Nano-Scheibenversiegelung: Test
Freie Sicht ohne Wischer
Das große Versprechen einer Nano-Scheibenversiegelung: Freie Sicht ohne Wischer. Wir haben zehn Produkte einen Test unterzogen.
Nano-Scheibnversiegelung im Test
Immer mehr Hersteller von Autoputzmitteln werben mit so genannter Nanotechnik in der Pflegechemie. Teilchen, die nur millionstel Millimeter groß sind und nicht einmal im Elektronenmikroskop sichtbar werden, sollen wahre Wunder vollbringen. Zum Beispiel das Regenwasser von der Windschutzscheibe abperlen zu lassen, so dass der Wischer unnötig wird. Was wie Hokuspokus klingt, ist simple Physik: Wassermoleküle binden sich durch polare Kräfte aneinander. So entstehen erst kleine, dann immer größere Tropfen. Die Windschutzscheibe hat, betrachtet man sie durch ein Mikroskop, eine raue Oberfläche. Sie sieht eher aus wie ein schroffes Felsengebirge aus der Luftperspektive. Wassertropfen bleiben in den Tälern hängen. Darum ist bei Regen ein Scheibenwischer nötig. Die Nano-Chemie verändert dieses Gebirge gründlich: Eine transparente Trägerschicht füllt die Täler und Schluchten auf. Kleinste Teilchen aus Wachs, Fluor oder Siliziumverbindungen wirken mit großen polaren Kräften auf die Wassermoleküle. Das sorgt für eine höhere Oberflächenspannung. Aus dem Wasserfilm entstehen schnelll kleinste Tröpfchen, die einfach von der Scheibe abperlen sollen. So weit die Theorie. Wie zuverlässig das in der Praxis funktioniert, zeigt unser Labor- und Praxistest, den zehn Nano-Versiegler zum Preis von fünf bis 30 Euro durchliefen.
So die Windschutzscheibe enteisen (Video):
Auf das Alter achten
An Tankstellen, in Baumärkten, Auto-Teileläden und bei einem Online-Shop kauften wir Proben ein. Offenbar zählen diese Mittel häufig zu den Ladenhütern. Denn wir fanden Fläschchen, die schon zwei oder drei Jahre alt waren. Auch wenn es hier kein echtes Verfallsdatum gibt, sollten Interessenten auf frische Ware achten. Denn gealterte Inhaltsstoffe verlieren an Wirkung. Außerdem bieten Produkte mit neueren Rezepturen Vorteile beim Auftragen und erzeugen weniger Reflexe bei Dunkelheit.
Wir haben im Labor getestet
Um die Wirksamkeit der Regenabweiser zu ermitteln, wurden im Labor das so genannte Wasserspreizverhalten und der Abperleffekt untersucht. Um gleiche Bedingungen für alle Probanden zu garantieren, reinigten wir das Trägerglas erst einmal gründlich mit einer speziellen Glaspolitur. Beim Auftragen der Versiegelung hielten wir uns strikt an die Vorgaben der Hersteller und setzten zusätzlich die bei einigen Präparaten mitgelieferten Reinigungstücher ein. Nach dem Aushärten und Aufpolieren wurde Regenwasser aufgesprüht.
Diese Produkte haben wir getestet: Valvoline, Unelko, No Touch, Caramba, Sesam und Arexons
An sieben Produkten - von Valvoline, Unelko, No Touch, Caramba, Sesam und arexons - registrierten wir eine gute Wirkung, also ein spontanes Aufreißen des Wasserfilms. Unter der Vergrößerungsoptik konnten wir eine ausgeprägte Kugelform der einzelnen Tropfen feststellen. Das ermöglicht ein wirkungsvolles und rasches Abperlen. In der Praxis zeigte sich, dass in diesem Fall der Fahrtwind bei Tempo 60 bis 70 km/h ausreicht, um die Windschutzscheibe wasserfrei zu halten, ohne den Wischer zu betätigen. Bei den Produkten von Kerona und Votex registrierten wir ein leicht verzögertes, aber ebenfalls komplettes Aufreißen des Wasserfilms. Hier tritt der vollständige Abperleffekt bei 70 bis 80 km/h ein. Die schlechteste Wirkung zeigte rain-x von Shell car care: Zwischen den kugelförmigen blieben viele abgeflachte Tropfen stehen, was zu kleinen Inseln mit Wasserflächen auf der Windschutzscheibe führte. Solche nassen Stellen nehmen dem Fahrer die Sicht und zwingen ihn, den Scheibenwischer zu betätigen. Aber gerade das soll durch den Regenabweiser ja vermieden werden.
Nacht-Schleier
Fahren die Wischer über die Nano-Scheibe, kann sich die Sicht sogar verschlechtern. Um in diesem Punkt die Spreu vom Weizen zu trennen, simulierten wir eine Nachtprüfung bei Gegenlicht und Regen mit eingeschaltetem Wischer. Bei kontinuierlicher Beregnung und Wischerbetätigung verschlechtern sieben Versiegler die Sicht mit einem dauerhaften Schleier. Dieser Schleier fiel nur bei drei Mitteln geringer aus: Dem Testsieger Anti Rain von Sesam, bei dem zweitplatzierten Ultra Rain Shield von No Touch und bei Rain off von Arexons.
Nano-Versiegelung getestet: Frostschutz sorgt für Schleier
Im praxisnahen Test mit aufgetragenem Sprühnebel und einem anschließenden Wischerhub war die Sicht bei rain-x von Shell car care für sechs Sekunden verschleiert. Scheiben-Siegel von Caramba verschlechterte für fünf, Rain Clear von Unelko für vier Sekunden den Durchblick. Noch schlechtere Ergebnisse stellten sich beim zusätzlichen Aufsprühen von Scheibenreinigern in Winterqualität ein. Das hier enthaltene Frostschutzmittel Glykol sorgte bei arexons Rain off und Shells rain-x für einen dauerhaften Schleier. Mit No Touchs Rain Shield hatte der Fahrer für zehn Sekunden keine klare Sicht. Bei dieser Prüfung konnten nur Raingard von Valvoline und Rain Clear von Unelko mit geringen Schleieranteilen punkten.
Keines der geprüften Produkte überzeugte uns. Durch häufige Wischerbetätigung und vor allem durch die Zugabe von Scheibenreinigern, wie sie oft im Waschwasser enthalten sind, verschlechtert sich nach einiger Zeit die Sicht. Auch nimmt die Blendwirkung durch den Gegenverkehr innerhalb von sechs Wochen zu. Dagegen hilft nur das Reinigen mit Brennspiritus, ein Neuauftrag der Versiegelung oder ein Auspolieren mit spezieller Glaspolitur. Selbst die beste Nano- Scheibenversieglung macht den Scheibenwischer nicht arbeitslos. Unser Praxistest hat eindeutig gezeigt, dass sich eine behandelte Scheibe bei feinem Nieselregen gründlicher mit kleinsten Regentropfen zusetzt als eine unbehandelte. Bei geringem Tempo haften die kugelrunden Wasserperlen beharrlich auf der Scheibe und lassen diese undurchsichtig erscheinen. Auf einer unbehandelten Scheibe entsteht dagegen ein gleichmäßig dünner, aber durchsichtiger Wasserfilm, der weniger stört.