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Geht auch ganz einfach:

Thermofenster bei Diesel-Abgasreinigung

Die Wahrheit über Thermofenster

Holger Ippen Freier Mitarbeiter
Inhalt
  1. Was sind überhaupt Thermofenster?
  2. Haben alle Motoren ein Thermofenster?
  3. Wie funktionieren Abschalteinrichtungen?
  4. Wozu benötigt man nun ein Thermofenster?
  5. Spielraum für Abgastrickserei?
  6. Sind Thermofenster illegal?
  7. Thermofenster und Justiz
  8. Verbraucherrecht oder Abzock-Masche gieriger Anwälte?
  9. Welche Rechte haben Dieselfahrer?
  10. Aktuelles EuGH-Urteil: Schadenersatz für Dieselfahrer
  11. Wer noch Ansprüche stellen kann
  12. Der feine Unterschied: Dieselskandal und Thermofenster

Für einen störungsfreien Motorlauf nutzen Diesel-Autos mit älterer Abgastechnik sogenannte Thermofenster. Diese sind als unzulässige Abschalteinrichtung ins Gerede gekommen. Die AUTO ZEITUNG liefert Fakten zum Thema Thermofenster.

 

Was sind überhaupt Thermofenster?

Der Begriff Thermofenster hat in diesem Fall nichts mit ökologischem Hausbau zu tun. Vielmehr steht er für eine ausgeklügelte Steuerung bei der Abgasreinigung in die Jahre gekommener Dieselmotoren. Eigentlich, und richtigerweise, geht es hier um schadensminimierende, temperaturabhängige Emissionsregelsysteme. "Thermofenster" klingt da lediglich nicht ganz so sperrig. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon

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Haben alle Motoren ein Thermofenster?

Nein, die Thermofenster, die bei der aktuellen Debatte in Zusammenhang mit Dieselabgasen, möglichen Abgasmanipulationen und Schadensersatzklagen derzeit in vieler Munde sind, betreffen nur relativ alte Dieselfahrzeuge, also ein Altlastthema. Es geht vor allem um Motoren mit den ersten wirkungsvollen Regelsystemen – also Diesel mit der Abgasnorm Euro 5. Diese haben eine sogenannte geregelte Abgasrückführung. Gänzlich anders ist das bei aktueller Dieseltechnik ab Euro-6-Norm. Hier gibt es auch bei Kälte dank NOx-Kat, SCR-Technik und motornaher Abgasnachbehandlung mit AdBlue-Einspritzung keine relevanten Stadt-Immissionen mehr.

Technischer Hintergrund

Zurück zum Altlastthema: Bildlich dargestellt funktioniert die Abgasrückführung wie das Löschwasser beim Lagerfeuer: Lodern die Flammen zu hoch, kippt man Wasser ins Feuer. Stößt wiederum der Dieselmotor zu viel NOx aus, wird die Abgasrückführung aktiv. Dazu wird bereits verbranntes Abgas aus dem Auspuff abgezweigt, heruntergekühlt und den Frischgasen, die in den Brennraum strömen, beigemischt. Bereits verbannte Luft ist sauerstofffrei und kann nicht noch einmal verbrennen. Dadurch "löscht" oder besser kühlt sie den Brennprozess, und der NOx-Ausstoß sinkt um bis zu 70 Prozent.

 

Wie funktionieren Abschalteinrichtungen?

Doch genau wie mit dem Löschwasser am Lagerfeuer kommt es auf die Dosierung an. Schüttet man zu viel Wasser in die Glut, geht das Feuer aus – gelangt zu viel verbrannte Luft in den Brennraum, "erstickt" der Diesel und geht ebenfalls aus. Das ist unangenehm und kann beim Überholvorgang sogar gefährlich werden. Deshalb muss eine ausgeklügelte und sensorüberwachte Regeltechnik die zuverlässige Arbeit des Systems steuern und es im Zweifel abschalten.

 

Wozu benötigt man nun ein Thermofenster?

Für die richtige Abgasrückführrate ist – zumindest bei dem damaligen Technologiestand – auch die korrekte Prozesstemperatur unbedingt einzuhalten. Denn bei zu tiefen Temperaturen entstehen sogenannte Belagbildungsprozesse sowie Kondenswasser im Ansaugsystem, die zusammen eklatante technische Schäden verursachen. Andererseits besteht die Gefahr der Überladung des Partikelfilters mit Ruß – was im schlimmsten Fall sogar zum Brand führen kann. Nur innerhalb des definierten Thermofensters kann der Hersteller den optimalen und sicheren Motorlauf garantieren. Damit hat das Thermofenster ganz klar seine Daseinsberechtigung.

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Spielraum für Abgastrickserei?

Leider ja, denn nur innerhalb des Thermofensters läuft der Motor mit der kleinstmöglichen NOx-Emission. Der Temperaturbereich für die vorgeschriebenen Labor-Abgasmessungen ist da natürlich mit abgedeckt – ein Schalk, wer Böses dabei denkt. Doch je schmaler das Thermofenster vom Hersteller gewählt ist, desto häufiger stößt das Fahrzeug im Alltagsbetrieb mehr NOx aus als auf dem Prüfstand – und im schlimmsten Fall auch mehr als erlaubt. Während für die meisten Motorenbaureihen der unterschiedlichsten Hersteller praxisorientierte Bereiche für Außenluft- und Kühlwassertemperatur (als Thermofenster) im Motormanagement hinterlegt sind, gibt es auch "sportliche" Interpretationen, die zu Recht angeprangert werden müssen. Korrekt und praktisch machbar sind bei modernen Dieseln Thermofenster, die einen Bereich zwischen +33 und -7 Grad Celsius Außentemperatur und noch kälter zulassen (etwa BMW). Die Software-Updates bei Euro 5-Dieseln von VW ermöglichen dagegen nur in Bereichen von rund 10 bis 30 Grad Celsius geringstmögliche NOx-Emissionen.

 

Sind Thermofenster illegal?

Nein, natürlich nicht, denn auch aus Sicht des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) dienen Thermofenster typischerweise der Vermeidung von plötzlichen und außergewöhnlichen Motorschäden und sind regulatorisch zulässig. Durch das Verhindern eines abrupten "Absterbens" des Motors beim Beschleunigen erhöhen sie sogar die Sicherheit bei Überholvorgängen. Und: Die Software-Updates für VW-Motoren, die verpflichtend aufgespielt werden mussten und vom KBA genehmigt wurden, enthalten ebenfalls Thermofenster.

 

Thermofenster und Justiz

Seit geraumer Zeit überzieht ein Lobby-Verband – die privatrechtliche Organisation Deutsche Umwelthilfe – Gerichte mit einer Klagewelle zum Thema Diesel-Mobilität. Während der Bundesgerichtshof (BGH) es bisher so sah, dass ein Thermofenster für sich genommen nicht ausreicht, um einem Hersteller Fehlverhalten anzulasten und damit Grund für einen Schadensanspruch gegeben ist, befand kürzlich das EuGH in Luxemburg – in einem Fall bei einer Klage gegen Mercedes –, dass ein Thermofenster grundsätzlich eine unzulässige Abschalteinrichtung sei. Wie mit dem Urteil aus Luxemburg in Deutschland umzugehen ist, entscheidet der BGH noch in diesem Frühjahr. Bisher hat der BGH für den Hersteller Mercedes geurteilt, dass ein Thermofenster für sich genommen nicht ausreicht, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen.

 

Verbraucherrecht oder Abzock-Masche gieriger Anwälte?

Wer nach dem Stichwort "Thermofenster" googelt, wird mit Angeboten von unzähligen Anwaltskanzleien überhäuft. Diese sprechen von einem sensationell verbraucherfreundlichen Urteil und stellen schnelles Geld durch Schadensersatz in Aussicht. Doch vielen so angelockten Klient:innen war der vermeintliche "Schaden" bis dato noch nicht einmal bekannt. Und welcher Schaden besteht hier überhaupt? Aber offenbar sehen hier findige Kanzleien nette Honorar-Einkünfte.

 

Welche Rechte haben Dieselfahrer?

Nach Ansicht der ADAC-Jurist:innen bedeutet das jüngste EuGH-Urteil nicht, dass die Kundschaft den Kauf eines Fahrzeugs mit Thermofenster automatisch rückabwickeln oder Schadensanspruch fordern kann. Vorausgesetzt, die deutschen Gerichte übernehmen die Ansicht des EuGH, müsste jeweils im Einzelfall festgestellt werden, dass unzulässige Abgas-Regeltechnik eingebaut wurde. Zusätzlich muss durch Klagende/Autobesitzende ein Nachweis eines Verschuldens durch den Hersteller erbracht werden. Ein steiniger Weg mit zweifelhaftem Ausgang.

 

Aktuelles EuGH-Urteil: Schadenersatz für Dieselfahrer

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass Käufer:innen eines Dieselautos mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung Schadensersatz vom Hersteller verlangen können. Ein Schadensersatzanspruch gegen den Hersteller bestehe nicht erst bei vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung, sondern schon bei einfacher Fahrlässigkeit (Urteil vom 21.3.2023, Az.: C-100/21). Das Urteil bedeutet nach Ansicht der ADAC-Jurist:innen nicht, dass die Kundschaft den Kauf eines Fahrzeugs mit Thermofenster automatisch rückabwickeln oder Schadenersatz fordern kann. Hierfür muss jedes Fahrzeug im Einzelfall auf ein unzulässiges Thermofenster untersucht werden. Außerdem muss man dem Hersteller weiterhin ein Verschulden nachweisen.

 

Wer noch Ansprüche stellen kann

Ansprüche gegen den Hersteller bzw. den Händler kann man nur innerhalb der Verjährungsfrist stellen. Ist diese abgelaufen, können betroffene Dieselbesitzer:innen keine Entschädigung mehr geltend machen. Konkret heißt das:

Gegenüber Autohändlern: Bei Neuwagen gilt eine Sachmängelhaftungsfrist von zwei Jahren ab der Übergabe des Autos.  Bei Gebrauchten beträgt diese Frist nur ein Jahr.

Gegenüber dem Hersteller: Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre. Sie beginnt, sobald Geschädigte Kenntnis darüber haben, dass ihr Auto vom Abgasskandal betroffen ist. Die Verjährung muss für jedes Modell bzw. jede Bauart geprüft werden. Wichtig für die VW-Kundschaft: Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Ansprüche für Autos von VW, Audi, Seat und Skoda mit dem Motortyp EA189 bereits verjährt sind (Urteil vom 17.12.2020, Az.: VI ZR 739/20). Damit können Betroffene keine Ansprüche mehr geltend machen, wenn sie nicht rechtzeitig geklagt haben.

 

Der feine Unterschied: Dieselskandal und Thermofenster

Die Ursache für den Betrugsskandal bei bestimmten Dieselmotoren, etwa des VW-Konzerns, war die per Software im Motormanagement integrierte Prüfstandserkennung mit Umschaltlogik. Dadurch wurde mehr schädliches Abgas in der Realität als unter Prüfstands-Bedingungen emittiert. Das war zu keiner Zeit erlaubt und damit rechtswidrig. Mit dem Thermofenster hat das jedoch nichts zu tun. Thermofenster werden aufgrund chemisch-physikalischer Prozesse aktiv, sie sind also (bei diesem Technologiestand) eine objektive Notwendigkeit. Sie stehen nicht im grundsätzlichen Widerspruch zur rechtlichen Logik.

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