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Wirtschaft: Volvo als letzter Wikinger im Autoland Schweden Der letzte Wikinger

Das Autoland Schweden steckt in der Krise. Bei Saab sind die Lichter bereits erloschen. Doch Volvo stemmt sich unter Hakan Samuelsson gegen den Strom und will weiter gegen die größeren Rivalen bestehen

Die Wikinger waren zähe Gesellen, selbst vor übermächtigen Gegnern wichen sie im Kampf nicht zurück. Eine Tugend, die Volvo-Chef Hakan Samuelsson und seine schwedischen Mitstreiter gebrauchen können. Neben Giganten wie VW und Toyota gehört Volvo zu den kleineren Wettbewerbern. Auch der chinesische Autohersteller Geely, der die Skandinavier 2010 übernommen hatte, ist außerhalb der Volksrepublik nur Insidern bekannt.

 

Wirtschaft: Volvo als letzter Wikinger im Autoland Schweden

Zudem stagnieren die Verkaufszahlen von Volvo seit der Jahrtausendwende. 2012 sank der Absatz sogar um 6,1 Prozent auf 421.951 Fahrzeuge – Volvo verfehlte damit deutlich das angestrebte Ziel von 475.000 Einheiten. Dabei standen die Zeichen vor drei Jahren nicht schlecht, als Ford die Schweden während der Wirtschaftskrise an die Chinesen verkaufte. Die Amerikaner hatten Volvo seit 1999 behutsam geführt: So konnten sie ihre Modelle relativ eigenständig entwickeln und die Markenkerne Sicherheit, Qualität und skandinavisches Design bewahren.

Auch beim Thema Sicherheit stand Volvo im Ford-Konzern an erster Stelle: Neue Techniken wie der Notbremsassistent mit Fußgängererkennung debütierten zuerst in Volvo-Modellen. Gleichzeitig bekamen die Schweden Zugriff auf die konzerneigenen Plattformen und Motoren. So war Volvo in der Lage, das Modellangebot zügig auszubauen und stieg mit dem XC 90 erfolgreich ins SUV-Segment ein.

Dieser Zugriff ins Konzernregal fehlt den Volvo-Entwicklern heute, bei Geely ist nicht viel zu holen. Doch Hakan Samuelsson hat ehrgeizige Ziele, er will den Absatz bis 2020 verdoppeln. Das geht nur mit neuen Modellen. Da kein Kooperationspartner aus der Autoindustrie in Sicht ist, setzt Samuelsson auf ein Baukastensystem. Seine Idee: Volvo soll künftig mit zwei modularen Fahrzeug-Architekturen auskommen. Die SPA genannte Plattform bildet die Basis für alle größeren Limousinen, Kombis und SUV ab dem S 60 aufwärts. Premiere feiert sie mit der zweiten Generation des XC 90 Ende 2014.

Die Modelle der Kompaktklasse erhalten dagegen eine eigene Plattform. Diese wird im neuen Forschungszentrum in Göteborg entwickelt. Brisant: Die Fahrzeug-Architektur wird sowohl von Volvo als auch von Geely genutzt. Zwar beteuern alle Beteiligten, dass die Schweden die Federführung bei der Entwicklung haben. Es wird jedoch entscheidend sein, dass Volvo seine Qualitätsansprüche gegenüber den chinesischen Eigentümern durchsetzt.

Neben der Konzentration auf zwei Plattformen will Volvo künftig nur noch mit zwei turbounterstützten Vierzylindern auskommen – einem Diesel und einem Benziner. Die Triebwerke mit variablem Hubraum sollen ein Leistungsspektrum von 140 bis 280 PS (Benziner) und 120 bis 230 PS (Diesel) abdecken. Wird mehr Power benötigt, bekommt das Auto als Hybrid einen zusätzlichen E-Motor. Ende 2013 sollen die ersten Modelle starten. Zusätzlich soll für Autos im Klein- und Kompaktwagen-Segment ein Dreizylinder entwickelt werden.

Das neue Volvo-Forschungszentrum in Göteborg ist ein Bekenntnis zum Standort Schweden. Es kann jedoch nicht überdecken, dass die einstige Autonation international den Anschluss verliert: Immer weniger Fahrzeuge werden in Schweden gefertigt, viele Länder Osteuropas sind schon vorbeigezogen. Auch die meisten Volvo sind nicht mehr „made in Sweden“ – der Anteil sank 2012 auf nur noch 38 Prozent. In Zukunft werden immer mehr Volvo aus China kommen: 2013 geht ein komplett neues Werk in Chengdu an den Start. Allerdings sind dessen Modelle nur für den lokalen Markt gedacht. So bleibt abzuwarten, ob die Strategie von Samuelsson aufgeht. Sollte sie scheitern, könnte Volvo das Schicksal von Saab drohen.

In der Hoffnung, nur mit einem großen Weltkonzern im Rücken überleben zu können, hatte sich die Marke aus Trollhättan ab 1990 unter das Dach von General Motors begeben. Doch Saab wurde zu einem abschreckenden Beispiel dafür, wie man einen Traditionshersteller nicht führt: GM verwässerte schon bald den Markenkern der Schweden.

Saab musste immer mehr Komponenten von der Konzernmarke Opel verwenden. Die schweren Qualitätsmängel der Rüsselsheimer in den 90er-Jahren machten auch vor den Schweden nicht Halt – Kritiker nannten den Saab 9-3 den schlechteren, aber teureren Opel Vectra. In den USA kam es noch schlimmer: Mit ein wenig Kosmetik wollte GM das Modellangebot von Saab schnell und kostengünstig ausbauen. So wurde aus dem Chevrolet TrailBlazer der Saab 9-7X, und der Subaru Impreza begegnete den Kunden als Saab 9-2X wieder. Die Verkäufe waren katastrophal, das Markenimage war ruiniert.

Gleichzeitig musste Saab für GM den Mittelklasse-Cadillac BLS auf Basis des Opel Vec- tra in Schweden bauen – auch dieser Zwitter floppte. Im Zug der Wirtschaftskrise 2009 wollte GM Saab schließlich abwickeln. Doch die Skandinavier gaben sich kämpferisch, wurden schließlich an die niederländische Sportwagen-Manufaktur Spyker verkauft. Ohne großen Partner aus der Autoindustrie stand Saab jedoch auf verlorenem Posten und musste im Dezember 2011 Insolvenz anmelden. Denn selbst die tapfersten Wikinger können ohne Verbündete auf lange Sicht nicht bestehen.

> > Auf Seite 2: Volvo-Chef Hakan Samuelsson im Interview mit Volker Koerdt

Volvo-Chef Hakan Samuelsson im Interview mit Volker Koerdt:

Welche Strategie wird Volvo in den nächsten Jahren verfolgen?
Volvo hat sehr viel Potenzial als Marke und genießt einen sehr guten Ruf. Auf dieser Basis wollen wir in Zukunft deutlich stärker werden. Unser Absatz soll sich bis 2020 nahezu verdoppeln – auf rund 800.000 Fahrzeuge jährlich. Ein solches Wachstum ist aber nur mit neuen Modellen zu erreichen.

Wie wollen Sie bei einem größeren Modellangebot Einsparungen erzielen?
Wir führen mit der "Skalierbaren Produkt-Architektur" (SPA) ein modulares Baukastensystem ein. Diese flexible Plattform ermöglicht Fahrzeuge unterschiedlichster Varianten. Auf der SPA sollen künftig alle größeren Modellreihen vom nächsten S 60 bis zum neuen XC 90 aufbauen. Dazu kommt die neue Motoren-Familie. Damit reduzieren wir die aktuelle Komplexität erheblich und senken die Kosten spürbar.

Wie soll der Kunde Volvo künftig wahrnehmen – als Premiumhersteller?
Premium heißt zunächst einmal nur, dass ein Auto mehr kostet als ein Volumenmodell. Wir bei Volvo müssen uns auf drei Stärken konzentrieren: So wollen wir erstens im Bereich Sicherheit weiter eine Vorreiterrolle einnehmen. Zweitens streben wir eine hohe Benutzerfreundlichkeit an: Trotz der Informationsfülle in einem modernen Auto müssen alle Funktionen intuitiv sein. Unsere dritte Stärke ist das Styling der Fahrzeuge: Mit skandinavischem Design können wir uns deutlich von Audi und Mercedes abgrenzen.

Die USA sind der größte Markt für Volvo. Fehlt Ihnen dort ein eigenes Werk?
Nicht unbedingt. Vor zehn Jahren haben wir bereits 140.000 Autos in den USA verkauft und gehörten zu den größten Importmarken – ohne ein eigenes Werk. 2012 konnten wir nur noch 68.000 Fahrzeuge absetzen. Mit den überarbeiteten Baureihen S 60, XC 60 und S 80 sowie dem ab 2015 verkauften neuen XC 90 wollen wir wieder unser altes Niveau erreichen. Doch selbst dann haben wir kein so großes Verkaufsvolumen in den USA, dass sich eine lokale Produktion rechnen würde.

Warum konnte Volvo in China nicht Fuß fassen – trotz der Konzernmutter Geely?
Zum einen haben wir den chinesischen Kunden falsch eingeschätzt: Dieser will nicht den S80, sondern den S60 und den XC60 – also genau die Fahrzeuge, die auch die Kunden in New York bevorzugen. Zum anderen haben wir viele neue Händler in China. Die müssen erst einmal lernen, was Volvo ausmacht, um die Marke besser verkaufen zu können. Doch wir arbeiten an der Ausbildung der Händler und konzentrieren uns auf ein paar attraktive Fahrzeuge, die Volvo in China voranbringen sollen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir schon in diesem Jahr wachsen werden.

Volvo hat 2012 rund 422.000 Autos verkauft. Wie sieht es in diesem Jahr aus?
Wir werden weltweit gesehen etwa bei der gleichen Größenordnung landen. In Europa rechnen wir mit weiter schrumpfenden Märkten – Volvo wird rund drei Prozent weniger verkaufen als im Vorjahr. Um das zu kompensieren, brauchen wir Wachstum in China und den USA. In Nordamerika erwarte ich rund fünf Prozent mehr Absatz. Am Ende des Jahres sind 425.000 Fahrzeuge ein realistisches Ziel. Beim wirtschaftlichen Ergebnis streben wir in 2013 eine schwarze Null an.

Was erwarten Sie 2013 vom deutschen Markt. Wo wird Volvo landen?
Wir hatten im letzten Jahr 3,4 Prozent Minus. Mit zusätzlichen Maßnahmen hätten wir das Ergebnis von 2011 erreichen können, aber wir wollen ja Geld verdienen und unsere Autos nicht mit aller Gewalt in den Markt drücken. Wenn wir in diesem Jahr das Ergebnis von 2012 mit rund 33.000 Verkäufen erreichen könnten, wären wir schon zufrieden. Wie sich in den ersten beiden Monaten zeigte, wird das jedoch sehr schwierig werden.

Das Gespräch führte Volker Koerdt

Markus Bach

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