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Alle Tests zum Lancia Delta

Lancia Delta HF Integrale: Faszination

Cool am Turini mit dem Delta HF Integrale

Johannes Riegsinger Autor
Inhalt
  1. Bewunderung für den Lancia
  2. Turbolader-Sinfonie für vier Zylinder
  3. Ankunft in der Gegenwart
  4. Technische Daten des Lancia Delta HF Integrale Evo II

Nach vielen Jahren im Wachkoma drängt die italienische Traditionsmarke Lancia zurück ins Leben. Unterwegs zwischen Rallye Monte Carlo und Rallye Sanremo tanken wir im Integrale Evo II hochoktanig Hoffnung.

Kurz hinter 6000 Umdrehung klopft eine gelbe Drehzahlmessernadel zart in den Begrenzer – genau in diesem Moment der inneren Einkehr wird der feuerrote Lancia Delta Integrale Evo II zum Beichtstuhl. "Vater," flüstere ich ins heisere Röhren des Zweiliter-Vierzylinders, "ich habe gesündigt". Der Turbolader seufzt resigniert, das Wastegate-Ventil prustet beim Hochschalten beleidigt: "Schon wieder … Was ist es denn dieses Mal?" Die nächsten Worte lege ich mir gut zurecht. Wie soll man einem Lancia-Klassiker der 90er-Jahre erklären, dass man den Glauben an die Marke verloren hat? –  "Tja, also es ist so: In Turin wollen sie Lancia ganz neu erfinden ..." "Verstehe“, fällt uns Santa Integrale Evoluzione ins Wort, "und jetzt hast du Angst, dass du auf Stratos hoffst und Musa bekommst. Auf Delta wartest und es wird Lybra. Von Flaminia träumst und mit Phedra aufwachst." Hinter dem verständnisvollen und beruhigenden Tonfall schwingt lediglich etwas gut verborgene Nervosität mit. "Schlimmer", murmle ich, "es ist schlimmer … Voyager Thema Flavia… Die Chrysler-Recycling-Epoche, erinnerst du dich noch?"

Die nun folgende Stille ist lang und tief, Santa Evo bekreuzigt sich und macht zur Sicherheit noch das Zeichen gegen den bösen Blick: "Mamma mia, du hast recht," röchelt die Maschine, klappert verstört mit allen 16 Ventilen, verschluckt sich am guten Super Plus und setzt die Zündung aus. Es dauert eine Weile, bis sich der Eilige wieder erholt hat, dann holt er tief Turbo-Luft: "Lass' uns über Sainte-Agnès und Peille hoch zum Col de Turini fahren, dann rüber nach Sospel und weiter nach San Romolo. Heute Abend in Sanremo wirst du wieder an das Gute glauben, an Deus Ex Machina, das verspreche ich!" – "Keine Rosenkränze beten? Kein Vater Unser?" Für gewöhnlich sind die vom eiligen Delta verhängten Bußen saftig und hart, seine Milde überrascht mich. Aber es bleibt dabei: Ich soll nur an einem Tag der langen Messer die Königsetappen der Rallye Monte Carlo runterreißen, die der Rallye Sanremo direkt anhängen, dabei ebenso ehrfürchtig wie reumütig ins Traditionsuniversum der Marke Lancia eintauchen, und mein Unglaube sei mir verziehen.
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Bewunderung für den Lancia

Die erste Überraschung erleben wir direkt unten in Monaco. Rundherum flundert der Lamborghini, röchelt der Ferrari, rollt der Rolls Royce – selbst das eine oder andere automobile Einhorn in Form von Bugatti und Co. traut sich auf die Lichtung – aber bewundert, beklatscht und fotografiert wird der Lancia. Dass sich die Marke über viele Jahre hinweg eine Enttäuschung nach der anderen erlaubt hat und zuletzt nur noch in Form des Ypsilon als rein italienisches Phänomen präsent war, hätte bei jeder anderen Marke dafür gereicht, ins Abyssschwarze Vergessen zu rutschen. Aber wenn du im Integrale Evo ausrückst, läuten die Kirchenglocken, rutschen die Fans auf Knien.

Man versteht ja warum: Zu seiner Zeit war der Lancia Integrale Evo ein Tier, Material für Jugendzimmer-Poster, eine ins Diesseits gebetene Göttergestalt. Als straßentaugliches Destillat von vielen Jahren glamourösester Rallye-Historie, als man auf den Altären der infamen Gruppe B den Göttern des Speed noch Menschenopfer darbrachte (und sie haben sich freiwillig gemeldet!), war der Delta Integrale ein echtes Statement. "Lancia", das hieß: kompromissloses Reinhalten mit italienischem Heiligenschein. Erst ein Walter Röhrl schaffte es im konkurrierenden Sport Quattro, so schnell zu fahren, dass den Serien-Audi die Häkel-Klopapierrollen von der Hutablage flogen. Bei Lancia war das nicht nötig, die waren bereits Champions League.

Man muss aber auch sagen, dass so ein Lancia Delta Integrale Evo einfach scharf aussieht. Selbst 30 Jahre später strahlt die kantige Karosserie mit ihren derbe ausgebeulten Radhäusern, dem Flügel am Heck und den Beinahe-Scheibenrädern allerheftigsten Dynamik-Pragmatismus und absolute Autorität aus. Kein Wunder, dass das verwöhnte Volk von Monte Carlo weiche Knie bekommt – dabei haben die nicht mal das sehr überzeugende Interieur mit den beigen Cordsamt-Schalensitzen und dem Rudel Analog-Uhren gesehen. Ich schon ... Und jetzt: zupacken am Momo-Lenkrad, Schalthebel schwingen. Tiefeneuphorisiert treibe ich den Delta in die Hänge hinter Monaco und schlängle mich in den Corniches raus in die See-Alpen. Nach dem Sehen kommt das Staunen.

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Turbolader-Sinfonie für vier Zylinder

Bis Sainte-Agnès, dem kleinen Städtchen auf seinem pittoresken Hügel, habe ich mich im Delta eingerichtet, hinter Peille weiß ich, wo man die fettesten Leistungsschinken erntet: Das Rallyevieh der 90er-Jahre hat 215 PS (158 kW), vor 30 Jahren war das eine echte Ansage, heute ist man doch deutlich härteres Reinhauen gewöhnt. Langsam kommt die Erinnerung zurück an eine Welt, in der Turbolöcher noch tief und schwarz waren, Gänge perfekt von Hand arrangiert werden mussten und in der man mit Gefühl und Verstand fuhr. Nicht einfach aufs Gas drückte. Der Evo legt sein Maximaldrehmoment bei 2500 /min an, darunter ist der Turbo mit Luftholen beschäftigt, aber wenn die 308 Nm dicke Backen machen, surft man im Evo druckig die Welle. Kluge Pilot:innen halten den Integrale also an diesem Sweetspot, werden so zu König:innen der Berge.

Hoch zum Col de Turini gibt es nach engem Kurvengewürm ein paar schnelle Passagen, da möchte man gelegentlich nachsehen, ob die 215 Pferde alle da sind. Die Ladedruckanzeige presst sich also ans Maximum, der nur 1360 kg schwere Lancia geht nun kernig vorwärts. Ich erinnere mich mit sprachlosem Staunen, wie das kickt, wenn man einen Turbolader für die Leistung nutzt und nicht, um übers ganze Band mehr Hubraum zu simulieren. Allerherrlichster Feueralarm!

 

Ankunft in der Gegenwart

Am Col de Turini gibt es einen schnellen Espresso, dann geht es rüber nach Italien. Die Rallye Sanremo hat ihren ganz eigenen Charakter, viele Kilometer weit wirbeln kleinste Sträßchen durch alles verschlingende, grüne Macchie, servieren Kurven aller Radien und Intensitäten – Zeit für Präzision und Traktion. Zeit für den Delta Integrale Evo II. Der ballert auch nach 30 Jahren noch so animierend und dreckig durchs Land, dass man automatisch gegen eine imaginäre Stoppuhr fährt. Hochdrehen, Schalten, Bremsen, Einlenken, Vollgas, Gegenlenken, Hart ans Gas … Perfekte Momente im alten Lancia, bei dieser einsamen Rallye bin ich Sieger. Und dann schleicht sich die Abendsonne ins Land, lässt tief unten das Mittelmeer azurblau leuchten. Ganz entspannt lasse ich den Delta Integrale ins Tal rollen und freue mich auf den Zieleinlauf am Casino von Sanremo. Eines habe ich längst beschlossen: Egal mit welchen Ideen Lancia es wieder versuchen wird – ich bin dabei. Von mir bekommen die jede Chance der Welt. 

 

Technische Daten des Lancia Delta HF Integrale Evo II

AUTO ZEITUNG 11/2024Lancia Delta HF Integrale Evo II
Technische Daten
Motor4-Zylinder, 4-Ventiler, Turbo; 1995 cm³
Antrieb5-Gang; manuell; Allrad
Leistung158 kW/215 PS
Max. Drehmoment308 Nm
Karosserie
Außenmaße (L/B/H)3900/1770/1365 mm
Leergewicht1357 kg
Fahrleistungen
Beschleunigung (0-100 km/h)5,7 s
Höchstgeschwindigkeit220 km/h
Verbrauch auf 100 km10,6 l SP
Kaufinformationen
Grundpreis65.000 Mark (1994)
 

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