Mercedes EQE/Genesis Electrified G80: Test
Elektrischer G80 greift den EQE an
- Genesis Electrified G80 & Mercedes EQE 350+ im Vergleichstest
- Karosserie: Mercedes EQE deutlich geräumiger
- Fahrkomfort: Angenehme Komfortsitze im Electrified G80
- Fahrdynamik: Mercedes EQE fährt sicher und agil
- Umwelt/Kosten: Kürzere Garantien beim Genesis
- Messwerte & technische Daten von Genesis Electrified G80 & Mercedes EQE 350+
- Ergebnis in Punkten
- Fazit
Die neuen Limousinen Genesis Electrified G80 und Mercedes EQE 350+ beweisen im Vergleichstest, dass man nicht bis 2035 warten sollte, um auf emissionslose Autos umzusteigen.
Ein Vergleichstest mit Elektroautos wie dem Mercedes EQE und dem Genesis Electrified G80 unterscheidet sich deutlich von den ersten Tests mit Elektrofahrzeugen. Vor ein paar Jahren glichen diese noch einem Himmelfahrtskommando. Die Reichweiten brachen bei Dauerlast auf der Autobahn zusammen. Ladesäulen waren Mangelware. Die rund 330 Kilometer von der Redaktion bis aufs Testgelände ließen meist einen ganzen Arbeitstag verpuffen – eine Fahrt im Schneckentempo, die nicht selten tiefentladen an einer defekten Steckdose endete. Aber die Industrie hat sich gründlich der E-Mobilität gewidmet, nicht ganz freiwillig, aber dennoch mit Erfolg. Der neue Genesis Electrified G80 und der ebenso neue Mercedes EQE 350+ spulen die Strecke heute in einem Rutsch ab – immer so schnell, wie es der Verkehr zulässt, gerne auch mal mit Tempo 200. Knapp drei Stunden für 330 Kilometer ohne Ladestopp waren vor kurzem noch undenkbar. Und die Reichweiten lassen sich mit etwas Zurückhaltung auch noch deutlich strecken. Was die beiden neuen Elektro-Limousinen sonst noch zu bieten haben, klärt der Vergleichstest mit den Oberklasse-Stromern. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
Leslie checkt den Mercedes EQS (2021) im Video:
Genesis Electrified G80 & Mercedes EQE 350+ im Vergleichstest
Bleiben wir bei den Reichweiten und der Effizienz. Genesis spendiert dem elektrischen Electrified G80 jeweils einen Motor an der Vorder- und einen an der Hinterachse. Wird der vordere nicht benötigt, wird er über eine Kupplung vom Antrieb entkoppelt – weniger Reibung, weniger Verbrauch. Und das funktioniert bestens, vor allem, wenn man den Genesis Electrified G80 locker dahinrollen lässt, Tempo 130 nicht überschreitet, vorausschauend fährt oder dem Abstandsregeltempomaten mit intelligenter Rekuperation gleich die Arbeit auf langen Autobahnetappen überlässt. Dann pendelt sich der Verbrauch bei 17,5 kWh auf 100 Kilometer bei 24 Grad Außentemperatur ein. Das bekommt selbst der nahezu schwerelos dahinrollende Mercedes EQE im Vergleichstest nicht hin. Er zieht bei gleichen Bedingungen 18,9 kWh aus dem Akku. Reichweiten von knapp über 470 Kilometer sind aber kein Problem. Dass der G80 auch noch 78 PS und 135 Newtonmeter mehr durch den Antrieb schickt, dass er deutlich spritziger Geschwindigkeit aufbaut und trotz seines Allradantriebs auch noch ein paar Kilo leichter ist als der Mercedes EQE, zeigt, wie gut Genesis die E-Technik in die Struktur der G80-Baureihe integriert hat. Die bessere Effizienz des Koreaners gleicht das Manko seines etwas kleineren Akkus auf langen Strecken aus. Viel entscheidender aber ist, dass er dank 800-Volt-Technologie weniger Zeit an der Ladesäule benötigt als der Schwabe. Im Vergleichstest benötigt der G80 für das Nachladen von 14 auf 80 Prozent Akkukapazität an einer Ionity-Schnellladesäule gerade einmal 21 Minuten – 61,4 kWh strömten dabei in den Akku. Der mit 400-Volt-Technik arbeitende Mercedes EQE 350+ stand 27 Minuten an der Ladesäule, um seinen Akku von 19 auf 80 Prozent zu füllen und zog dabei nur 59,8 kWh aus dem Stromnetz. Dieses Kapitel geht also klar an den Genesis Electrified G80.
Karosserie: Mercedes EQE deutlich geräumiger
So gut die Antriebstechnik des Genesis Electrified G80 auch funktioniert, sie bringt im Layout der Baureihe allerdings auch Nachteile mit sich. Die beiden Motoren, vor allem aber die große Batterie benötigen Platz. Der Kofferraum reduziert sich im Vergleich zu den Verbrennern von 424 auf mickrige 354 Liter. Zudem fehlt es dem Laderaum an Variabilität. Die starre Rückbank lässt sich nicht vorklappen. Im Mercedes EQE ist sie dreiteilig umlegbar. Und sein Kofferraum fasst mit 430 Litern genug für eine kurze Reise zu viert. Vorne fühlt man sich zudem deutlich besser ins Fahrzeug integriert. Die großen Einstellbereiche von Sitz und Lenkrad sorgen für eine optimale Sitzposition. Im Genesis ist der Sitz zu hoch montiert und das Lenkrad verfügt über einen zu kleinen Einstellbereich. Eine langstreckentaugliche Sitzposition findet sich weder für große noch kleine Passagier:innen. Zudem rücken die Sonnenblenden dicht an die Stirn größerer Personen – kleine sitzen sogar darunter. Im Fond bietet der Mercedes EQE 350+ dank seines niedrigeren Fahrzeugbodens nicht nur einen entspannteren Kniewinkel – auch die Kopffreiheit fällt deutlich üppiger aus als in Reihe zwei des Koreaners. Ebenso bleibt bei der Bedienung des Genesis Electrified G80 Raum für Verbesserungen. Schon das fummelige Öffnen der Ladeklappe und der Abdeckung des CCS-Anschlusses passt nicht so recht ins Bild der Premium-Limousine. Das gelingt beim Mercedes alles eine Spur eleganter. Ohnehin ist die Bedienung im EQE dank des brillanten Monitors mit großen Schaltflächen, die sich auch während der Fahrt sicher treffen lassen, durchdachter als die kleinteilige Gliederung der Menüstruktur des G80. Noch überzeugender sind im Mercedes zudem die Unterstützung und die Anzeigen bei der Routenführung sowie die Auswahl der Ladestopps auf langen Reisen. So führte das Navi den Genesis am Kamener Kreuz nicht wie das Mercedes-System den EQE zielsicher zum EnBW-Ladepark mit 34 HPC-Ladern, sondern zu einer einsamen, schwachen Ladesäule in der Nähe. Genug Pluspunkte für den Benz also, um dieses Kapitel des Vergleichstests trotz seiner im Vergleich zum Genesis nicht ganz so feinen Materialauswahl für sich zu entscheiden.
Fahrkomfort: Angenehme Komfortsitze im Electrified G80
Dass Mercedes etwas von Fahrkomfort versteht, ist bekannt. Wie gut die Marke mit dem Stern aber die Abstimmung der optionalen Luftfederung beim Mercedes EQE 350 hinbekommen haben, verdient Respekt. Vor allem die Querfugenempfindlichkeit verschiedener Verbrenner-Modelle der Marke bei niedrigem Tempo ist dem elektrischen Mercedes fremd. Auch das nicht immer angenehme Wogen auf langen Wellen kommt beim Mercedes gar nicht erst auf. Besser kann man ein Fahrwerk kaum abstimmen. Der Genesis Electrified G80 lässt sich vor allem an der Hinterachse von Störimpulsen hier und da aus seinem elegant lässigen Takt bringen. Mehr Tempo und Last auf den Achsen sorgen beim Genesis für mehr Federungskomfort. Bei den Wind- und Abrollgeräuschen ist er im Vergleichstest nicht ganz so zurückhaltend wie der flüsterleise Mercedes EQE. Die bessere Sitzposition sorgt im Zusammenspiel mit den gut anliegenden Sportsitzen für einen sehr guten Langstreckenkomfort. Beim Genesis Electrified G80 entschädigen zumindest die teuren Komfortsitze für die verbesserungswürdige Ergonomie.
Fahrdynamik: Mercedes EQE fährt sicher und agil
Fahrdynamik bedeutet bei Oberklasse-Limousinen in erster Linie Fahrsicherheit. Und da sind beide über fünf Meter langen Limousinen narrensicher unterwegs. Der Mercedes EQE ist dank seiner traumhaft mitteilsamen Allradlenkung und seiner hervorragenden ESP-Abstimmung nicht nur sicher, sondern auch extrem agil unterwegs. Aber auch der Genesis Electrified G80 macht alles richtig. Seiner Lenkung fehlt zwar das letzte Quäntchen an Feedback und sein Bremspedal dürfte weniger aggressiv ansprechen, aber von den über 2,3 Tonnen ist auch bei ihm nichts zu spüren. Er zieht im Vergleichstest stoisch seine Bahn. Erst ausgesprochen sportlich bewegt drückt er, von seinem massiven Drehmoment angeschoben, im Grenzbereich über die Vorderachse stärker nach außen als der wie auf Schienen dahinrauschende Mercedes EQE 350+ – der sein Leistungsmanko also mit spielerischer Dynamik locker ausgleichen kann. Die schnellen Rundenzeiten belegen, dass der tiefe und zentrale Schwerpunkt der E-Limousinen sich im Vergleichstest positiv aufs Handling auswirkt. Die enormen Verzögerungswerte (warm nur 34,2 Meter aus 100 km/h bis zum Stillstand) schaufeln dem Mercedes zudem wichtige Zähler auf sein Punktekonto.
Umwelt/Kosten: Kürzere Garantien beim Genesis
Bei den Kosten liefern sich die beiden elektrischen Oberklasse-Limousinen ein enges Rennen. Der Mercedes EQE 350+ ist bereits im Grundpreis etwas teurer und gönnt sich für den Vergleichstest ein paar teure Extras mehr als der Genesis Electrified G80. Dafür gewährt Mercedes zehn Jahre Garantie auf den Akku. Da kann selbst der fünfjährige Rundumservice von Genesis und die Akku-Garantie von acht Jahren nicht mithalten. Die Unterhaltskosten sind dank der geringen Verbräuche und der nicht anfallenden Kfz-Steuer für E-Fahrzeuge in beiden Fällen ein weiteres Argument für den elektrischen Antrieb.
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Messwerte & technische Daten von Genesis Electrified G80 & Mercedes EQE 350+
Ergebnis in Punkten
Die beiden neuen elektrifizierten Oberklasse-Limousinen machen Werbung für die Zukunft geforderte emissionslose Mobilität. Der Mercedes EQE 350+ gewinnt diesen Vergleichstest souverän und übernimmt in seiner Klasse den Führungsanspruch. Er verbindet besten Langstreckenkomfort mit alltagstauglichen Reichweiten und bereitet auch, neben aller Vernunft, sport- lichen Fahrspaß. Zudem verliert Mercedes bei der Preisgestaltung die Konkurrenz nicht aus den Augen. Der Genesis Electrified G80 ist zweiter Sieger. Er überzeugt mit Effizienz, Leistung und kurzen Ladezeiten. Nicht nur bei der Raumökonomie bleibt aber noch Spielraum für Verbesserungen.