Opel Astra GSe: Test
Selbstbewusster GSe-Erstaufschlag
Mit dem Opel Astra GSe will der Rüsselsheimer Autobauer endgültig die Biederkeit des Vorgängers vergessen machen: Ob der sportliche Plug-in-Hybrid im Test Taten folgen lassen kann?
Positiv | Kräftiger Antrieb, ausgewogenes Fahrwerk, bequeme Sitze |
Negativ | Durstiger Benziner, knapper Fond, recht hoher Einstiegspreis |
Bis zum Opel Astra GSe – hier im Test – waren die vergangenen Jahre beim Rüsselsheimer Autobauer von Pragmatismus und Nüchternheit geprägt. Wirklich aufregende Autos baute man seit dem Corsa OPC nicht mehr. Doch es hat sich viel getan in und um Rüsselsheim: Die Verzahnung mit den anderen Stellantis-Marken scheint abgeschlossen, eine neue Designlinie ist gefunden. Höchste Zeit also, neue Pulsbeschleuniger auf die Straße loszulassen. Das Rezept: bewährte Konzerntechnik verfeinern, mit eigenen Komponenten versehen und dann mit dem Label "GSe" auszeichnen. Zum GSe-Erstaufschlag im Test rollt der fünftürige Astra vor. Einzige Antriebsoption ist ein 165 kW (225 PS) starker Plug-in-Hybrid samt serienmäßiger Achtstufen-Automatik. Der selbstbewusste Grundpreis von 45.510 Euro wird von einer umfangreichen Serienausstattung relativiert. Neben dem obligatorischen GSe-Zierrat, der erfreulich dezent ausfällt, sind serienmäßig auch LED-Scheinwerfer, ein Navigationssystem, sämtliche Assistenzsysteme, eine 360-Grad-Kamera und GSe-exklusive Sportsitze mit Alcantara-Bezug an Bord.
Die Sitze sind gut dimensioniert, sehr bequem und verkneifen sich übertrieben sportliche Härte – ideal etwa auf Langstreckenetappen. Das täuscht allerdings nicht darüber hinweg, dass der Innenraum des Astra eher knapp geschnitten ist. Besonders im Fond kommt das Dach den Köpfen recht nah. Immerhin sitzt man auch hier auf ausgesprochen bequemen Polstern. Das Kofferraumvolumen wird vom 12,4 kWh großen Akku angeknabbert, der darunter sitzt – 352 bis 1268 Liter sind hier allerdings immer noch gute Werte. Der beste Platz soll im Opel Astra GSe aber natürlich der vorne links sein. Das unterstreichen das geneigte Bildschirm-Ensemble und das gut dimensionierte, unten leicht abgeflachte Lenkrad. Die Qualität der Oberflächen geht in Ordnung, alles fühlt sich angenehm und wertig an. Ärgerlich ist allerdings der großflächige Einsatz von Klavierlack rund um die Ablagen auf der Mittelkonsole, wo er regelrecht um Fingerabdrücke und Kratzer bettelt. Schnell nicht mehr missen möchte man dagegen das Head-up-Display, das die wichtigsten Infos und auch den Bordcomputer direkt ins Blickfeld projiziert. Der Einsatz physischer Knöpfe macht die Bedienung vieler Funktionen einfach – und doch noch nicht perfekt. Wer etwa erwartet, über das Lenkrad die digitalen Instrumente steuern zu können, wird verwirrt die Bedienungsanleitung bemühen. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
Leslie & Cars fährt den Opel Astra Sportstourer (2022) im Video:
Der Opel Astra GSe im Test
Hat man sich mit den Eigenheiten arrangiert, geht die Bedienung im Test weitestgehend leicht von der Hand. Anders als die damaligen OPC-Ableger steht GSe für sportliche, aber keineswegs kompromisslose Fahrzeuge. Das zeigt schon der Blick ins Datenblatt des Plug-in-Hybrids, das heutzutage wenig elektrisierende 225 PS (165 kW) Systemleistung angibt. Allradantrieb? Fehlanzeige. Aufwendiges Sportfahrwerk? Nur im Ansatz. Bodykit samt breiterer Spur? Nicht beim Opel Astra GSe. Das Antriebs-Duo gefällt – unabhängig vom Ladezustand der Batterie – mit einer größtenteils harmonischen Abstimmung, etwa dem komfortablen Zuschalten des kultiviert arbeitenden Verbrenners. Der Antritt ist je nach Gasfuß entweder geräuschlos, da rein elektrisch, oder aber energisch, weil mit vollem Leistungsabruf. Ist man allerdings unentschlossen beim Bedienen des Gaspedals, dann ist es das Getriebe das ein oder andere Mal ebenfalls. Abhilfe schafft zwar der Griff zu den Schaltwippen hinter dem Lenkrad, einen durchweg manuellen Modus gibt es aber nicht.
Auch bei den technischen Hilfsmitteln kann man nur begrenzt eingreifen: Das ESP ist immer an und die Traktionskontrolle nur temporär deaktivierbar. Jeder Neustart und auch höhere Geschwindigkeiten rufen beide automatisch auf den Plan. Dem Ingenieursteam von Opel muss man aber zugutehalten, dass die Regelsysteme nie bevormundend eingreifen und so das Temperament des GSe zu früh drosseln. Ein weiteres Lob verdient das Fahrwerk, das mit frequenzselektiven Dämpfern von Koni aufgewertet wurde. Parallel hat Opel das Chassis um einen Zentimeter tiefergelegt. Trotz einfacher Verbundlenkerhinterachse und ohne adaptive Dämpfer schafft der Astra den gelungenen Spagat zwischen sportlicher Straffheit und gutem Restkomfort. Das bedeutet aber auch: Er ist weder ein ausgewiesener Dynamiker, noch eine Sänfte. Besonders gut liegt der GSe bei höheren Geschwindigkeiten auf der Autobahn, was ihn im Verbund mit dem bequemen Gestühl zum Langstrecken-König adelt.
Die Konkurrenten:
Testverbrauch ernüchternd
Doch da wäre ja noch die Sache mit dem Hybrid-Antrieb, der ursprünglich zum Spritsparen entwickelt wurde. Zunächst wirkt der Testverbrauch von 6,7 Litern und 5,7 kWh auf 100 Kilometern ernüchternd. Zur Wahrheit gehört aber auch die doppelte Testrunde mit jeweils vollem und leerem Akku. Ist der Akku voll, stromerte der Opel Astra GSe im Test 36 Kilometer weit, ohne auch nur einen Tropfen Benzin anzurühren. Das könnte ihn bereits für Pendler:innen attraktiv machen, die ohnehin nicht weiter fahren. Auf der kompletten Runde liegt der Benzinverbrauch dann bei 5,1 Litern – trotz Volllastanteil. Ist der Akku allerdings von Beginn an leer und der 180 PS starke Benziner mit dem Großteil des Vortriebs beschäftigt, ergibt das wenig berauschende 8,2 Liter. Es lohnt also, sich mit dem Thema Laden zu beschäftigen.
Schnellladen ist wie bei so vielen PHEV kein Thema, Wechselstrom zieht der Astra mit maximal 3,7 kW. Optional kann man auch einen 7,4-kW-Onboard-Lader (Mode-3-Kabel nicht vergessen!) ordern, der die Ladezeit zumindest auf dem Papier halbiert. Doch auch dann steht der Astra annähernd zwei Stunden an der Wallbox. Die Unterbringung des Kabels raubt zudem weiteren Platz im Kofferraum, denn es gibt weder einen Frunk noch ein Fach unter dem Ladeboden. Wer mit der elektrischen Energie der Batterie haushalten will oder muss, der aktiviert den e-Save-Modus. Dann bleibt eine vordefinierte Menge an Energie so lange im Akku, bis man sie wieder freigibt. Typisches Anwendungsszenario: auf der Autobahnetappe elektrische Energie sparen, um sie dann im Stadtverkehr zum rein elektrischen Vorankommen zu nutzen.
Connectivity-Check
Hinter dem Lenkrad befindet sich beim Opel Astra GSe serienmäßig ein Ensemble aus zwei zehn Zoll großen Displays. Die digitalen Instrumente werden zwar gut auflösend dargestellt, sind aber nur wenig konfigurierbar. Eine empfehlenswerte Ergänzung ist das Head-up-Display für 800 Euro. Der Touchscreen ist leicht zugewandt, was die Bedienung vereinfacht. Das ist gut, weil sich die Menüführung im Test als vertrackt erweist. Eine personalisierbare Schnellwahltaste für bis zu sechs Funktionen schafft Abhilfe. Das serienmäßige Navi bekommt Karten-Updates over the air. Alternativ versteht sich der Astra kabellos via Apple CarPlay und Android Auto mit Smartphones. Ein Hi-Fi-System mit acht Lautsprechern gibt es für 400 Euro Aufpreis.
Technische Daten des Opel Astra GSe
AUTO ZEITUNG 09/2023 | Opel Astra GSe |
Technik | |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | 4-Zyl., 4-Vent., Turbo |
Hubraum | 1598 cm³ |
Gesamtleistung | 165 kW/225 PS |
Leistung Verbrenner/E-Motor | 180 PS (133 kW)/81 kW (110 PS) |
Max. Gesamtdrehmoment | 360 Nm |
Batterie | Lithium-Ionen |
Kapazität | 12,4 kWh (9,9 kWh netto) |
Getriebe/Antrieb | 8-Stufen-Autom/Vorderradantr. |
Messwerte | |
Leergewicht (Werk) | 1660 kg |
Beschleunigung 0-100 km/h (Test) | 7,0 s |
Höchstgeschwindigkeit (Werk) | 235 km/h |
Bremsweg aus 100 km/h kalt/warm (Test) | 36,4/36,5 m |
Verbrauch auf 100 km (Test/WLTP) | 6,7 l S + 5,7 kWh/1,1 l S + 18,4 kWh |
CO2-Ausstoß (Test/WLTP) | 25 g/km |
Reichweite (Test/ WLTP) | 36 km/64 km |
Preise | |
Grundpreis | 45.510 € |
Es ist gar nicht so einfach, den neuen Opel Astra GSe zu bewerten. OPC-Fans könnten enttäuscht sein, Menschen auf der Suche nach maximaler Effizienz ebenso. Und doch sammelt der Plug-in-Hybrid viele Sympathiepunkte, weil er in diversen Punkten einen gesunden Kompromiss darstellt. Als Erstaufschlag für das neue Sport-Label GSe macht er auf jeden Fall Lust auf das, was in diesem Rahmen noch kommen könnte.