Automobilindustrie in Frankreich
Au revoir Autoland?
In Frankreich werden immer weniger Autos produziert. Gerade die heimischen Konzerne verlassen das Land. Warum es für die französische Automobilindustrie trotzdem Hoffnung gibt und was Toyota damit zu tun hat.
Frankreich gehört zu den großen Autonationen. Seit 1887 werden in unserem Nachbarland Fahrzeuge gebaut, und Modelle wie Citroën DS, Renault Espace oder Peugeot 205 schrieben Geschichte. Mit Renault und Stellantis hat Frankreich zudem noch zwei große Autokonzerne. Doch der Fahrzeugbau scheint in der Grande Nation auf dem Rückzug: Von Jahr zu Jahr werden weniger Neuwagen in Frankreich produziert. Verließen 2005 noch über 3,5 Millionen Fahrzeuge die Bänder, waren es 2022 nur noch 1,3 Millionen. Damit wurden in Frankreich so wenige Autos und leichte Nutzfahrzeuge produziert wie zuletzt 1962. So beendet Renault nach der Schließung des Stammwerks in Boulogne-Billancourt nun auch die Autoproduktion am zweitältesten Standort Flins: 2024 wird die Fabrik zu einem Recycling-Zentrum umgebaut. Auch Citroën schloss 2013 das traditionsreiche Werk in Aulnay-sous-Bois, eine viermonatige, teils gewaltsame Besetzung der Fabrik durch die Arbeitenden inklusive. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
Leslie & Cars fährt das DS 3 Facelift (2023) im Video:
Darum schwächelt die französische Automobilindustrie
Die Folge: Selbst wenn man bei Stellantis den amerikanischen Unternehmensteil um Jeep herausrechnet, stammen nur noch 14,8 Prozent der 2022 verkauften Fahrzeuge aus französischen Werken. Bei Renault liegt der Anteil mit 15,1 Prozent nur unwesentlich höher. Zum Vergleich: Bei BMW kommen noch 32,5 Prozent aller Neuwagen aus Deutschland. Schon zu Beginn der 2000er-Jahre verlagerten Citroën, Peugeot und Renault ihre margenschwachen Kleinst- und Kleinwagen in Billiglohnländer. So wird der Peugeot 208 heute in der Slowakei und in Marokko gefertigt, der Renault Clio stammt aus Slowenien und der Türkei. Auch die boomenden kleinen SUV werden im Ausland produziert, etwa der Renault Captur in Spanien. Hauptgrund: Die Arbeitskosten in Frankreich liegen mit 38,10 Euro je geleisteter Stunde noch über denen in Deutschland mit 36,70 Euro.
In der gewinnträchtigeren Mittel- und Oberklasse konnten die französischen Marken nicht gegen die vor allem deutsche Konkurrenz bestehen. So beendete Renault 2022 die Produktion des Laguna-Nachfolgers Talisman bereits nach einer Generation. Mit der Einstellung des Peugeot 607 im Jahr 2010 und dem Ende des Citroën C6 zwei Jahre später verließen zwei Stellantis-Marken die Oberklasse. Die letzte große französische Limousine, der DS 9, wird in China produziert. Größter Lichtblick für die Grande Nation ist jedoch ausgerechnet ein ausländischer Hersteller: Toyota produziert seit 2001 in der Nähe von Valenciennes, 2022 waren es rund 280.000 Neuwagen. Neben dem Yaris wird dort seit 2021 zusätzlich das City-SUV Yaris Cross gefertigt. Kaum zu glauben: Das Modell war 2022 mit 161.508 Exemplaren das meistgebaute Auto in Frankreich.
Hohe Arbeitskosten, eine geringe Produktivität und im Vergleich zu Deutschland wenig kompromissbereite Gewerkschaften – Frankreich hat nicht die besten Karten. Doch in der stark automatisierten Produktion von E-Autos fallen die Arbeitskosten immer weniger ins Gewicht. Daher will zumindest Renault umsteuern und künftig alle seine Stromer im Heimatland bauen, bis zu 800.000 Fahrzeuge. Sicher hilft auch, dass Frankreich 15 Prozent von Renault besitzt.