Renault-News (2022): Russland, Geely, Symbol
Renault verliert bei Russisch Roulette
- News 2022: Renault in Russland und die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs
- Renault-News 2021: Kooperation mit Geely, Elektro-Strategie, "Renaulution", Renault Sport Cars wird Alpine Cars & 180 km/h-Beschränkung
- News 2020: Neue Designer, Milliardenverlust im ersten Halbjahr, Renault-Nissan-Allianz in der Krise, Strategie für China & Luca de Meo neuer Renault-Generaldirektor
- Fazit
Renault-News im April 2022: Kein anderer Hersteller verkauft und produziert so viele Autos in Russland wie Renault. Was ein Ausstieg aus Putins Reich für die Reform des Konzerns bedeutet. Weitere Themen: die Kooperation mit Geely und das neue Markensymbol. Dieser Artikel wurde am 14.04.2022 aktualisiert.
News 2022: Renault in Russland und die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs
2002 zählte Russland zu den Automärkten der Zukunft. Präsident Wladimir Putin lockte Autokonzerne mit Steuererleichterungen für die Produktion vor Ort und drohte gleichzeitig mit hohen Importzöllen sowie Abgaben. Mit Erfolg: Seit 2000 errichteten westliche Autohersteller zwölf neue Werke in Russland. Am stärksten engagierte sich Renault in Putins Reich: Ab 2008 übernahm die Markeschrittweise die Mehrheit am lokalen Autobauer AvtoVAZ, der seine Modelle unter dem Markennamen Lada verkauft. Heute besitzt Renault 67,6 Prozent der Anteile. Zweitgrößter Aktionär ist das russische Rüstungs- und Industriekonglomerat Rostec. Seitdem leistete Renault technische und finanzielle Hilfe, um die hoffnungslos veraltete Modellpalette des einstigen Staatsunternehmens zu erneuern. Die beiden Lada-Werke wurden mit Millionen-Investitionen an aktuelle Industrie-Standards herangeführt. Zusammen mit der Renault-eigenen Fabrik in Moskau arbeiten 45.000 Menschen für die Renault-Gruppe in Russland. Dazu kommen noch zwei Werke der gemeinsamen Allianz mit Nissan und Mitsubishi. Kein Wunder, dass die Renault-Gruppe die Nummer eins auf dem russischen Automarkt ist: Mit 482.264 verkauften Neuwagen lag sie 2021 deutlich vor dem Hyundai-Konzern und VW. Lada selbst ist immer noch die beliebteste Marke im Land mit einem Anteil von 21 Prozent. Doch auch Renault verkauft gut, meist umbenannte Dacia-Modelle wie den Renault Duster. Der Marktanteil der Marke lag 2021 bei 7,9 Prozent. So stieg Russland zum zweitgrößten Absatzmarkt für Renault hinter Frankreich auf: 17,9 Prozent der Verkäufe der Gruppe entfallen auf Putins Reich. Zum Vergleich: Bei den deutschen Autokonzernen sind es 2,2 Prozent. Lada ist zudem höchst profitabel: Der russische Hersteller erzielte 2021 eine Gewinnmarge von 8,7 Prozent, während die übrige Renault Gruppe gerade einmal 0,6 Prozent erreichte. Daher zögerten die Französ:innen, ihre Aktivitäten in Russland zu stoppen. Doch als der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Videoschalte vor dem französischen Parlament Renault direkt zum Rückzug aufforderte, wurde der Druck zu groß. Vor allem, da der französische Staat zu 15,01 Prozent an Renault beteiligt ist und Präsident Emmanuel Macron ein hartes Vorgehen gegen Putin fordert. Daraufhin setzte Renault die Produktion in seinem Werk in Moskau aus und stellt auch seine Beteiligung an Lada infrage. Aber dafür müsste man einen russischen Käufer finden, denn Putin hat bereits angedroht, Firmen zu enteignen, die sein Land in Folge des Krieges verlassen. Doch dem zweitgrößten Aktionär Rostec, einem Rüstungskonzern, darf Renault mit Blick auf die europäischen Russland-Sanktionen seine Anteile gar nicht überschreiben. Konzernchef Luca de Meo steht vor einem Dilemma und bereitet seine Aktionär:innen darauf vor, dass Russlandgeschäft womöglich komplett abzuschreiben. Die erwartete Gewinnmarge für 2022 senkte die Renault-Gruppe bereits von vier auf drei Prozent (Stand: April 2022). Mehr zum Thema: Unsere Produkttipps auf Amazon
Von Markus Bach
Der Renault R5 Prototyp (2021) im Video:
Renault-News 2021: Kooperation mit Geely, Elektro-Strategie, "Renaulution", Renault Sport Cars wird Alpine Cars & 180 km/h-Beschränkung
Im August 2021 verkündete Renault die Unterzeichnung einer Absichtserklärung, sich mit dem chinesischen Autokonzern Geely zu verbünden, um in China und Südkorea die "Renaulution" voranzutreiben. Die neue Allianz möchte Hybrid-Fahrzeuge mit Technik von Geely unter der Marke Renault auf dem chinesischen und koreanischen Markt einführen. In Südkorea soll die Kooperation von Geely und Renault es im Gegenzug möglich machen, die Erfahrung von Renault Samsung Motors in Südkorea zu nutzen, um Fahrzeuge von Lynk & Co auf dem Markt zu etablieren. Das Joint Venture zwischen Renault und dem staatlichen Autohersteller Dongfeng aus China ist seit 2020 beendet.
Anfang Juli 2021 hat Renault seine umfangreiche Elektrostrategie vorgestellt. Bis 2025 sollen über 65 Prozent aller verkauften Renault elektrisch oder teilelektrisch fahren, bis 2030 sollen 90 Prozent der Fahrzeuge E-Autos sein. Erreichen möchte Renault diese Ziele unter anderem mit einem Zusammenschluss seiner drei Fabriken in Douai, Maubeuge und Ruitz im Norden Frankreichs mit dort ebenfalls ansässigen Zulieferern zu einer "ElectriCity". Dazu gehört auch die geplante Gigafactory in Douai des Renault-Partners Envision AESC, die ab 2024 die Batteriefertigung übernehmen soll. In Zusammenarbeit mit dem Start-up Verkor, an dem Renault mit über 20 Prozent beteiligt ist, soll ab 2022 zudem die Entwicklung einer Hochleistungsbatterie für mittel- und höherklassige Fahrzeuge von Renault und Alpine erfolgen. Die Batterien sollen zudem bidirektional funktionieren, also Energie gegen Prämien des Stromanbieters ins Netz speisen können. Auch die Wiederverwertung der Batterien ist in Renaults Elektrostrategie integriert. So sollen ausrangierte Akkus beispielsweise als stationäre Energiespeicher bei Verbrauchsspitzen dienen, überholt oder letztendlich recycelt werden. Die E-Motoren wiederum kommen aus Renaults hauseigener Entwicklung. Dort möchte der Konzern die Effizienz seines elektrisch erregten Synchronmotors, der ohne seltene Erden auskommt, ab 2024 weiter steigern und die Kosten senken. Eine weitere Partnerschaft ist Renault mit dem Start-up Whylot eingegangen, um künftige Hybrid-Fahrzeuge mit effizientem Scheibenläufermotor auszurüsten. Eine erhebliche Kostensenkung möchte Renault mit dem sogenannten "One Box Project" erreichen. Hier sollen verschiedene Lade- oder Antriebs-Komponenten in Boxen komprimiert werden, die der Hersteller Plattform- und Antriebs-Übergreifend einsetzen kann. Neben der CMF-EV-Plattform für E-Fahrzeuge ab Mittelklassen-Größe steht Renault die neue Plattform CMF-BEV für elektrische Kleinwagen zur Verfügung. Sie ist mit Komponenten den konventionell angetriebenen Kleinwagen auf Basis der CMF-B-Plattform kompatibel. Die Entwicklung und Fertigung von zehn neuen E-Autos bis 2025 soll 700 neue Arbeitsplätze generieren. Zusammen mit den Partnern der Renault Group sollen bis 2030 4500 neue Jobs entstehen. Ab 2025 sollen im Konzern jährlich 400.000 E-Autos vom Band laufen.
Wie in der "Renaulution" angekündigt, ist Renault Sport Cars im Mai 2021 in Alpine Cars umbenannt worden. Die Firmenabteilung bleibt weiterhin an ihrem Standort in Les Ulis südlich von Paris und hat nach wie vor die Aufgabe, die Elektrifizierung des Alpine-Sortiments voranzubringen sowie eng mit den Alpine-Motorsportteams zusammenzuarbeiten. Ob künftige Sportvarianten wie der Mégane R.S. ebenfalls umbenannt werden – beispielsweise in Renault Mégane Alpine – ist noch unklar.
Renault-Chef Luca de Meo verkündete auf der Aktionärshauptversammlung im April 2021 in Paris, dass Renault die Höchstgeschwindigkeit seiner Fahrzeuge künftig auf 180 km/h begrenzen wollen. Die freiwillige Selbstbeschränkung bei der Höchstgeschwindigkeit soll die Sicherheit im Straßenverkehr erhöhen. Laut de Meo sei eine überhöhte Geschwindigkeit der Grund für ein Drittel aller tödlichen Autounfälle. Volvo war der erste Hersteller, der eine entsprechende freiwillige Selbstbeschränkung bei 180 km/h eingeführt hat. Renault geht sogar noch einen Schritt weiter und plant die Integration eines "Safety Coachs" in allen Fahrzeugen, der die Geschwindigkeit automatisch an vor Ort geltende Tempolimits anpasst und auch gefährliche Kurven, das Wetter und die Aufmerksamkeit des:der Fahrer:in miteinbezieht.
Im Zuge der "Renaulution" hatte Renault Anfang 2021 eine elektrische R5-Studie vorgestellt, die ein neu gestaltetes Markenlogo zeigt. Statt des Rhombus in 3D-Optik, will der französische Autobauer künftig wohl ein schlichtes Symbol mit doppelter Außenlinie nutzen. So ähnlich gab es das Markenemblem bereits zwischen 1972 und 1992, allerdings mit vier statt nun zwei Linien. Die Neugestaltung passt damit besonders gut zu der Idee, die historische Stärke des Konzerns zu betonen und alte Modellnamen wiederzubeleben. Bis das neue Logo auch an den Autos und bei den Händlern zu sehen ist, dürfte es jedoch noch eine Weile dauern. Mittlerweile nutzt Renault in Deutschland das Symbol etwa auf seinem Youtube-Kanal. Nach und nach soll es auch an anderen Stellen, wie etwa auf der Webseite ausgetauscht werden.
Januar & Februar 2021: Das französische Volk ist stolz auf seine Revolutionen. Da verwundert es nicht, dass der neue Renault-Chef Luca de Meo für seinen Konzern keinen Reformplan vorstellt, sondern gleich eine "Renaulution" ausruft. Mit einer Revolution wird immer auch ein altes Regime gestürzt, in diesem Fall ist es die Konzern-Strategie des ehemaligen Renault-Nissan-Chefs Carlos Ghosn. Dessen primäres Ziel war es, mit Renault Marktanteile zu erobern und das weltweite Absatzvolumen zu steigern. Doch das von Ghosn gesteckte Ziel von fünf Millionen Fahrzeugen für 2022 konnte schon vor Corona nicht erreicht werden: Nach einem Höhepunkt 2018 mit rund 3,9 Millionen Verkäufen sanken die Zahlen wieder. Dafür stiegen die Kosten für Forschung und Entwicklung von 2015 bis 2019 um satte 65 Prozent. Kein Wunder: 40 Prozent aller Modelle wurden nur für spezielle Regionen entwickelt. Auch mögliche Synergien in der Allianz zwischen Renault, Nissan und Mitsubishi konnten nicht vollständig genutzt werden. Zudem verschwamm die Positionierung der einzelnen Marken: So ist Renault in Brasilien eine Billigmarke, verkauft dort Dacia-Modelle unter dem eigenen Logo. Nach einem ersten Minus im Jahr 2019 verbuchte Renault im ersten Halbjahr 2020 schließlich einen Rekordverlust von 7,3 Milliarden Euro. Zu dem massiven Minus trugen auch tiefrote Zahlen des Allianz-Partners Nissan bei, an dem Renault 43,4 Prozent hält.
Die Strategie von Carlos Ghosn ist gescheitert, Luca de Meo führt mit "Renaulution" nun ein neues Geschäftsmodell ein: Renault will seine Leistung künftig nicht mehr an Marktanteilen und Umsatz messen, sondern an den Gewinnen und an einer nachhaltigen Profitabilität. De Meos Plan umfasst drei Abschnitte: In der ersten Phase bis 2023, die er als "Erholung" bezeichnet, will er Renault den wirklichen Marktgrößen anpassen, Prozesse verschlanken und Fixkosten senken. Dafür reduziert er die Anzahl der Fahrzeugplattformen und Antriebsstränge: Statt bisher acht soll es künftig nur noch vier Motorenfamilien geben, darunter nur noch einen Benziner und einen Diesel. Zudem sollen 80 Prozent aller verkauften Modelle auf den CMF-Plattformen der gemeinsamen Allianz mit Nissan und Mitsubishi basieren. Neue Fahrzeuge auf diesen Plattformen sollen in weniger als drei Jahren auf dem Markt sein. Daneben ist eine Reduzierung der Produktionskapazitäten von vier auf 3,1 Mio. Einheiten geplant. Mit diesen Maßnahmen möchte Luca de Meo bis 2023 eine Gewinnmarge von mehr als drei Prozent erzielen. Diese soll in der zweiten Phase bis 2025, der "Erneuerung", auf mindestens fünf Prozent steigen. Dafür soll Renault höhere Fahrzeugsegmente wieder zurückerobern, bei denen es pro Auto mehr Gewinn gibt. So soll der Anteil der Kleinst- und Kleinwagen an der Renault-Marge von heute 70 auf 50 Prozent sinken. Im Gegenzug ist geplant, dass der Beitrag der Kompakt- und Mittelklasse-Modelle von 15 auf 40 Prozent steigt. Die Hälfte der bis 2025 startenden neuen Modelle soll daher in diesen Segmenten angesiedelt sein.
Luca de Meo möchte auch die einzelnen Marken klarer voneinander abgrenzen: So trägt Renault bei seiner "Renaulution"-Strategie die Hauptlast der Kompakt-Offensive und soll gleichzeitig seine Führungsrolle bei den E-Autos in Europa weiter ausbauen und um Wasserstofflösungen des amerikanischen Brennstoffzellen-Herstellers Plug Power ergänzen. Spannend: Renault gibt einen Ausblick auf einen neuen, rein elektrischen Renault 5. Insgesamt soll die Marke mehr für moderne Technik stehen und ab 2022 Multimedia-Systeme von Google einführen. Die Billigmarken Dacia und Lada sollen künftig eine gemeinsame Geschäftseinheit bilden und verstärkt die CMF-B-Plattform der Allianz nutzen. Die Anzahl der eigenen Fahrzeug-Architekturen wird von vier auf eine reduziert. Dennoch sind bis 2025 drei weitere neue Dacia-Modelle geplant. Noch mehr Gas gibt Luca de Meo bei Alpine: Unter dem Namen werden künftig die bisher eigenständigen Bereiche Renault Sport, Alpine und der Formel-1-Rennstall zusammengeführt. Die Marke soll leistungsstarke, rein elektrische Modelle entwickeln, die durch das Formel 1-Engagement unter dem Namen Alpine bekannt gemacht werden. Von der Sportwagenmarke erwartet sich de Meo hohe Gewinnmargen. Zusammen mit Lotus wird ein elektrischer Nachfolger der A110 entwickelt. Daneben könnte die Modellpalette auch mindestens ein SUV und einen Kompaktwagen umfassen. In der dritten Phase, der "Revolution" ab 2025, will de Meo aus dem Autohersteller Renault ein Tech-Unternehmen formen. Dieses soll bis 2030 mindestens ein Fünftel seines Umsatzes mit Dienstleistungen, Daten und Energiehandel erzielen. Dafür gründet er mit Mobilize eine neue Marke, die neben Renault, Alpine und Dacia/Lada eine weitere vierte Geschäftseinheit bildet. Sie wird Dienstleistungen anbieten, die weit über das Autofahren hinaus gehen. Sollte das ehrgeizige Ziel von Luca de Meo aufgehen, wäre das tatsächlich eine "Renaulution".
News 2020: Neue Designer, Milliardenverlust im ersten Halbjahr, Renault-Nissan-Allianz in der Krise, Strategie für China & Luca de Meo neuer Renault-Generaldirektor
Renault-News im Juli 2020: Die Designer Alejandro Mesonero-Romanos und Gilles Vidal verstärken seit Herbst 2020 Team von Renault. Beide wurden aus Top-Positionen der Mitbewerber abgeworben: Mesonero-Ramonos wechselte zum 1. Oktober 2020 von Seat zu Renault und folgte damit dem ehemaligen Seat-Chef und jetzigem Renault-Vorstandsvorsitzenden Luca de Meo. Vidal kam am 1. November 2020 von Peugeot, wo er seit 2010 als Design-Direktor tätig war. Beide berichten direkt an den obersten Designchef Laurens van den Acker. Der Niederländer gehört seit 2015 als Senior-Vizepräsident dem Renault-Vorstand an. Alejandro Mesonero-Romanos hat das Unternehmen mittlerweile schon wieder verlassen: Er heuerte im Juli 2021 bei Alfa Romeo an.
Wegen der Corona-Krise und tiefroten Zahlen beim Partner Nissan hat Renault in der Halbjahresbilanz einen Milliardenverlust für die ersten sechs Monate in 2020 zu verzeichnen. Der auf den französischen Konzern entfallene Nettoverlust betrug dem Autobauer zufolge 7,29 Milliarden Euro. Im Vorjahreszeitraum gab es noch einen Gewinn von rund 970 Millionen Euro. Nissan schlug bei den krisengeschüttelten Franzosen:Französinnen im ersten Halbjahr 2020 mit einem Verlustbeitrag von 4,8 Milliarden Euro zu Buche. Renault ist im Rahmen einer Allianz mit 43,4 Prozent an dem japanischen Hersteller beteiligt. Die Corona-Krise kostete Renault nach eigener Schätzung rund 1,8 Milliarden Euro. Der Umsatz brach um 34,3 Prozent auf 18,4 Milliarden Euro ein.
Ab Juli 2020 muss sich Luca de Meo der größten Herausforderung seiner Karriere stellen: Er wird Vorstandschef von Renault. Die Allianz der Franzosen mit Nissan und Mitsubishi steckt in der größten Krise ihrer Geschichte. Nach Jahren des Wachstums und der Gewinne taumelten die Partner im Zuge des Skandals um den ehemaligen Renault- und Nissan-Chef Carlos Ghosn in die Verlustzone. Bereits 2019 brachen die Verkäufe des nach VW und Toyota drittgrößten Autoproduzenten empfindlich ein. Beide Partner leiden an Überkapazitäten und einer ausufernden Modellvielfalt: Zwischenzeitlich hatte Nissan weltweit mehr als 100 Modelle im Angebot. Und nach dem spektakulären Abtritt von Carlos Ghosn traten die Machtkämpfe zwischen Renault und Nissan hervor: Die bei Verkäufen und Gewinnen größeren Japaner:innen fühlen sich in der Allianz unterrepräsentiert. So hält Renault 43 Prozent der Nissan-Anteile, die Japaner:innen besitzen aber nur 15 Prozent von Renault. Die Partnerschaft stand kurz vor einer Zerreißprobe. Und dann stieß Corona die Autoindustrie in eine weltweite Krise. Nun versucht die Renault-Nissan-Allianz einen Neustart: Es gibt jedoch keine Fusion, die Besitzverhältnisse zwischen den Partnern bleiben unangetastet. Allerdings vertiefen Renault und Nissan ihre Kooperation, teilen die Welt neu unter sich auf.
Renault ist für Europa, Russland und Südamerika zuständig, Nissan dagegen für China, Nordamerika und Japan. Mitsubishi kümmert sich um Teile Asiens und Ozeanien. Beide japanische Marken bleiben aber weiterhin in Europa vertreten. Auch bei den Fahrzeug-Plattformen und den Schlüsseltechnologien gibt es von Juni 2020 an klare Zuständigkeiten: So ist etwa Renault für kleinere SUV verantwortlich, Nissan kümmert sich um Kompakt-SUV. Während Renault die Fahrzeug-Vernetzung vorantreiben, forscht Nissan am autonomen Fahren. Dadurch sollen die Investitionen in neue Modelle um bis zu 40 Prozent reduziert werden. Gleichzeitig planen beide Marken tiefgreifende Sparprogramme: Nissan will seine Produktionskapazitäten von 7,2 auf 5,4 Millionen Fahrzeuge pro Jahr reduzieren und sein weltweites Angebot auf weniger als 55 Modelle zusammenstreichen. So wird das Nissan-Werk in Barcelona geschlossen, wovon 2800 Mitarbeiter betroffen sind. Auch ein Montagewerk in Indonesien steht vor dem Aus. Dagegen bleibt die Fabrik im britischen Sunderland bestehen – sie soll mithilfe von Renault-Modellen ausgelastet werden. Insgesamt will Nissan seine Fixkosten um 2,5 Milliarden Euro senken und 2023 eine Gewinnmarge von fünf Prozent einfahren. Auch Renault plant die Reduzierung seiner weltweiten Produktionskapazitäten von vier auf 3,3 Millionen Fahrzeuge. Dafür muss Luca de Meo allein in Frankreich 4600 Stellen streichen, weltweit weitere 10.000. So sollen die Fixkosten bis 2023 um mehr als zwei Milliarden Euro sinken. Allerdings hat Renault von größeren Werksschließungen Abstand genommen. Das liegt am Widerstand des französischen Staats, der zum einen 15 Prozent der Firmenanteile hält. Zum anderen unterstützt er Renault mit einem staatlich garantierten Kredit von bis zu fünf Milliarden Euro. So soll das Alpine-Werk in Dieppe nach dem Auslaufen der A110 nicht geschlossen, sondern umgebaut werden. Und die Fabrik in Flins wird in ein Zentrum für Recyclingwirtschaft umgewandelt. Spannend wird nun, welche Modelle dem Streichkonzert zum Opfer fallen: Neben dem Talisman sind die traditionsreichen Vans Scénic und Espace bedroht. Denn Luca de Meo hat die Zukunft und nicht die Vergangenheit von Renault im Blick.
In China will Renault seine Aktivitäten künftig auf den Markt der leichten Nutzfahrzeuge und Elektroautos konzentrieren, wie im April 2020 bekannt wurde. So soll nicht nur die langfristige China-Präsenz gestärkt werden, auch die Synergien mit dem Allianzpartner Nissan will das Unternehmen so noch besser nutzen. Die Autobauer werden demnach auch künftig bei Motoren der neuen Generation zusammenarbeiten. Die Renault-Aktivitäten im Segment der leichten Nutzfahrzeuge verantwortet seit 2017 das Gemeinschaftsunternehmen Renault Billiance Jinbai Automotive (RBJAC). Die Modelle der in China seit langem etablierten Marke Jinbei sollen mit dem Know-how und den Technologien von Renault von RBJAC modernisiert werden. Darüber hinaus ist eine Erweiterung des Angebots um insgesamt fünf Kernmodelle bis 2023 geplant. Mit dem City K-ZE verkauft Renault bereits seit 2019 ein elektrisches Stadtauto auf dem weltweit größten Markt für E-Fahrzeuge. Künftig soll das Modell auch auf anderen Märkten angeboten werden. Außerdem soll Renault mit seiner Unterstützung dafür sorgen, dass das Joint Venture Jiangxi Jiangling Group Electric Vehicle (JMEV) im Jahr 2022 mit vier Modellen 45 Prozent des chinesischen Elektromarktes abdeckt.
Der frühere Seat-Vorstandschef Luca de Meo wird neuer Generaldirektor bei Renault. Das gab der Verwaltungsrat des französischen Autobauers Ende Januar 2020 bekannt. Bereits in den Wochen zuvor war häufiger über den Wechsel des 52-jährigen Italieners, der zu Jahresbeginn bei der Volkswagen-Tochter Seat zurückgetreten war, spekuliert worden. Die französische Tageszeitung "Le Figaro" berichtete darüber hinaus von harten Verhandlungen zwischen Volkswagen und Renault wegen des Managerwechsels. Renault hatte Mitte Oktober 2019 den bisherigen Generaldirektor Thierry Bolloré gefeuert, Interimschefin ist Topmanagerin Clotilde Delbos. Sie soll laut Renault vom 1. Juli an Vize-Generaldirektorin werden.
Renault hat wie viele westliche Firmen und Politiker:innen auf Putins Russland gesetzt – und verloren. Allerdings war der Einsatz der französischen Marke deutlich höher. Gerade Lada hat einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet, dass Renault nach einem Rekordverlust 2020 im Vorjahr wieder schwarze Zahlen schrieb. So sah der Reformplan von Konzernchef Luca de Meo eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Billigmarken Dacia und Lada in einer gemeinsamen Geschäftseinheit vor. Mit dem Rückzug aus Russland wird nun noch deutlicher, dass Renault auf den großen Märkten USA und China nicht vertreten ist.