Messerundgang CES 2024: Hersteller/Themen
Smart, sauber, vernetzt und abgehoben
Die CES 2024 ist gestartet. Vom 9. bis zum 12. Januar 2024 findet die Tech-Messe in Las Vegas statt. Die AUTO ZEITUNG verrät, wie sich die PS-Branche dort die Zukunft sichern will.
Die Zeiten, in denen sich Autohersteller auf der CES noch über die Bildschirmgröße definiert haben, sind lange vorbei. Und über Batteriekapazitäten oder Elektromotoren redet auf der größten Consumer Elektronik Show der Welt auch keiner mit. Sondern wichtig ist allein, was das Auto seinen Insass:innen künftig sonst noch zu bieten hat und vor allem wie Mensch und Maschine miteinander umgehen. Wer mit der Zeit geht oder ihr gar voraus sein will, landet damit zwangsläufig bei der künstlichen Intelligenz, die dieses Miteinander künftig entscheidend prägen wird. Das wissen sie auch bei Mercedes, dem deutschen Dauergast auf der CES: So stolz sie auch auf ihr Concept CLA sind mit seiner Plattform für die nächste Generation von E-Modellen, dem ersten eigenen Betriebssystem und – ja, das natürlich auch - dem Bildschirm über die gesamte Fahrzeugbreite, geht es Entwicklungsvorstand Markus Schäfer deshalb in Las Vegas mehr noch um das "hyperpersonalisierte Kundenerlebnis", das mit der eigenen Software, der neuesten Generation von MBUX und Partnern wie Google & Co. möglich wird. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
Kia EV9 im Fahrbericht (Video):
KI wird immer wichtiger
Noch vor gar nicht allzu langer Zeit war die KI ein Thema, bei dem nur die Nerds mitreden konnten, ist sie nicht einmal zwei Jahren nach dem Debüt von künstlichen Intelligenzen wie ChatGPT in aller Munde – und bald auch in allen Autos. Mercedes ist beileibe nicht allein. VW integriert den Sprachbot ChatGPT jetzt ebenfalls in sein Infotainment. Und BMW nutzt die KI ebenfalls. Und während die künstliche Intelligenz in rasendem Tempo ihren Weg ins Auto findet, ist der Hype ums autonome Fahren weiter abgekühlt. Zwar machen Hard- und Softwarespezialfirmen ein Gutteil der Stände in der imposanten Westhall aus, es geht um Lidar und Radar und um die Fusion der Sensordaten – doch der Durchbruch ist nach wie vor nicht in Sicht.
Überzeugende Fahrzeuge, dennoch kaum Interesse
Da trifft es sich ganz gut, dass es in Las Vegas auch ein paar neue Autos zu sehen gibt: Klar, die CLA-Studie von Mercedes kennt man in Europa schon von der IAA in München und die Elektroversionen der G-Klasse sind zwar ein Blickfang, tragen aber noch immer Prototypentarnung und werden erst im April in Peking enthüllt. Genau übrigens wie der Golf GTI, den VW nur in psychedelischen Tarnfarben zeigt, um die Spannung bis zur Premiere des Facelifts hoch zu halten. Und für einen elektrischen Pick-up des von Startschwierigkeiten geplagten vietnamesischen Großkonzerns Vinfast interessiert man sich genauso wenig wie für eine elektrische Kompaktlimousine aus der Türkei, selbst wenn der Togg T10F noch so schmuck aussieht und sein Interieur sogar dem CLA Showcar die Schau stiehlt. Doch hat Kia hier zum ersten Mal vor großem Publikum die schmucke Coupélimousine EV4 und vor allem den EV3 gezeigt, mit denen die koreanische Marke der Elektrifizierung durch sinkende Preise und steigende Stückzahlen noch mehr Drive geben will. Und Honda, bislang bei der Elektrifizierung von allen Großen aus der alten Welt am weitesten hintendran, hat mit der 0-Serie ein imposantes Aufholprogramm gestartet. Schon 2026 wollen die Japaner:innen mit einer ausgesprochen futuristischen Limousine auf einer neuen E-Plattform kommen und dann kurz darauf auch einen Van nachschieben. "Und das ist nur der Anfang", sagen sie bei Honda, die nicht umsonst von der Null-Serie sprechen, weil sie noch einmal ganz bei null anfangen wollen.
Kia trumpft auf
Aber es bleibt nicht bei klassischen Autos. Sondern so, wie im Netz, in der Cloud und in der mehr oder minder virtuellen Realität alles irgendwie zusammenwächst, so verwachsen auch Fahrzeug und Lebensraum miteinander – zumindest in der Vision von Kia-Designchef Karim Habib. Denn wo andere einfach eine schnöde Plattform für elektrische Nutzfahrzeuge vorgestellt hätten, machen die Koreaner:innen daraus die neue Fahrzeugkategorie der "Purpose-Built Vehicles" und skizzieren mit einer Handvoll solcher "PV"-Studien eine Familie von ebenso auffälligen wie stimmigen Schuhschachteln auf Rädern, die sich dank ihres modularen Aufbaus und ihres skalierbaren Unterbodens jedem Einsatzzweck anpassen können – mal als Lieferwagen und mal als Kleinbus, mal als Büro oder Wohnzimmer, dann wieder als Pop-Up-Store oder auch als Schlafkapsel und das immer mit und später dann auch mal ohne Lenkrad und stattdessen mit Autopilot. Und selbst wenn Habib diese Welt in wunderbar bunten Farben malt und ihr so den Anschein einer fernen Utopie gibt, ist das ausgesprochen greifbare Zukunft. Denn in Korea baut Kia bereits eine Fabrik für 100.000 solcher PVs pro Jahr und während wir auf den kleinen PV3 genau wie auf den großen PV7 noch etwas warten müssen, geht der PV5 im Format von VW Bulli oder Mercedes V-Klasse schon 2025 in Serie.
Nicht nur Straße: Es geht in die Luft
Wem das noch nicht abgehoben genug ist, den schicken die Messehelfer:innen entweder zu Hyundais Ausgründung Supernal oder zum XPeng-Ableger Aeroht. Denn da wie dort manifestiert sich die Idee vom Flugauto und kommt der Wirklichkeit wieder ein Stück näher: Die Koreaner:innen haben nach vier Jahren die Konzeptphase hinter sich gelassen und präsentieren nun die Serienfassung eines Fünfsitzers mit acht elektrischen Kipprotoren, der mit knapp 200 km/h in 500 m Höhe dem Stau den schrecken nehmen und pro Flug Distanzen von bis zu 100 km zurücklegen soll. Und die Chines:innen haben neben einem Pick-up als fahrendem Flugzeugträger auch noch ein Supersportwagen vorgestellt, bei dem auf Knopfdruck vier Rotoren ausfahren, damit ihn auch ja kein Stau ausbremsen kann.
Viele Hersteller glänzen mit Abwesenheit
Künstliche Intelligenz und immersive Erlebnisse bei Fahrzeugbedienung und Infotainment, mobile Unterhaltung jedweder Art, mehr Assistenz denn je und mehr oder minder konkrete Ausblicke auf greifbare Autos und ferne Visionen – während klassische Automessen zuletzt wenn überhaupt, allenfalls vorhersehbare Premieren zu bieten hatten, markiert die CES einmal mehr den Aufbruch nach Morgen und zeugt vom optimistischen Weitblick der Hersteller. Aber die CES ist längst nicht mehr nur ein schillerndes Schaufenster in die Zukunft der Mobilität. Sondern mit dem dramatischen Bedeutungsverlust der klassischen Autoshows wird sie zudem auch zur wichtigsten Arena für das Kräftemessen der PS-Giganten. Haben Marken aus Europa, Asien und den USA früher mal in Frankfurt, Genf, Detroit oder Tokio beim Messebau ihren Meister gesucht, ist jetzt die CES-Präsenz der ultimative Contest für die Stärke und die Entschlossenheit der einzelnen Autonationen. Dabei glänzt ausgerechnet die USA diesmal mit Abwesenheit, die sonst allgegenwärtigen und zunehmend dominanten chinesischen Marken sind in den USA eher unerwünscht und deshalb in Las Vegas nur Nebendarsteller. Von deutscher Dominanz ist kaum etwas zu spüren, wenn nur Mercedes einen ernsthaften Stand hat, dort aber nur bekanntes Blech zeigt, BMW kaum mehr als ein paar Fähnchen als Platzhalter aufstellt, VW nur im Messeumfeld auftritt und Audi oder Porsche gänzlich mit Abwesenheit glänzen. Und aus Japan ist auch nur Honda groß dabei. Dafür lassen die Koreaner:innen hier ihre Muskeln spielen und stellen alles andere in den Schatten: Hyundai kommt mit Autos, Lastern, Baumaschinen, Software und Sensoren sowie mit der Luftnummer von Supernal und Konzernschwester Kia hat gleich ein halbes Dutzend Showcars auf seinen zwei riesigen Ständen verteilt. Über 1000 Mitarbeitende aus Korea, so war auf der Messe zu hören, seien dafür nach Las Vegas geflogen – etwa drei Jumbojets voll. Demnächst allerdings können die vielleicht auf eigene Faust anreisen. Schließlich soll ihr Flugauto schon in zwei Jahren in Serie gehen.