Lexus LS 600h Ambience im 100.000-km-Test Lexus LS 600h Ambience
Nach gut 100.000 Kilometern mit dem japanischen Hybrid-Flaggschiff sind wir vor allem eines: entspannt
Eckdaten | |
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PS-kW | 394 PS (290 kW) |
Antrieb | Allradantrieb, permanent, Stufenlose Automatik |
0-100 km/h | 6.3 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h |
Preis | 116.250,00€ |
Es gibt wohl kaum eine andere Marke, die einen so guten Ruf in Sachen Zuverlässigkeit genießt wie Lexus. Und doch waren einige Kollegen skeptisch, als der riesige, schneeweiße Lexus LS 600h Facelift im Fahrbericht vor ziemlich genau zwei Jahren zum 100.000-Kilometer-Test auf den Parkplatz der AUTO ZEITUNG rollte. Eine solch komplizierte Antriebstechnik mit V8-Benziner, Elektromotor und Allradantrieb war selbst im Jahr 2008 noch sehr exotisch. Die Fragen der Zweifl er blieben nicht aus: Hält die Hybridtechnik durch? Bleibt die Kopplung von Verbrenner und E-Maschine so harmonisch? Baut die Nickel-Metall-Hydrid-Batterie mit der Zeit ab? So viel sei vorweggenommen: Selbst nach mehr als 100.000 Kilometern funktioniert der butterweiche Antrieb des 2,3 Tonnen schweren Voll-Hybriden so perfekt wie am ersten Tag. Und der kurzhubige Fünfliter-V8 schaltet sich noch genauso sanft zu und wieder ab. Weder die Batterie noch die rotierende Mechanik zeigten in den zwei Jahren Dauertest irgendwelche Schwächen. Dabei sind wir gerade bei Autos dieser Preisklasse besonders aufmerksam – schließlich hatte der nahezu komplett ausgestattete Lexus LS 600h bei seiner Zulassung am 7. August 2008 einen Wert von 123.350 Euro. Nur ein Zwischenfall trübte die ansonsten weiße Weste des Japaners. Nach 75.000 Kilometern machten sich die hinteren Stoßdämpfer durch deutliches Poltern bemerkbar. Beide wurden zusammen mit dem Aktuator für die Fahrwerksverstellung auf Garantie gewechselt. Lexus scheint dieser Mangel bereits bekannt.
KLEINIGKEITEN NERVEN
Die ersten Einträge im Fahrtenbuch sprechen für sich. „Der LS 600h verändert den Charakter“, stellte Chefredakteur Volker Koerdt nach den ersten Kilometern fest. „Dynamische Kurvenhatz gewöhnt man sich mit ihm schnell ab, dafür wurde der Lexus nicht gebaut“, schreibt er. „Stattdessen schaltet man das adaptive Dämpfersystem auf Comfort und genießt das Dahingleiten mit einmaligem Geräuschkomfort.“ Übrigens gelingt besagtes Dahingleiten mit sensiblem Gasfuß bis Tempo 50 sogar rein elektrisch und damit absolut emissionsund geräuschlos.
Auch der stellvertretende Chefredakteur Klaus Uckrow zeigte sich beeindruckt: „Sehr guter Reisewagen mit ordentlich Durchzug und sehr komfortablen Sitzen.“ Doch die ersten kritischen Kommentare ließen nicht lange auf sich warten: „Das Fahrwerk ist im Normalmodus für diese Fahrzeugklasse etwas stuckrig, die Lenkung sehr gefühllos“, bemerkte Testredakteur Jürgen Voigt. Das leicht unharmonische Fahrverhalten verbessert sich in der Einstellung Comfort, die zu geringen Lenkkräfte hingegen bleiben. So lässt sich der Lexus zwar spielend leicht rangieren, aber nie sportlich fahren.
Von Anfang an zeigte sich der schlüssellose Zugang als störanfällig. Eigentlich sollte der flache Sender im Kreditkartenformat für den Alltag ausreichen, wir bestellten schnell einen echten Schlüssel mit Druckknöpfen als Sicherheit dazu. Hin und wieder ließ sich der Lexus mit der Karte in der Tasche nämlich nicht öffnen oder verschließen. Außerdem hat nur der Schlüssel eine Fernentriegelung für den Kofferraum.
„Was sollen diese vielen verstreuten Schalter?“ Das fragten sich viele Kollegen im Laufe des Tests. Denn tatsächlich verstecken sich im Innenraum der japanischen Limousine mehr als 150 Schalter, Regler und Knöpfe. Nicht eingerechnet sind das unübersichtliche Touchscreen-Menü (das auch die Einstellungen der Klimaanlage steuert) und die Fernbedienung für das Rear-Seat-Entertainment-System. Das ist zu viel, auch wenn unser Dauertestwagen in der Ambience-Ausstattung mit fast allen erdenklichen Extras bestückt ist. Die Liste liest sich wie ein Lexikon der Fahrzeug-und Elektrotechnik: adaptive Geschwindigkeitsregelung mit Objekterkennung, elektrisch einstell- und beheizbares Lenkrad mit Multifunktionstasten, elektrisches Glasschiebedach, elektrische Sonnenrollos für die hinteren Seitenscheiben und die Heckscheibe, Infrarot-Gesichtsfeldmonitor, Luftfederung mit adaptiver Stoßdämpfung und Niveauregulierung, Notfall-Lenk-Assistent, Pre-Crash-Sicherheits-System, Start-Stopp-Knopf für den Motor, Vier-Zonen-Klimaautomatik, zehnfach einstellbare Sitze samt Klimatisierung vorn und hinten. „Die Einstellungsmöglichkeiten sind unendlich“, fasste es ein Redakteur im Fahrtenbuch treffend zusammen.
Viel Schelte handelte sich das Navigationssystem ein, das sich nach dem Software-Update (bei der ersten Inspektion) dann zumindest auch während der Fahrt einstellen ließ: „Die Bedienung ist eine Frechheit“, meinten die einen, „die Routenführung nervt“, sagten die anderen. Dass das Gerät zudem einige Male abstürzte, setzte dem schlechten Eindruck nur die Krone auf. Offensichtlich haben sich auch andere Lexus-Fahrer darüber geärgert. Seit März 2010 jedenfalls arbeitet im LS statt der antiquierten Version mit DVD ein neues Festplattennavi. Auch beim Radio musste Lexus Hand anlegen. Beim Dauerläufer verweigerte hin und wieder der Lautstärke-Regler die Funktion, und der Radioempfang wurde im Fahrtenbuch nicht selten als „unzumutbar“ beschrieben. Dafür passt der Sound – und zwar richtig. Was die 19 Lautsprecher des 7.1-Audiosystems von Mark Levinson in den Innenraum zaubern, gleicht dem Erlebnis in einem hochmodernen Kinosaal. Dabei stößt die Anlage nie an ihre Grenzen, liefert immer ultratiefen Bass sowie glasklar aufgelöste Mitten und Höhen. Hinzu kommt das Entertainment-System für die hinteren Passagiere, die per Fernbedienung und 9-Zoll-Bildschirm im Dachhimmel die Gewalt über das Unterhaltungsprogramm übernehmen können. Das Ganze gelingt dank der üppigen Kniefreiheit sogar mit ausgestreckten Beinen.
Zu viel Gepäck dürfen die vier Mitfahrer nicht dabei haben. 330 Liter Volumen im Kofferraum wurden zu Recht häufig als viel zu klein kritisiert: „Das bietet schon ein BMW 1er.“ Mehr als 500 Liter sind Klassenmaßstab. Mit der Modellüberarbeitung Anfang des Jahres hat Lexus zumindest die Kühlung der Batterie im Kofferraum verkleinert und das Reserverad durch ein Tyre-Fit ersetzt. So wächst das Volumen immerhin auf 420 Liter.
ZWIESPÄLTIGE ÖKONOMIE
Der Verbrauch ist ein Kapitel für sich. In der Stadt macht dem Hybridantrieb niemand etwas vor. Im Vergleich gegen den viel gelobten Mercedes S 400 Hybrid (Heft 8/2010) begnügte sich der allradgetriebene Lexus LS 600h Facelift im Fahrbericht mit gut einem Liter weniger. Weil der Japaner rein elektrisch fahren kann, reichten ihm bei zäher Stop-and-go-Fahrt 9,3 Liter, bei Konstantfahrt (Tempo 90) sogar nur 7,3 Liter. Wer es versteht, mit der Hybridtechnik zu arbeiten und sich vom gediegenen Charakter des LS beruhigen lässt, kommt auf Dauer mit für diese Gewichtsklasse sehr guten Verbrauchswerten vorwärts.
Doch auf schnellen und langen Etappen mutiert die komplexe Hybridtechnik des Lexus LS samt Allradantrieb zu schwerem Ballast. Redakteur Dieter Serowy musste sich auf einer ausgedehnten Autobahnstrecke mit mehr als 20 Liter Durchschnittsverbrauch abfinden: „Der Durst bei schneller Fahrt ist unzeitgemäß“, schrieb er ins Lastenheft. Dafür schiebt der Lexus mit seiner 225-PS-E-Maschine und dem 394 PS starken Verbrenner aber auch brachial an. Und der große 84-Liter-Tank sorgt für akzeptable Reichweiten.
Im Durchschnitt fuhren wir über die zwei Jahre mit knapp 14 Liter Super Benzin pro 100 Kilometer. Wegen der hohen Laufleistung ist es offensichtlich, dass das Auto hauptsächlich auf der Autobahn bewegt wurde. Doch ähnlich stark motorisierte Konkurrenten mit Benzinmotor sind da sicher nicht sparsamer. Wer sich jetzt einen starken Dieselantrieb wünscht, hat den Charakter des Lexus LS nicht ganz verstanden. Denn die Schleichfahrten in diesem Auto beruhigen. Wir jedenfalls würden es noch weitere 100.000 Kilometer aushalten. Ganz entspannt.
DAS SAGT LEXUS
... ZU DEN STOSSDÄMPFERN:
Beim adaptiven Fahrwerk eines bestimmten Produktionszeitraums treten ab und zu Undichtigkeiten im Dämpfer auf. Im Rahmen der Inspektion werden die gegebenfalls ausgetauscht. Im August 2009 erfolgte produktionsseitig eine Änderung.
... ZUM KEYLESS-GO:
Es kann wie bei anderen Autos lokal zu Überschneidungen von Sendefrequenzen und Funkstörungen kommen. Aus dem Kundenkreis ist dieses Problem nicht bekannt.
... ZUM KOFFERRAUM:
Der Akku musste wegen der Gewichtsverteilung über der Hinterachse sitzen. Seit März 2010 hat sich der Kofferraum aber von 330 auf 420 Liter vergrößert.
... ZUR LENKUNG:
Müheloses Lenken in allen Fahrsituationen ist für unsere Kunden besonders wichtig. Einige sportlichere Fahrer wünschen sich hin und wieder höhere Haltekräfte.
... ZUR FEDERUNG:
Die Kunden sind mit dem Komfort sehr zufrieden. Seit März 2010 ist das adaptive Fahrwerk (AVS) auf besseres Ansprechverhalten im Komfort-Modus optimiert.
MODELLHISTORIE
07/2007 Einführung des LS 600 als LS 600h und LS 600 hl mit 120 Millimeter längerem Radstand (Gesamtlänge: 5,15 m)
11/2008 Mit dem Modelljahr 2009 wird das beheizte Holz-/ Lederlenkrad serienmäßig angeboten. Das Kofferraumvolumen wächst dank Wegfall des Ersatzrads (Tyre Fit) von 330 auf 390 Liter
03/2010 Mit der Modellüberarbeitung erfüllt der LS 600h jetzt die Abgasnorm Euro 5. Das Kofferraumvolumen wächst durch optimierte Batteriekühlung auf 420 Liter. Dazu gibt es Spurhalteassistent, ECO-Fahrmodus, Brembo-Bremssystem und Festplattennavigation
Frühjahr 2010 Rückruf: Servolenkung getauscht
Sommer 2010 Rückruf: Tausch der Ventilfedern
Fazit
Als der Lexus LS 600h im Sommer 2007 auf den Markt kam, war an deutsche Hybrid-Autos nicht einmal zu denken. Umso erstaunlicher, dass das aufwändige und perfekt funktionierende System der Japaner schon zu dieser Zeit ausgereift war. Im 100.000-Kilometer-Test lieferte der überaus potente Hybridantrieb jedenfalls eine makellose und absolut zuverlässige Vorstellung ab. Dass er unter bestimmten Umständen keine Verbrauchsvorteile liefert, ist prinzipbedingt. Eine verschlissene Bremsscheibe nach über 95.000 km geht in Ordnung, doch die Dämpfer hätten länger als 75.000 km halten müssen. Zudem trübten kleine Schwächen in der herkömmlichen Bordelektronik den Gesamteindruck. Ob das fehlerhafte Navigationssystem, das anfällige Keyless-Go oder das schlechte Radio – solche Probleme darf es in der 100.000-Euro-Klasse nicht geben.
Technische Daten | |
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Motor | |
Zylinder | V8-Zylinder, 4-Ventiler |
Hubraum | 4969 |
Leistung kW/PS 1/Min | 290/394 394 U/min |
Max. Drehmom. (Nm) bei 1/Min | 520 4000 U/min |
Kraftübertragung | |
Getriebe | Stufenlose Automatik |
Antrieb | Allradantrieb, permanent |
Fahrwerk | |
Bremsen | v: innenbelüftete Scheiben h: innenbelüftete Scheiben |
Bereifung | v: 245/45 R 19 h: 245/45 R 19 |
Messwerte | |
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Gewichte (kg) | |
Leergewicht (Werk) | 2270 |
Beschleunigung/Zwischenspurt | |
0-100 km/h (s) | 6.3 |
Höchstgeschwindigkeit (km/h) | 250 |
Verbrauch | |
Testverbrauch | 13.9l/100km (Super) |
EU-Verbrauch | 9.3l/100km (Super) |
Reichweite | k.A. |
Abgas-Emissionen | |
Kohlendioxid CO2 (g/km) | k.A. |