Ferrari 296 GTB/McLaren Artura: Vergleichstest
Welcher ist der bessere Hybrid-Supersportler?
- Vergleichstest: McLaren Artura misst sich mit Ferrari 296 GTB
- Ansprechverhalten von Ferrari 296 GTB und McLaren Artura
- Motoren von Ferrari 296 GTB und McLaren Artura
- Ferrari 296 GTB und McLaren Artura auf der Clubsport-Piste
- Der Ferrari 296 GTB ist die schärfere Waffe als der McLaren Artura
- Technische Daten von Ferrari 296 GTB und McLaren Artura
Ferrari und McLaren, seit Langem beste Feinde, haben beide die gleiche Formel für Hybrid-Supersportwagen gefunden – einen heftig elektrisch verstärkten V6. Wir trieben Ferrari 296 GTB und den McLaren Artura über die Rennstrecke Cadwell Park im englischen Lincolnshire. Wer hat im Vergleichstest die Nase vorn?
Ferrari hatte es schon immer mit ehrgeizigen Konkurrenten zu tun: in der Formel 1, ganz früher in der Sportwagen-WM und bei den Serienmodellen sowieso. Seit Jahren kratzt nun auch McLaren am ewigen Nimbus der Roten: Mit seinem McLaren Artura kommt der Hersteller dem Ferrari 296 GTB technologisch so nahe wie kein anderer Supersportwagen. Mit 830 PS Systemleistung ist der Italiener im Vergleich allerdings 150 PS (110 kW) stärker als der Brite. Deutliche Unterschiede gibt es auch beim Preis: Der Artura kostet mit 266.701 Euro rund 36.000 Euro weniger als der Ferrari. Im Mikrokosmos der Supersportwagen ist der 296 GTB zweifellos der Ferrari des bisherigen 21. Jahrhunderts – mit modernem, ausdrucksstarkem Design, das dennoch auf die Höhepunkte des Ferrari-Erbes verweist, und einem Hightech-Hybrid-Antrieb.
In Bezug auf Preis und Leistung sind die zwei Boliden also keine direkten Konkurrenten, doch dank ihrer vielen sonstigen Gemeinsamkeiten umso mehr vergleichbar. Denn in beiden tobt ein 3,0-Liter-V6-Motor mit Doppelturbolader, die in den weit auseinanderliegenden (120°) Zylinderbänken untergebracht sind. Und beide drehen bis in die schwindelerregende Höhe der 8000er-Marke. Obendrein sind auch die Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe, jeweils mit Axialfluss-E-Motor (123 kW (167 PS) beim Ferrari, 70 kW (95 PS) beim McLaren), die Übersetzungsverhältnisse sowie die 7,4-kWh-Batterien direkt miteinander vergleichbar. Mit reiner E-Power können sowohl Ferrari 296 GTB als auch McLaren Artura emissionsfrei mit etwas über 130 km/h dahinrollen. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
Ferrari 296 GTB (2021) im Fahrbericht (Video):
Vergleichstest: McLaren Artura misst sich mit Ferrari 296 GTB
Sehr vieles am McLaren Artura ist neu: der gesamte Antriebsstrang ebenso wie das Chassis aus Kohlefaser. Auch deshalb kommt das britische Hightech-Package auf nur 1498 Kilogramm Gewicht – samt Betriebsstoffen. Der Artura liegt nur 46 Kilogramm über dem McLaren 570S ohne Hybrid-Antrieb, wiegt im Vergleich aber erhebliche 75 Kilogramm weniger als der Ferrari 296 GTB. Zudem glänzt der Artura mit einer neuen Architektur der Elektrik, erheblich verbessertem neuen Infotainment und neuen elektronischen Antriebs- sowie Fahrwerks-Steuerungen. Und doch vermittelt der Artura noch immer die urtümliche McLaren-Genetik. Das leichtere Design hat den Babyspeck des 570S reduziert, in einer aufgeräumten und klar gegliederten Fahrer:innenkabine ist die Sitzposition erwartungsgemäß angenehm tief, die Bedienelemente finden sich an vertrauten Positionen.
Fährt man im Hybrid-Modus, bricht ab Tempo 80 der M630-V6 los. Der Übergang vom elektrischen in den Verbrenner-Zustand ist teils sanft, teils etwas stotternd. Der Soundtrack des Verbrenners entspricht eher ruppigem Industrie-Techno als rassiger 24-Ventiler-Musik – aber er erdet dieses Auto, das mehr Wert auf eine klare Persönlichkeit legt als auf verspielten Firlefanz. Der Sound ist eng mit dem des alten V8 verwandt, doch das Ansprechverhalten spielt in einer ganz eigenen Liga: Das Loch jenseits von 3000 Umdrehungen, in das die früheren McLaren der "neuen Ära" gefallen waren, ist jetzt drastisch reduziert und der Schub im mittleren Drehzahlbereich nun deutlich stärker. Das Triebwerk des McLaren Artura fühlt sich hellwach an mit angestauter Aggression, die nur darauf wartet, freigelassen zu werden.
Ansprechverhalten von Ferrari 296 GTB und McLaren Artura
Auch wenn die Karosserie des McLaren Artura auf holprigem Untergrund gelegentlich ins Wanken gerät, behalten Komfort und Geschmeidigkeit – typisch McLaren – die Kontrolle, alles steht in perfekter Harmonie mit der hydraulisch unterstützten Lenkung. Diese gibt ein herrliches Feedback, und auch Stärke sowie Festigkeit des Alcantara-Kranzes und die Konstanz von Anschlag zu Anschlag schaffen Vertrauen. Im Vergleich dazu der Ferrari 296 GTB. Dieser ist innen wie außen eine Hommage an jene Ferrari-Rennwagen, die in den 60er-Jahren vom britischen Kund:innenteam Maranello Concessionaires eingesetzt wurden – mit hellblauen Farbakzenten als Kriegsbemalung. Das straffe Assetto-Fiorano-Paket merkt man ihm sofort an, es ist eine für die Rennstrecke gedachte Option mit härteren Federn und Dämpfern – letztere sind übrigens nicht justierbar. Weiterhin kommen hier Leichtbau-Extras wie eine Motorabdeckung aus Polycarbonat und Türverkleidungen aus Kohlefaser zum Einsatz. Im Innenraum dominieren die babyblauen Sitze. Wenn man es sich darin schön niedrig bequem gemacht hat, findet man sich dank der digitalen Instrumente zügig zurecht. Sehr schön und stilecht wirken aber auch die Schalter am Lenkrad für diverse Antriebseinstellungen – vom reinen Elektro-Antrieb bis hin zu einem speziellen Qualifying-Modus, um die Batterie zu laden.
Motoren von Ferrari 296 GTB und McLaren Artura
Der Ferrari 296 GTB zeigt auf Anhieb ein so klares, eindeutiges Ansprechverhalten, dass der McLaren Artura im Vergleich beinahe schwammig wirkt. Das Ferrari-Feeling spürt man en detail: vom engagiert einsetzenden Brake-by-Wire-Pedal – sehr beeindruckend, da es anders als im McLaren auch eine Rekuperationsfunktion regelt – über die kürzeren Schaltwege der Wippen bis hin zum Einrasten der Gänge. Die Lenkung reagiert superschnell und arbeitet gerade-zu klinisch exakt. Der Ferrari mag leichtfüßig sein, doch mit seinen arretierten Options-Dämpfern hängt er mehr von den äußeren Bedingungen ab als der McLaren: Auf eben asphaltierten Straßen liegt er perfekt, auf unebenen, schlechten Strecken neigt er dagegen zur Steifbeinigkeit. Bei Nässe etwas giftig, erwacht der 296 GTB auf trockener Strecke vollends zum Leben, reagiert blitzschnell mit sagenhaftem Grip und fabelhafter Balance. Eine mit Haarnadelkurven gespickte Steigung nimmt er mit der Schärfe eines Rasiermessers. Auf der sich schlängelnden, sehr ebenen, aber nicht allzu breiten Rennpiste von Cadwell Park fühlt man sich mit dem Ferrari immer wohler. Die Dämpfung wirkt angenehmer. Hier gibt’s genug Platz, um seine atemberaubende Leistung auszuspielen.
Der Antriebsstrang des Ferrari ist phänomenal: Der Dreiliter-Sechszylinder sprüht nur so vor Energie, er reagiert auf jedes noch so leichte Tippen auf das Gaspedal mit vollem Einsatz. Und dann führt ein muskulöser mittlerer Drehzahlbereich direkt weiter zu einem gewaltigen Höhepunkt bei 8500 Umdrehungen pro Minute. Das Motorgeräusch des Ferrari 296 GTB ist im Vergleich weitaus facettenreicher als das des McLaren Artura – trauerndes V6-Timbre, heisere Turboausbrüche, posaunenblechernes Räuspern. All das dient der akustischen Untermalung einer geradezu brutalen Leistungsentfaltung – wenn der Ferrari nicht gerade im stillen E-Modus via Boxengasse die Rennstrecke von Cadwell Park unter seine breiten Räder nimmt.
Ferrari 296 GTB und McLaren Artura auf der Clubsport-Piste
Die 3,5 Kilometer lange Clubsport-Piste ist übrigens wie geschaffen für Ferrari 296 GTB und McLaren Artura: sanft geschwungen mit gepflegtem Belag. Die Streckenführung ist hügelig, aber auch unübersichtlich mit trickreichem Gefälle und schwierigen Bergauf-Passagen. Also nichts für Anfänger. Der dramatisch-agile Ferrari agiert im Vergleich so reaktionsfreudig, so richtungstreu, dass er sich bei jeder Fuge, jeder Rille, jeder Ritze in den Asphalt krallt und einfach dorthin fährt, wohin man ihn lenkt. Egal, was die Physik heute auf der Tagesordnung hat. Dabei hilft ihm sein eher kurzer Radstand von 2600 Millimetern, durch langsamere Pistenpassagen zu wirbeln – obwohl der 296 GTB noch schnellere Reflexe fordert, wenn das Heck im Powerslide Buongiorno ruft: Die Balance zwischen Reaktionsfähigkeit und Stabilität an der Hinterachse in schnellen Kurven erscheint geradezu surreal. Die elektrische Servolenkung arbeitet superpräzise, und die Bremsen wirken mit allmächtiger Verzögerung.
Beim Ferrari lässt sich mit abruptem tiefen Einlenken wunderbar das kurvenäußere Vorderrad belasten, während sich hinten das Differenzial aggressiv schließt. Das wiederum ermutigt einen dazu, den Italiener in einen noch engeren Radius zu zwingen. Und die aerodynamische Performance? Auch hier gilt: Vorteil für den Ferrari 296 GTB. Der McLaren Artura beansprucht die Nackenmuskulatur etwas weniger, der Ferrari beißt mit zusätzlichem lateralen Grip. Seine Lenkung unterscheidet sich im Vergleich zwar stark von der des Artura, gefällt aber nicht weniger. Würde man hier ein kleines Club-Rennen austragen, sollte man sich für den Ferrari 296 GTB entscheiden. Nur um den Kurs zu lernen, nimmt man dagegen besser den McLaren Artura.
Der Ferrari 296 GTB ist die schärfere Waffe als der McLaren Artura
Der Ferrari 296 GTB stellt den McLaren Artura in puncto Gesamtperformance zwar leicht in den Schatten, aber in jedem anderen Kontext fühlt sich der rapide Artura unanständig gut an – besonders wenn man das Dämpfer-Setting auf Sport switcht. Der McLaren ist im Vergleich nicht so rasiermesserscharf wie der Ferrari, er multitaskt sich eher durch das Geläuf, saugt die Kerbs auf, bleibt ruhig und gelassen und ermutigt einen dazu, die wunderbar feinnervige Lenkung mit entsprechender Robustheit zu bearbeiten, um per Lastwechsel den Richtungswechsel einzuleiten. Mit seinem neuen elektronisch gesteuerten Differenzial lässt er sich auch gern zu einem anständigen Drift hinreißen. Letztlich agiert er deutlich verzeihender als der Ferrari, wobei sicher auch seine Tendenz zum Untersteuern – speziell in schnellen Kurven – eine Rolle spielt. Man muss sich an dieses Rutschen über die Vorderachse herantasten, geht wieder kurz vom Gas, um das Heck zu entlasten, um dann mit vollem Einsatz bei etwas Übersteuern schnell auf Speed zu kommen.
Der McLaren ist interaktiv, kommunikativ und wunderschön ausbalanciert. Dass der Ferrari die schärfere Waffe für die Rennstrecke ist, daran besteht kein Zweifel. Das Gesamtfeeling des McLaren mit weicher abgestimmtem Set-up im Vergleich zur extrem reaktionsfreudigen, härteren Spezifikation des Ferrari mag für weniger versierte Fahrer:innen dafür eher akzeptabel sein. Der 296 GTB wiederum macht im Vergleich zum bereits hervorragenden Ferrari F8 Tributo einen deutlichen Schritt nach vorn, angefangen bei der Leistung bis hin zu den Fähigkeiten seines Fahrwerks – auch dank des Assetto Fiorano-Pakets. Einen echten Vergleichstest dürfte der Ferrari 296 GTB für sich entscheiden, wenngleich sein deutlich preiswerterer Konkurrent McLaren Artura kaum schwächer abschneiden würde. Und in Sachen Fahrspaß sowieso nicht…
Technische Daten von Ferrari 296 GTB und McLaren Artura
AUTO ZEITUNG 03/2023 | Ferrari 296 GTB | McLaren Artura |
Technik | ||
Zylinder/Ventile pro Zylin. | V6-Zyl., 4-Vent., Biturbo | V6-Zyl, 4-Vent., Biturbo |
Hubraum | 2992 cm³ | 2993 cm³ |
Gesamtleistung | 618 kW/830 PS | 500 kW/680 PS |
Leistung Verbrenner/E-Motor | 488 kW (663 PS)/123 kW (167 PS) | 430 kW (585 PS)/70 kW (95 PS) |
Max. Gesamtdrehmoment | 1055 Nm | 720 Nm |
Getriebe/Antrieb | 8-Gang, Doppelkuppl.; Hinterradantr. | 8-Gang, Doppelkuppl. |
Messwerte | ||
Leergewicht (Werk) | 1470 kg | 1498 kg |
Beschleunigung 0-100 km/h (Werk) | 2,9 s | 3,0 s |
Höchstgeschwindigkeit (Werk) | 330 km/h | 330 km/h |
Verbrauch auf 100 km (Werk) | 6,4 l SP + 14.0 kWh | 4,6 l S + 7,4 kWh |
Preise | ||
Grundpreis | 266.701 € | 230.500 € |