50 Jahre AUTO ZEITUNG: Ford Mustang Bullitt/RS 200/Capri RS Obergeschosse von Ford
Die AUTO ZEITUNG ist ein Jahr alt, als sie bei Ford den Breitensport entdecken. Die jungen Tester aus Köln bringen den ersten Fahrbericht zum Capri RS 2600, steigen beglückt aus dem Prototyp – und können nicht ahnen, dass der Spaß mit 150 PS erst beginnt!
Es ist auch eine Warnung, die der Tester an einem Sommertag des Jahres 1970 in seine Schreibmaschine hämmert. Der Kollege hinterlässt uns keine Autorenzeile, aber ein Urteil für die Ewigkeit: "Im Capri RS 2600 hat die Gemütlichkeit ein Ende." Punkt. "Der Spaß aber, den so ein Auto bringt, ist grenzenlos." Nur 96 Zeilen und drei Schwarzweiß-Fotos benötigt er für den ersten Fahrbericht des Macht-Ford, der noch als Prototyp mit Probenummer durchs Kölner Umland röhrt, aber er lässt es ebenso krachen wie der Capri, aus dessen Scheel-Rennschalen er sich gerade gepellt hat. Vom "Gluthauch des Höllenofens" schreibt er und von den Rallyedämpfern an der Hinterachse, die im Redaktionsjargon "Bilstein massiv" heißen. Von der "barbarischen Härte des Fahrwerks" berichtet er und dem Radau, den der Testwagen macht, "weil er gänzlich unbelastet ist von schwerem Dämmmaterial". Und natürlich davon, dass Ford mit dem Capri RS 2600 in den 200-km/h-Club vorgestoßen ist. Schneller als ein Porsche 911 – und nur halb so teuer. Fürs bürgerliche deutsche Publikum ist das vor 49 Jahren ungefähr so, als wäre "The Who" bei Lou van Burgs "Der Goldene Schuss" eingefallen. Ford, das war kurz zuvor noch der 12 M mit 40 PS, für Besserverdiener auch ein 20 M mit V6-Motor, aber immer schön sachte, weil Design lange gefragter war als Dynamik. Es gibt 1970 nicht wenige Käufer, denen ein 50-PSCapri reicht, er läuft mit Mühe 130.
50 Jahre AUTO ZEITUNG zu Ford Capri RS, Mustang Bullitt & RS 200
Und jetzt bauten die Kölner plötzlich eine dreimal so starke Familienrakete, mit der sich ein Porsche 911 abhängen lässt. Dem Ford-Werksfahrer François Mazet gelingt das tatsächlich, der Elfer ist ein S, und am Steuer sitzt Alexander Onassis, der Milliardärssohn. Nur dass der Capri halb so viel kostet wie der Porsche. Damals ist er schon optisch der Outlaw des Ford-Programms, ein böses Auto ohne Stoßstangen und mit mattschwarzer Motorhaube. Heute wirkt er fast verletzlich, wenn er neben dem aktuellen Mustang parkt. Nicht ohne Rührung blicken Nostalgiker in den Motorraum, wo ein Alu-Guss-Luftsammler mit fetter FORD-Aufschrift den 2,6-Liter-V6 aus dem 26 M krönt. Eine Kugelfischer-Einspritzung unterscheidet ihn vom Triebwerk der bürgerlichen Limousine, die durchsichtigen Benzinleitungen erinnern ein bisschen an Trinkhalme. Nichts sieht hier wirklich wild aus, aber der Eindruck verfliegt, sobald der Fahrer das geschüsselte Sportlenkrad greift, erst das Summen der elektrischen Benzinpumpe und dann das Bollern der Sportauspuffanlage hört. Huargh, die Kupplung ist ein Härtefall, die Schaltwege sind gefühlt noch länger als die Motorhaube des Capri. Aber wer wissen will, ob wirklich 7,7 Sekunden auf 100 km/h drin sind, spürt immer noch, was der Tester von 1970 mit "permanenter Sonderprüfung" meinte. Der RS röhrt, als hätte ihn "The Who"-Sänger Roger Daltrey abgestimmt. Mehr zum Thema: 50 Jahre AUTO ZEITUNG
Capri RS war ein kurzes Vergnügen, der RS 200 ein radikales
Es ist ein kurzes Vergnügen, schon Anfang 1974 streicht Ford seinen Rock'n'Roller aus dem Programm. Vorher räumt der RS noch auf den Rennstrecken ab, am Steuer sitzen unter anderem Jochen Mass und Hans-Joachim Stuck. Die Plastiktüren und Plexiglasscheiben der Tourenwagen-Version verkaufen die Ford-Händler auch an Privatkunden, deren Straßen-Capris dann im Idealfall knapp unter 900 Kilo wiegen. Der Kraft-Capri ist für lange Zeit der wüsteste Ford, der sich für Geld kaufen lässt. Es dauert über zehn Jahre, bis ihn ein noch konsequenteres Produkt aus Genie und Wahnsinn im Rückspiegel verblassen lässt. Der RS 200 kostet 140.000 Mark, also fast zehnmal so viel wie ein RS 2600. Und jeder der rund 140 Privatkäufer muss sich von einem Ford-Instruktor mit den Risiken und Nebenwirkungen des mühsam gezähmten Rallyeautos vertraut machen lassen. Tatsächlich ist der Ford im Grunde seiner Gitterrohr-Struktur ein Extremist der Gruppe B. Er bleibt es allerdings nur ganz kurz, weil immer weniger Rallyeprofis die Hightech-Kracher wirklich beherrschen. Auch die kurze Karriere des RS 200 überschatten zwei furchtbare Unfälle. Das Unglück trifft die Rallyeversion mit 420 PS und mehr; das Straßenauto liefert 230 PS. Aber auch die befassen sich mit nur einer Tonne Leergewicht. Ford hat damals keine Wahl, das Reglement fordert die Produktion von 200 Autos. Allrad und Mittelmotor sind typisch Gruppe B, dazu das Feigenblatt der Großseriennähe. Die Karosserieentwicklung delegieren sie bei Ford in England an Ghia in Italien. Deren gekröntes Logo haftet an den Flanken, als sei es der metallicbeige Sierra von Onkel Eugen. Tatsächlich ähneln Dach, Frontscheibe und Türen denen des Ford-Mittelklassemodells jener Jahre, bestehen aber aus Leichtbau-Werkstoffen. Das Lederlenkrad kam aus dem Escort XR3i, die Aschenbecher stammten vom Fiesta. Es gibt wirklich welche, in jeder Türtafel steckt einer. "Milde Sorte" würde gut passen, denn das Leben im RS 200 ist hart genug. Schon das Einfädeln in die feuerroten Sportschalen fordert erhebliche Elastizität, aber das ist nur ein bisschen Yoga für RS-Anfänger. Die Kupplung schnappt kurz und trocken zu, die servolose Lenkung fordert noch härteres Zugreifen als im Capri, tröstet dann aber wenigstens mit ihrer Präzision, sobald das Ortsausgangsschild vorbeigeflogen ist. Dass der RS 200 ein Oldtimer ist, zeigt sich noch mehr am Klang: Sein Gruppe-B-Soundtrack mischt sich aus dem Jammern des Getriebes, dem Belfern des Cosworth-Vierventilers, dem Knistern der Karosserie auf Bodenwellen und dem rhythmischen Hecheln des Fahrers. Die Hitzeabstrahlung des Motors lässt ihn auch dann im eigenen Saft köcheln, wenn draußen keine Sonne scheint.
Mustang Bullitt kann Sport, ohne zu übertreiben
Der RS 200 ist ein Held, ein tragischer, aber einer, der selbst dem Ford Mustang Bullitt des Jahres 2019 auf dem Weg von null auf Tempo 100 noch zwei Zehntel abnimmt. Es ist so ziemlich das Einzige, was er besser kann als der Neue, und doch gibt es heute kernige Kerle, die für einen RS 200 fast 200.000 Euro hinlegen. Würde Lieutenant Frank Bullitt, gespielt von Steve McQueen, heute den Mustang fahren, der seinen Nachnamen trägt? Damals, am Filmset in San Francisco, traktierten sie den dunkelgrünen Lack mit Scheuerschwämmen, um dem Ur-Mustang das Aussehen der räudigen Bullenkarre zu verpassen. Heute, im Bullitt der Neuzeit, werden sogar Liebhaber des ebenmäßigen Spaltmaßes froh. Eine Weisheit aus dem Capri-Zeitalter gilt aber noch immer: Wer ungefähr die Hälfte des 911-Neupreises rechnet, liegt richtig. Der Charismatiker von heute ist dreimal so stark wie der RS 2600 von damals, er hat 460 PS und einen roten Bereich jenseits der 7000 Touren, doch er fordert keine Demut mehr. Ja, die Sitzposition könnte einen Tick niedriger sein, aber seine Recaros stützen, ohne zu schmerzen. Er kann mit Anstand federn, lässt sich feinfühlig lenken. Und im Vergleich mit den beiden Brüllern aus dem Museum klingt er nicht nach Inferno, sondern nach fernem Gewittergrollen. Wer es gemütlich mag, kann sogar die Sportsitze und das Lenkrad beheizen: Dem grenzenlosen Spaß, den so ein Auto bringt, schadet es nicht.