Plug-in-Hybrid: Erfahrungen im Alltagstest
So den Plug-in-Hybrid richtig nutzen
Plug-in-Hybride sind steuerlich günstig, werden von der staatlichen Förderung berücksichtigt, gelten aber gelegentlich als Mogelpackungen. Ihr Potenzial steckt allerdings nicht in plakativen Hocheffizienzleistungen, sondern im klugen Einsatz. Der Alltagstest mit dem Mercedes E 300 de und dem Audi Q5 55 TFSI e quattro gibt Erfahrungswerte.
Ein altbekanntes Fazit wird beim Alltagstest der beiden Plug-in-Hybrid-Modelle Audi Q5 55 TFSI e quattro und Mercedes E 300 de gleich zu Beginn fällig: Es kommt auf die Person am Steuer sowie deren Erfahrungswerte an. Wer vorausschauend unterwegs ist, Zurückhaltung mit dem Gasfuß übt und die PHEV-Technik seines Autos mit Köpfchen nutzt, kann mit modernen Plug-in-Hybriden sehr gute Effizienz-Potenziale erreichen. Aber wie sieht es aus, wenn man es mal eilig oder am Abend zuvor das Ladekabel nicht eingesteckt hat? Dann dürfte doch der alte Elon Musk-Spruch gelten, nach dem Plug-in-Hybrid-Modelle lediglich die Nachteile von Elektroautos mit denen eines Verbrenners verbinden. Schließlich schleppt der gute alte Otto oder Diesel im Plug-in-Hybrid lediglich das Zusatzgewicht des modernen Elektro-Antrieb-Feigenblatts durch die Gegend, unken Kritikende und bemängeln, dass es für die Plug-in-Hybrid-Technik überhaupt steuerliche Vergünstigungen und Förderungen abzuholen gibt. Mehr zum Thema: Unsere Produkttipps auf Amazon
Das Mercedes E-Klasse Facelift (2020) im Video:
Steuerliche Vorteile für Plug-in-Hybride: Rechenbeispiel
Dass Plug-in-Hybrid-Modelle über den gemittelten CO2-Ausstoß mit Kfz-steuerrelevanten CO2-Fabelwerten glänzen können, führt zum Beispiel im Falle des für den Alltagstests genutzten Mercedes E 300 de zu einer Kfz-Steuer von lediglich 190 Euro, ein vergleichbarer Mercedes E 300 d 4Matic kostet bereits 311 Euro. Und das, so die Kritik, wo der Plug-in-Hybrid-Diesel mit leerer Batterie den CO2-reduzierenden Beitrag seiner Elektro-Antriebskomponenten doch irgendwie überhaupt nicht ausspielt – total unfair. Wirklich dramatisch – und hochinteressant für Dienstwagenfahrende – wird es allerdings beim Thema "Geldwerter Vorteil". Bleiben wir beim Vergleichs-Duo aus E 300 de und E 300 d 4Matic, das zwar nicht endgültig vergleichbar ist, aber die steuerlichen Vorteile des Plug-in-Hybrids trotzdem sehr plakativ macht. Der bei privater Nutzung jeden Monat zu versteuernde geldwerte Vorteil des Mercedes E 300 de liegt bei 315 Euro – das ist ein halbes Prozent des Bruttolistenpreises. Für den E 300 d 4Matic müssen Dienstwagenfahrende jeden Monat ein Prozent, also mindestens 648 Euro, zum persönlichen Steuersatz versteuern. Macht bei einem Steuersatz von 40 Prozent ein sattes Plus von 1600 Euro pro Jahr für den Fiskus. Mit 299 PS und in einfacherer Ausstattung, jedoch mit gleicher Antriebstechnik startet der Audi Q5 als Plug-in-Hybrid bereits bei 56.500 Euro. Für unseren Audi Q5 Sportback 55 TFSI e quattro greift die Umweltprämie für PHEV-Fahrzeuge mit einem Nettopreis von 40.000 bis 65.000 Euro. Also ziehen wir 5981 vom Listenpreis ab und landen bei 59.069 Euro. Sollte der Audi als Dienstwagen genutzt werden, ist er ebenfalls mit nur 0,5 Prozent seines Preises zu versteuern.
Der Audi Q5 55 TFSI e quattro im Plug-in-Hybrid Alltagstest
Als erstes PHEV-Versuchsobjekt dient uns der Audi Q5 55 TFSI e quattro mit 367 PS Systemleistung, der im Test in nur 5,0 Sekunden auf Tempo 100 sprintet, maximal 239 und im reinen Elektro-Betrieb immerhin 135 km/h erreicht. Der – nur in der sportlichen S line-Ausstattung lieferbare – Q5 55 TFSI e steht ab 62.900 Euro in der Preisliste, in der hier gezeigten Sportback-Variante mit flacherem Heck sind es 65.050 Euro (Stand: Januar 2022). Für ihn geht es auf unsere Standard-Verbrauchsrunde mit einem ausgewogenen Profil aus Stadt-, Überland- und Autobahn-Strecken. Und das – wie bei jedem Plug-in-Hybrid – gleich zweimal: zunächst mit voll geladenem 14,4-kWh-Akku (netto), dann noch mal mit leerem Akku. Mit leerer Batterie liegt der Verbrauch des Audi Q5 bei 8,8 Liter Super, mit geladener Batterie bei 5,2 Liter plus 14,4 kWh Strom. Der aus beiden Fahrten in unserem Alltagstest gemittelte Verbrauch beläuft sich somit auf 7,0 Liter auf 100 Kilometer plus 7,2 kWh an Strom. Bei einem Preis von 1,65 Euro pro Liter und Stromkosten von 0,32 Euro pro kWh verschlingt ein Kilometer mit dem Audi Q5 55 TFSI e quattro 13,9 Cent an reinen Energiekosten. Klingt an sich gut, zieht man jedoch zum Beispiel einen Audi Q5 50 TDI quattro (V6-Diesel, 286 PS, ab 58.450 Euro) vergleichend heran, so kommt man bei einem Testverbrauch von 8,3 Liter auf 100 Kilometer auf Spritkosten von nur 12,5 Cent pro Kilometer. Mehr zum Thema: Die Kfz-Steuer bei Plug-in-Hybriden
Erfahrungen: Benziner-Plug-in-Hybrid richtig im Alltag nutzen
Mit dem Plug-in-Hybrid Benziner liegt man im Alltag folglich nur im Vorteil, wenn der rein elektrische Anteil der Fahrstrecke möglichst weit ausgedehnt wird. Denn mit leerem Akku schnellen Spritverbrauch und damit die Kraftstoffkosten pro Kilometer in die Höhe: auf 8,8 Liter beziehungsweise 14,5 Cent. Doch der elektrischen Reichweite sind bei einem PHEV wie dem Audi Q5 55 TFSI e quattro mit einem Energievorrat von 14,4 kWh Grenzen gesetzt. Je nach Fahrweise und Witterungsbedingungen sind meist um die 40, höchstens jedoch gut 50 Kilometer rein elektrische Fahrt ohne Ladestopp möglich. Das heißt: Je länger die Gesamtfahrstrecke, desto geringer ist der Elektroanteil und umso mehr teurer Kraftstoff wird pro 100 Kilometer verbraucht. Das ist ein entscheidender Nachteil, etwa gegenüber einem Diesel. Und auch das Nachladen des Akkus unterwegs ist keine Option. Denn wie die meisten PHEV-Fahrzeuge erlaubt auch der Onboard-Lader des Audi Q5 nur ein Nachladen mit Wechselstrom – mit einer maximalen Ladeleistung von 7,4 kW. Damit nimmt eine Vollladung – also der Gewinn an 40 bis 50 Kilometern Reichweite – über zwei Stunden in Anspruch. Da ist man auf Langstrecken mit einem modernen Hochvolt-Elektro-Auto, das in 20 Minuten 100 Kilometer oder mehr an Reichweite nachtanken kann, besser bedient. Richtig günstig und CO2-arm fällt jedoch die Bilanz für den Plug-in-Hybrid auf der täglichen Pendlerstrecke aus, die in unserem Alltagstest 36 Kilometer über Landstraße mit 180 Meter Höhenunterschied, durch die Innenstadt und über ein kurzes Autobahnstück führt. Diese Strecke lässt sich rein elektrisch und durchaus flott – am besten im Drive Select Efficiency Modus – bewältigen, wobei nur 7,8 Cent pro Kilometer an Energie-Kosten anfallen. Sobald man jedoch den rein elektrischen EV-Betrieb verlässt und zum Beispiel in den Auto-Hybrid-Modus wechselt oder die Battery-Hold-Funktion aktiviert, um den Ladezustand der Batterie etwa für eine spätere emissionsfreie Fahrt zu konservieren, gehen Verbrauch und Kosten pro Kilometer in die Höhe (siehe Grafik oben). Besonders krass ist der Zuwachs, wenn die Batterie durch den Verbrenner nachgeladen wird (Battery-Charge-Funktion). Dennoch beeindruckt der Audi selbst bei leerer Batterie mit seiner Effizienztechnik, die auch den Streckenverlauf mit einbezieht und vorausschauend die Rekuperation regelt, Fahrende durch einen Ruck im Gaspedal darauf hinweist, vom Gas zu gehen oder in den entkoppelten Segelmodus wechselt. Auf diese Weise gelingt es dem Q5 sogar, bei zuvor ungeladenem Akku ein paar Kilometer an elektrischer Reichweite aufzubauen. Sehr schön beobachten kann man diesen E-Reichweitenzuwachs quasi aus dem Nichts auf der Navikarte als blauen Radius. Solche Glücksmomente hat man nur in einem Plug-in-Hybrid.
Der Mercedes E 300 de im Plug-in-Hybrid Alltagstest
Dass die umstrittene Plug-in-Hybrid-Technik trotz aller Kritik zu Unrecht als Mogelpackung beschimpft wird, soll ein weiterer Alltagstest zeigen. Und wieder darf der Mercedes E 300 de als Kandidat dienen: Zwar kann er noch nicht mit einem großen, schnellladefähigen Akku und der beeindruckenden elektrischen Reichweite der letzten Generation an Plug-in-Hybriden glänzen, er zeigt sich aber trotzdem im Alltag von seiner besten Seite. Nach fünf Stunden an der Garagen-Haushaltssteckdose ist sein 7,4 KW fassender Akku vollgeladen, an einer Wallbox oder öffentlichen Ladestation dauert der Vorgang anderthalb Stunden. In den kalten Monaten spricht übrigens nicht nur eiserner Sparwille fürs Verkabeln des Hybrids in Carport oder Garage: Per aktivierter Standheizung elektrisch vorgeheizt, rollt man ganz ohne Kältekrampf in den Tag. Dabei hat der Verbrennungsmotor des E 300 de erst einmal Pause: Elektroleise und abgasfrei geht es im Electric-Modus durchs Wohngebiet – das freut die Nachbarschaft. Und weil die 122 PS starke E-Maschine mit 440 Newtonmeter Drehmoment mit deftigem Bums und höchster Spontanität agiert, auch uns. Spurtstark, superleise und bis zu 130 km/h schnell ist der Mercedes E 300 de im Electric-Modus ein überzeugendes E-Auto. Der sanft knurrende Diesel-Vierzylinder bleibt im Electric-Modus übrigens konsequent aus, man muss das rechte Pedal schon mutwillig in den Kick-down drücken, um ein Anspringen des Verbrenners zu provozieren. Wenn sich dann der SoC (State of Charge/Ladestatus) seinem Ende zuneigt, dürften viele Pendelnde bereits wieder den Heimweg geschafft haben. Im Test-Zyklus der AUTO ZEITUNG reichte die kleine Batterie des E 300 de zwar nur für eine rein elektrische Reichweite von 38 Kilometer – viele fahren aber erfahrungsgemäß überhaupt nicht so viel. Und selbst wenn das Batteriesymbol im Cockpit "0 %" zeigt, stimmt das nicht: Einen Kapazitätsrest hält die Regelelektronik nämlich immer vor. Der Rest an Energie in der Batterie macht sich nun bemerkbar, der E 300 de wird wie nahezu alle Plug-in-Hybrid-Modelle mit "leerer" Batterie zum Mild-Hybrid-Fahrzeug: Elektrisches Rangieren ist ebenso immer noch möglich wie elektrisches Stop-and-go-Rollen. Hauptsächlich schiebt die Elektro-Maschine aber beim Beschleunigen verbrauchsreduzierend mit und wird beim Bremsen oder Bergabrollen zum Generator: Das Plug-in-Hybrid-Auto rekuperiert dynamische Energie zurück in die Batterie. Auf langen Bergabkilometern über Mittelgebirgshausstrecken finden sich so sogar wieder ein paar Prozent Batterie-SoC oder elektrische Extra-Kilometer. Die auf den Geschmack gekommene Plug-in-Hybrid-Fahrer:innen ernten diese wie Trüffel. Andere halten Aktienkurse im Blick und technisch bewusste E 300 de-Fahrende die Energiefluss-Diagramme und Verbrauchsanzeigen ihrer elektrifizierten E-Klasse. Fahrfreude kann viele Aspekte haben. Mehr zum Thema: Steuervorteil für Elektroautos & Plug-in-Hybride
Erfahrungen: Diesel-Plug-in-Hybrid richtig im Alltag nutzen
Natürlich sollten sich Plug-in-Hybrid-Fahrende auch mit den intelligenten Hybrid-Funktionen ihres Autos vertraut machen. Wer im Alltag mit aktiver Zielführung navigiert, versorgt zum Beispiel den Mercedes E 300 de mit Topografie- oder Verkehrsdaten entlang der Route. Das Hybrid-System schlägt dann nicht nur eine möglichst effiziente Strecke vor, sondern nutzt clever den gespeicherten Strom: Durch besonders kräftiges Bergaufschieben etwa, wenn das System weiß, dass es dahinter lange bergab geht und der Akku dort wieder volllaufen wird. Ziemlich praktisch. Die Erfahrung zeigt also, besser mit "Navi An" und – wie unsere Pendel-Simulation in der Galerie zeigt – im Eco-Modus fahren. Dann sind auch bei leerer Batterie die Funktionen des Plug-in-Hybrids alle voll aktiv, das Auto bremst/rekuperiert zum Beispiel im Takt mit vorausfahrendem Verkehr und sorgt neben noch mehr Effizienz sogar für eine Prise Entlastungskomfort. Und wie ist es beim Alltagstest auf der Autobahn? Auch hier machen sich die Spareffekte elektrischen Mitschiebens und Rekuperierens – wenn auch nur gering – bemerkbar, und der Mercedes E 300 de hat mit seinem souveränen Diesel im meist gleichförmigen BAB-Betrieb sowieso kein echtes Problem mit den Zusatz-Pfunden der Plug-in-Hybrid-Technik: Rund 350 Kilometer haben wir im E 300 de autobahnbolzend zwischen Köln und Stuttgart im Geschwindigkeitsbereich von 120 bis gelegentlich auch über 200 km/h zurückgelegt – das Ergebnis war ein Durchschnittsverbrauch von 7,8 Liter auf 100 Kilometer. Mercedes hat also gute Gründe für den Plug-in-Hybrid-Diesel.
Glas halb voll oder halb leer? Sind Plug-in-Hybride schwache Kompromisse oder eine starke Balance aus Elektroauto und Verbrenner? Wenn man sie im Alltag richtig nutzt, auf jeden Fall zweiteres. Regelmäßiges Laden sollte zum Alltagsritual gehören, eine Lektüre der Bedienungsanleitung muss ebenfalls sein: Wer versteht und nutzt, was das Auto kann, spart erst richtig. Und hat auch Spaß.