 kW) leisten darf, die früher dem Plus-Modell vorbehalten waren. Neu ist auch ein 48-Volt-Generator, der nicht nur die Effizienz verbessert, sondern auch den Elan und Sprintwerte von 3,6 Sekunden ermöglicht, während das Spitzentempo wie bisher bei 305 km/h liegt. Zwar hat der C8 noch eine Halbzeit seines Lebenszyklus vor sich, doch spürt auch die Quattro GmbH längst den Wandel. Dieser ist tiefgreifender als die Umbenennung in Audi Sport. Nicht umsonst haben sie in Neckarsulm mit dem e-tron GT auf Basis des Porsche Taycan bereits ihr erstes vollelektrisches RS-Modell, arbeiten am ebenfalls elektrischen Nachfolger für den R8, an potenten Hybrid-Konzepten und auch am Nachfolger für den aktuellen Audi RS 6. Denn wer Audi sagt, meint Avant – und denkt dabei nicht nur an Schönheit, sondern seit 20 Jahren auch an Stärke, Speed und Sportlichkeit.
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Technische Daten von Audi RS 6 C5 bis C8
Audi RS 6 C5 | C6 | C7 | C8 | |
Technik | ||||
Zylinder/Ventile pro Zylin. | 8/5 | 10/4 | 8/4 | 8/4 |
Hubraum | 4172 ccm | 4991 ccm | 3993 ccm | 3996 ccm |
Leistung | 331 kW/450 PS | 426 kW/580 PS | 412 kW/560 PS | 441 kW/600 PS |
Max. Drehmoment | 560 Nm | 650 Nm | 700 Nm | 800 Nm |
Getriebe/Antrieb | 5-Gang-Automatik/Allrad | 6-Gang-Automatik/Allrad | 8-Gang-Automatik/Allrad | 8-Gang-Automatik/Allrad |
Beschleunigung 0-100 km/h (Werk) | 4,9 s | 4,6 s | 3,9 s | 3,6 s |
Höchstgeschwindigkeit (Werk) | 270 km/h | 280 km/h | 280 km/h | 280 km/h |