Skandal: Fiat baut den neuen 500er nur noch mit E-Antrieb. Oder macht Strom als "Kraftstoff" für Kleinwagen vielleicht doch mehr Sinn? Wir haben das Fiat 500 Cabrio unserem Test unterzogen.
Positiv | Gute Reichweite, praktisches One-Pedal-Drive, simple Bedienbarkeit |
Negativ | Hoher Preis, viel Hartplastik, kleiner Kofferraum, seitenwindempfindlich |
Alle, die den kernigen Klang der Twinair-Maschine im 500er so mochten und denen das Thema Elektro-Mobilität nach wie vor suspekt ist, müssen jetzt sein: Das neue Fiat 500 Cabrio, das zum Test antritt, fährt nur noch mit Strom. Akku statt Benzintank, kein rau laufendes Turbotriebwerk, aber dafür Kabel unter der Fronthaube und eine Steckdose unter der Tankklappe hinten rechts. Dort kann man Typ2- (Mode3) und CCS-Stecker anschließen und den gerade 3,63 Meter kurzen Viersitzer mit Wechselstrom (AC, dreiphasig, maximal 11 kW) oder Gleichstrom (DC, maximal 85 kW) betanken. 42 kWh Energie speichert der aus zwei Modulen bestehende, 294 Kilogramm schwere Lithium-Ionen-Akku, tatsächlich nutzt er aber nur 37,3 kWh.
Der Fiat 500 (2020) im Video:
Das elektrische Fiat 500 Cabrio im Test
Auf unserer Standard-Verbrauchsrunde, die jedes Auto im Test absolvieren muss, verbraucht das 1373 Kilogramm schwere Fiat 500 Cabrio 17,6 kWh, was einer rein rechnerischen Reichweite von 212 Kilometern entspricht. Allerdings beinhaltet dieser Verbrauchstest auch einen Autobahn-Volllastanteil von 15 Prozent, auf dem der italienische Stromer mit abgeregelten 150 km/h unterwegs ist. Fährt man entspannter mit maximal Tempo 100, steigt die Reichweite auf 259 Kilometer und der Verbrauch sinkt auf 14,4 kWh – was in etwa dem vom Hersteller angegebenen WLTP-Wert entspricht. Da ein Kleinstwagen aber meist in Stadt und Vorstadt unterwegs ist, haben wir auch einen City-Verbrauch ermittelt. Und weil die permanenterregte Synchronmaschine im Schiebebetrieb als Generator arbeitet, also Bewegungsenergie in Strom umwandelt und dieser wieder gespeichert wird, sinkt hier der Verbrauch sogar auf 12,3 kWh, die Reichweite klettert auf 303 Kilometer. Alle Verbrauchstests wurden bei rund 20 Grad Celsius mit aktivierter Klimaanlage im Range-Modus gefahren. In diesem Fahrprogramm arbeitet man schon nach sehr kurzer Eingewöhnungszeit nur noch mit dem Fahrpedal, die Bremse mit Scheiben vorn und Trommeln an der Hinterachse braucht man dann nur noch im Ernstfall (rund 35 Meter Bremsweg aus 100 km/h bis zum Stand). Selbst an der Ampel muss man das linke Pedal nicht treten – der 500 aktiviert zum finalen Stopp automatisch die Feststellbremse. Im Normal-Modus rekuperiert der Antrieb dagegen kaum, im Sherpa-Modus wird die Klimatisierung deaktiviert, der Antrieb auf höchste Effizienz programmiert und das Tempo auf 80 km/h limitiert. Hängt der Fiat an der Stromtankstelle, kann man den Ladestand über Leuchtdioden in der Tankklappe oder von unterwegs per Smartphone-App checken. Ein Kabel mit Typ2-Anschluss kostet in der bereits reichhaltig ausgestatteten Basisversion des Fiat 500 Cabrio 409 Euro extra samt Tasche, die man im 185 Liter fassenden Mini-Kofferraum (maximal 550 Liter) verstauen kann. Unter dem filzbezogenen Ladeboden ist das serienmäßige Kabel mit Schukostecker für den Haushaltsanschluss verstaut.
Fiat 500 Cabrio im Test mit E-Antrieb und 118 PS
Typisch E-Auto sprintet das über die Vorderräder angetriebene Fiat 500 Cabrio flott aus dem Stand und braucht dank 220 Newtonmeter und 118 PS im Test nur 3,3 Sekunden bis Tempo 50. Fährt man mit geöffnetem Verdeck, hört man beim starken Beschleunigen das Schmatzen der schlupfenden Profilblöcke auf dem Asphalt – sonst nichts. Lediglich in Schubphasen kann man das Sirren des Generators erahnen, denn der Antrieb ist sehr gut abgeschirmt. Die an seitlichen Schienen eingespannte Stoffhaube öffnet und schließt übrigens komplett in 14 Sekunden. Es gibt auch eine vorprogrammierte Dreiviertelstellung, allerdings entsteht dann ab 50 km/h ein für die Ohren unangenehmer Unterdruck im Innenraum durch den sich stauenden Fahrtwind. Ansonsten fährt der schicke, nun etwas ernster dreinschauende Fiat unauffällig und federt im Test trotz des kurzen Radstands sogar ausreichend komfortabel. Das softe Fahrwerks-Set-up und die leichtgängige Lenkung verhindern zwar hohe Kurventempi, unsicher fühlt man sich im 500er aber nicht, denn der dank der im Boden installierten Batterie tiefe Schwerpunkt wirkt stabilisierend aufs Fahrverhalten. Insgesamt ist der kleinste Fiat gut verarbeitet, allerdings könnten es bei einem Grundpreis von 30.000 Euro innen hübschere Materialien und etwas weniger Hartplastik geben. Die Polster vorn sind kurzstreckentauglich, hinten finden Personen bis etwa 1,70 Meter Größe Platz – solange sich vorn kein Riese lang macht. Übrigens sind beide Fondplätze und der Beifahrersitz mit Isofix-Halterungen ausgestattet. Um Kinder auf der Rückbank des Fiat 500 Cabrio anzugurten oder selbst nach hinten zu klettern, sollte man allerdings gelenkig sein.
Connectivity-Check beim Fiat 500 Cabrio
Serie beim Fiat 500 Cabrio (Ausstattung Passion) sind ein 7,0-Zoll-Touchscreen, Apple CarPlay, Android Auto sowie DAB-Radio und Online-Funktionen (Uconnect). Die Bedienung des Infotainment-Systems (10,25-Zoll-Screen, 2000 Euro im Paket) mit übersichtlicher Menüstruktur ist unkompliziert, die Sensitivität des Bildschirms gut, wie der Test zeigt. Der Sprachassistent hört auf den Weckruf "Hey Fiat", die Steuerung ist im Vergleich zu den Wettbewerbern aber nicht ausgereift.
Messwerte & technische Daten des Fiat 500 Cabrio
AUTO ZEITUNG 06/2021 | Fiat 500 Cabrio |
Technik | |
E-Motor | Permanent-Magnet-Synchron-Maschine |
Systemleistung | 87 kW (118 PS) |
Systemdrehmoment | 220 Nm |
Batterie | Lithium-Ionen-Batterie |
Spannung/Kapazität netto (brutto) | 400 Volt/37,3 (42,0) kWh |
Getriebe/Antrieb | Konstantübersetzung/Vorderradantrieb |
Messwerte | |
Leergewicht/Zuladung (Werk) | 1373 / 432 kg |
Beschleunigung 0-100 km/h (Test) | 8,6 s |
Höchstgeschwindigkeit (Werk) | 150 km/h |
Bremsweg aus 100 km/h kalt/warm (Test) | 35,2 / 34,6 m |
Verbrauch auf 100 km (Test/WLTP) | 17,6 / 14,7 kWh |
CO2-Ausstoß (Werk) | 0 g/km |
Reichweite (WLTP) | 303 km |
Preis | |
Grundpreis (ohne E-Auto-Prämie) | 30.560 € |
Nach diesem Test meinen wir, es ist absolut sinnvoll, das Fiat 500 Cabrio nur noch als Stromer anzubieten. Denn auf der Langstrecke hat der Kleine eh nichts verloren, und für die täglichen Fahrten kommt man wahrscheinlich mit einer Akku-Ladung pro Woche aus. Der Italiener fährt gut, lädt ausreichend schnell und ist auch in Sachen Sicherheitsausstattung mit diversen modernen Assistenten auf der Höhe der Zeit. Wenn er nur etwas günstiger wäre …