MG Cyberster (2024): Unser Fazit nach der ersten Testfahrt
MG belebt die Roadster wieder
Irgendwo zwischen kühn und verrückt: Der neue MG Cyberster (2024) ist der MG, den niemand erwartet oder verlangt hat. Ist das der Schritt in ein wildes, neues Territorium … oder einfach nur eine Fußnote in der Geschichte des britischen Herstellers? Unsere erste Testfahrt soll genau das klären.
Es ist kaum zu glauben. Für ein Auto, das bei seiner Ankündigung wie ein Witz oder ein schreckliches Missverständnis wirkte, macht der elektrische Roadster MG Cyberster einen bemerkenswert guten Job auf den Landstraßen im südlichen Cairngorm (UK). Ein E-Roadster von MG? Preislich über 60.000 Euro? Warum?
Die britische Traditionsfirma ist 2007 vom chinesischen Automobilkonzern SAIC aufgekauft worden. Seitdem gab es kein richtiges Spaßmobil mehr mit MG-Logo auf der Straße. Zum hundertjährigen Jubiläum soll sich das nun mit dem neuen MG Cyberster (2024) ändern. Der Polestar 6, die nächste Generation des Porsche Boxster und der BMW Z4 sind noch einige Jahre entfernt, und der neue Tesla Roadster scheint ein permanenter Wunschtraum von Elon Musk zu sein. Und wenn diese Konkurrenten schließlich in den Showrooms stehen, werden sie mit hoher Wahrscheinlichkeit deutlich teurer sein als der MG. Bis dahin hat der Cyberster alle Zeit, die Herzen dieser Welt im Sturm zu erobern. Zeit also für eine erste Testfahrt.
Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
Leslie & Cars zeigt den MG3 (2024) im Video:
Testfahrt: Der neue MG Cyberster (2024) wartet mit beeindruckender Technik auf
Ein einzigartiges Auto verdient eine besondere Umgebung. Die Cairngorm-Berge sind manchmal mit Fahrrädern, Wohnwagen und Wohnmobilen verstopft; manchmal sind sie kühl, feucht und windig; und manchmal sind sie all diese Dinge gleichzeitig. Aber heute sind sie verlassen und sonnen sich unter dem blauen, mit Wattewolken durchsetzten Himmel bei sommerlichen 25°C. Für den neuen MG Cyberster (2024) eine Gelegenheit ohne Ausreden, um zu glänzen: Wenn es bei diesem Wetter, auf diesen verlockenden Straßen, keinen Spaß macht, ihn zu fahren, dann ist er weit entfernt von dem, was er sein sollte.
Der Cyberster ist größer als er aussieht, näher an einem BMW Z4 als an einem Mazda MX-5, mit einem langen Radstand von 2690 mm und kurzen Überhängen, basiert auf derselben Plattform wie der MG4. Klassische Roadster-Proportionen – niedrig, mit einer langen Motorhaube, die aussieht, als könnte sie einen V8 verschlingen, eine kompakte zentrale Kabine unter einer schrägen Windschutzscheibe und einem kurzen Heck: Fertig ist der Cyberster.
Zwei Leistungsvarianten gibt es: Als Hecktriebler treibt ein 250 kW (340 PS) starker E-Motor mit 475 Nm Drehmoment die Hinterachse an. Die Leistung ist ordentlich – 0 auf 100 km/h in 5,0 s und eine Höchstgeschwindigkeit von 195 km/h. Gepaart mit einem nicht gerade geringen Kampfgewicht von 1885 kg und hat eine WLTP-Reichweite von 510 km. Die zweite Variante setzt da nochmal einen drauf mit 370 kW (503 PS) und 725 Nm Drehmoment. Null auf 100? 3,2 s. Topspeed? 200 km/h. Nachteile, abgesehen von den Kosten? Das Leergewicht steigt um 100 kg auf 1985 kg und die WLTP-Reichweite sinkt auf 445 km. Und nun: Warten, bis sich die Scherentüren sanft öffnen. Per Knopfdruck fährt sich das elektrische Stoffdach ein, und die erste Testfahrt kann beginnen!
Die Konkurrenten:
Auf der Landstraße zeigt der Cyberster seine Talente
Die ersten Eindrücke sind gemischt. Trotz dessen, dass die Batterie nur 110 mm hoch baut, sitzt man definitiv zu hoch im neuen MG Cyberster (2024). Die elektrisch verstellbaren Sitze fühlen sich an, als müssten sie gute fünf Zentimeter niedriger sein. Positiv fällt dagegen rasch der hohe Federungskomfort auf. Mit offenem Dach bei niedrigen Geschwindigkeiten ist die Kabine nahezu lautlos, was den Eindruck vermittelt, einen Film mit stark heruntergedrehtem Ton zu schauen. Es gibt kaum Windverwirbelungen, kaum ein Murmeln der beiden Elektromotoren, die Federung gleitet sanft über die unebenen Straßen, die Kabine quietscht oder klappert nicht, und das gut abgestimmte künstliche Auspuffgeräusch ist ein kaum wahrnehmbares Hintergrundgeräusch bei der ersten Testfahrt.
Wenn man dann noch die elektrische Lenkung, die sowohl schnell als auch präzise ist, Bremsen mit sofortigem Biss, eine 50:50-Gewichtsverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse und mehr Drehmoment als bei einer Traktorenparade hinzufügt, ergibt sich ein Auto mit einem fließenden Gang, das sehr zügiges Fahren auf offenen und hügeligen Straßen zu einem Vergnügen macht. Das übertrifft unsere Erwartungen – nicht nur, dass der Cyberster als erster in dieser Nische überzeugt, sondern er tut dies als ein Auto, das echte dynamische Qualitäten vorweisen kann.
Es ist weniger die Beschleunigung, denn die Gelassenheit, die beeindruckt
Während der ersten Testfahrt nehmen wir uns auch die Zeit, die Launch Control auszuprobieren. Sportmodus ausgewählt, ESC deaktiviert. Linker Fuß auf der Bremse, rechter Fuß pinnt das Gaspedal bis zum Boden, warte, bis das kleine blaue Weltraumraketen-Symbol auf dem Display erscheint und dann den linken Fuß von der Bremse nehmen. Es gibt ein anfängliches Quietschen von allen vier Reifen und dann wird der Horizont in deinen Schoß beschleunigt. Es gibt auch keine Pause, der neue MG Cyberster (2024) stürmt mit einer Heftigkeit in den dreistelligen Bereich, die teils urkomisch, teils unangenehm ist.
Wir versuchen es noch einmal. Die gleiche magenverdrehende Kombination aus Gelassenheit und Wahnsinn. Bah! Dazu packen die Brembo-Bremsen – 365 x 30 mm Scheiben, die vorne von Vierkolben-Sätteln und hinten von 356 x 25 mm Scheiben mit Einkolben-Sätteln gegriffen werden – mit beachtlicher Überzeugungskraft. Sie sorgen für eine erfreulich gleichmäßige Verzögerung, selbst bei oh-my-god-Geschwindigkeiten, ohne spürbar den Übergang zwischen elektrischer Rekuperation und mechanischen Bremssätteln offenzulegen.
Der Innenraum fühlt sich gut gemacht an, mit genähten Nähten, die genau ausgerichtet sind, angenehmen Materialien an den meisten Berührungspunkten und einer insgesamt erfreulichen Kohärenz. Aber es gibt einige Bereiche, die stören. Der Handbremshebel ist seltsam positioniert, unten am rechten Knie, zusammen mit einem altmodischen Scheinwerfer-Nivellierregler. Schwarze Oberflächen im Cockpit ziehen Fingerabdrücke magisch an. Das Handyfach in der Mittelkonsole ist jedoch eine nette Geste. Und falls wir nun das Interesse geweckt haben: Seit August 2024 ist der Cyberster auch in Europa erhältlich bei einem Startpreis von rund 60.000 Euro (Stand: September 2024).
Von Ben Whitworth, übersetzt von Lukas Bädorf
Technische Daten
AUTO ZEITUNG 2024 | MG Cyberster |
Technische Daten | |
Motor | 2 Permanenterregte Synchronmaschinen |
Antrieb | Konstantübersetzung; Allrad |
Systemleistung | 370 kW/503 PS |
Max. Drehmoment | 725 Nm |
Kapazität/Spannung | 74,4 kWh (netto)/400 V |
Karosserie | |
Außenmaße (L/B/H) | 4535/1913 (2110)*/1329 mm |
Leergewicht/Zuladung | 1985 kg |
Kofferraumvolumen | 249 l |
Fahrleistungen | |
Beschleunigung (0-100 km/h) | 3,2 s |
Höchstgeschwindigkeit | 200 km/h |
Verbrauch auf 100 km | k.A. |
Reichweite | 442 km (WLTP) |
Kaufinformationen | |
Grundpreis | rund 60.000 Euro |
Marktstart | August 2024 |
*Breite mit Außenspiegel |
Seine Verbindung zu den alten britischen MGs ist eine Herausforderung, aber der Cyberster ist ein ausgezeichneter Gran Turismo. Er ist weitaus besser, als er sein müsste, ein Auto, das selbstbewusst auf eigenen Füßen steht. Ja, es gibt digitale Spielereien und ergonomische Eigenheiten, aber die technischen Grundlagen dieses Autos sind beeindruckend solide. Der Cyberster bietet ein Gran-Touring-Erlebnis, das seinesgleichen sucht.