Der neunte VW Passat tritt als 2.0 TDI zum ersten Test an – in der einzig verfügbaren Karosserievariante "Variant" und 150 PS (110 kW).
Es gab schon deutlich ruhigere Zeiten für einen neuen VW Passat, um die Konkurrenz in der umkämpften Mittelklasse unter Druck zu setzen. Klassisch als Limousinen-Kombi-Duo besetzte der Wolfsburger mit einer breiten Motorenpalette jede noch so kleine Nische. Vorbei. Einzig der Kombi hält die Passat-Fahne weiter hoch – in unserem Test als Variant 2,0 TDI – und die Konkurrenz schrumpft angesichts des Bedeutungsverlusts der Klasse zunehmend zusammen.
Der ärgste Kontrahent wird im Zuge dessen sogar zum Geburtshelfer: Ohne den neuen Skoda Superb würde es den Passat in dieser Form wohl gar nicht mehr geben. Skoda verantwortete nicht nur die Entwicklung, sondern lässt seinen Superb auf der Produktionslinie des neuen Passat in Bratislava gleich mitbauen. Auf fast fünf Meter streckt sich der Variant – das macht ihn im Verbund mit der optionalen R-Line-Ausstattung zu einer durchaus imposanten Erscheinung. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
Leslie & Cars fährt den VW Passat Variant (2024) im Video:
VW Passat Variant 2.0 TDI im ersten Test: Sehr gute Raumausnutzung
Die bekannte Qualität einer sehr guten Raumausnutzung bleibt dem VW Passat erhalten, denn die zusätzlichen 15 cm in der Länge und fünf Zentimeter mehr Radstand werden nicht für Designspielereien geopfert, sondern kommen in erster Linie dem Innenraum zugute. Ein weiterer der Raumökonomie zuträglicher Kniff ist die Verbannung des Getriebewählhebels hinter das Lenkrad, denn eine Handschaltung wird gar nicht mehr angeboten – das schafft gut nutzbare Ablagen in der angenehm dimensionierten Mittelkonsole.
Davor baut sich im Testwagen ein 15 Zoll großer Touchscreen (Discover Pro Max, 1185 Euro) auf, der leicht zur Person am Steuer geneigt ist. Der kontrastreiche Bildschirm beherbergt einen Großteil der Bedienung – sogar die Start-Stopp-Funktion des Diesels wird hier an- oder ausgeschaltet. Eine logische Gruppierung der wichtigsten Funktionen am oberen und die immer aktive Klimasteuerung am unteren Bildschirmrand erleichtern den Einstieg in das komplexe System. Wer dennoch des Touchens und Wischens überdrüssig wird, spricht mit IDA, dem digitalen Sprachassistenten mit ChatGPT-Lernfähigkeit. Das klappte im Test des VW Passat Variant 2.0 TDI ausgesprochen gut. Kleiner Wermutstropfen: Im Vergleich zum riesigen Infotainmentscreen fällt das optionale Head-up-Display (Bestandteil Discover Pro Max) geradezu mickrig aus.
Erstklassiger Sitzkomfort in Reihe zwei
Der Sitzkomfort auf den vielfach einstellbaren ErgoActive-Sportsitzen der VW Passat Variant 2.0 TDI ist gut – allerdings mit kleinen Abstrichen. Die teilweise manuelle und teils elektrische Einstellung ist wenig intuitiv, und die integrierten, nicht anpassbaren Kopfstützen sind nicht für alle Körpergrößen ideal. Dafür gibt es im Fond kaum Grund zum Klagen: Die Sitzbank ist angenehm straff gepolstert, Knie- sowie Kopfraum sind üppig bemessen. Üppig fällt allerdings auch der Kardantunnel aus, der dem mittleren Sitzplatz jeglichen Fußraum raubt – die Verbrenner-Plattform lässt grüßen.
Das größte Pfund im Test bleibt der Laderaum. Die komplett ebene und ausgewiesen breite Ladefläche lädt förmlich zum Beladen ein. Der Ladeboden lässt sich im Nu in zwei Höhen arretieren, die Rücksitzlehnen kann man vom Kofferraum aus umklappen. Ordert man das Gepäckraumpaket (270 Euro), gibt es zusätzlich eine 230-V-Steckdose im Kofferraum.
Sparsamer Diesel, angenehme Fahreigenschaften
Am anderen Ende des Variant, vorn unter der Motorhaube, arbeitet ein 2,0-l-Turbodiesel der Baureihe EA288 evo – 150 PS (110 kW) stark und ein maximales Drehmoment von 360 Nm entwickelnd. Seine Selbstzündungen versucht er bestmöglich zu kapseln, kann seine Kernigkeit aber nicht vollends verbergen. Besonders Leistungsabruf quittiert der VW Passat Variant 2.0 TDI im Test mit einem Anheben der Stimme – ohne aber den Schub zu entwickeln, den man sich wünscht.
Der 150 PS starke TDI dient vielmehr dem Gleiten und Kilometerfressen. Mit durchschnittlich 5,9 l auf 100 km ist eine vierstellige Reichweite kein Hexenwerk – selbst unter Volllast schießt der Verbrauch nicht über Gebühr in die Höhe. Volllast bedeutet allerdings auch: quälend lange Sekunden, um sich den 223 km/h Höchstgeschwindigkeit auch nur ansatzweise zu nähern. Das Doppelkupplungsgetriebe verrichtet dabei im besten Sinne unauffällig seinen Dienst.
Neues DCC Pro-Fahrwerk mit großer Spreizung
Ob man 1045 Euro Aufpreis für das neue Fahrwerk mit Zweiventil-Regeldämpfern (R-Line mit 15 mm Tieferlegung) wirklich zahlen sollte, lässt sich aus nur einem Grund nicht beantworten: Es fehlt der Vergleich zum Standardfahrwerk. Das DCC Pro bietet eine große, deutlich spürbare Spreizung von hart bis komfortabel, bleibt aber auch in der weichsten Einstellung verbindlich. Einen feinen Kompromiss hat das Ingenieursteam in der Komfortabstimmung gefunden: Lange Bodenwellen werden dann ohne großes Nachschwingen weggebügelt – speziell bei Reisetempo sehr angenehm. Einzig bei gemäßigtem Tempo federt der VW Passat Variant 2.0 TDI im Test auf Querfugen bisweilen trocken an, was nicht recht zum runden Charakter passen will.
Connectivity-Check
In der neunten Generation setzt der Passat mehr denn je auf eine Bedienung per Touchscreen. Serienmäßig besitzt der Kombi einen 12,9 Zoll großen Touchscreen, der Testwagen ist allerdings mit dem Discover Pro Max-Paket mit 15-Zoll-Screen und Head-up-Display für 1185 Euro ausgerüstet. Der berührungsempfindliche Bildschirm reagiert sehr spontan auf Befehle und verkneift sich durchweg technische Aussetzer – der Modulare Infotainment-Baukasten 4 scheint technisch ein größerer Wurf zu sein als sein oft kritisierter Vorgänger. Apple CarPlay und Android Auto funktionieren serienmäßig kabellos, sogar eine induktive Ladeschale kostet wie auch der schlaue Sprachassistent IDA und ein integriertes Navi keinen Cent extra. Neben dem größeren Bildschirm lässt sich noch Geld in eine bessere Soundanlage investieren, die Harman Kardon für 630 Euro beisteuert. Sehr gut trotz vermeintlichen Rückschritts: richtige Tasten auf dem Lenkrad.
Technische Daten & Messwerte des VW Passat Variant 2.0 TDI
AUTO ZEITUNG 08/2024 | VW Passat Variant 2.0 TDI |
Positiv | Großer Kofferraum, effizienter Dieselmotor, guter Reisekomfort |
Negativ | Kernige Laufkultur, recht ausladende Außenabmessungen |
Technik | |
Motor | 4-Zylinder, 4-Ventiler, Turbodiesel; 1968 cm³ |
Antrieb | 7-Gang; Doppelkupplung; Vorderrad |
Leistung | 110 kW/150 PS |
Max. Drehmoment | 360 Nm |
Karosserie | |
Außenmaße (L/B/H) | 4917/1849 (2093)*/1497 mm |
Leergewicht (Werk/Test) | 1725/1710kg |
Kofferraumvolumen | 690-1920 l |
Fahrleistungen | |
Beschleunigung 0-100 km/h (Test) | 9,4 s |
Höchstgeschwindigkeit (Werk) | 223 km/h |
Bremsweg aus 100 km/h kalt/warm (Test) | 32,7/32,7 m |
Verbrauch auf 100 km (Test/WLTP) | 5,9/5,3 l D |
Preise | |
Grundpreis | 48.495 € |
Testwagenpreis | 60.685 € |
*Breite mit Außenspiegel |
Schön, dass VW auch weiterhin am Passat festhält. Der Variant überzeugt mit allerbesten Kombi-Eigenschaften sowie seinem sparsamen Dieselantrieb. Dessen Dynamik hält sich aber in Grenzen, und die Preise sind ambitioniert – wenn nicht gar selbstbewusst.