50 Jahre AUTO ZEITUNG: Porsche 928/Porsche Panamera 928, der Urahn des Panamera?
Ähnliche Proportion, ähnliche Konfiguration – irgendwie könnte der Porsche 928 doch ein Urahn des aktuellen Porsche Panamera sein? Unser Vergleich der beiden Gran Turismo-Modelle wird zur Begegnung mit einer Legende.
Rückblende. Jugendzimmer Mitte der 80er-Jahre. An der Wand das Poster eines Porsche 928. Tiefe Kameraposition, aufreizend eingeschlagene Vorderräder, Abendsonne auf gelbem Lack, ausgeklappte Glubschaugen-Scheinwerfer. Und dieses Gerät macht dich völlig fertig. Du stellst dir vor, wie es wäre, damit einmal durch die Stadt zu cruisen. Lässig, ganz lässig. Bestimmt würden die Mädels reihenweise umfallen, aber du brennst raus auf die Autobahn, lädst den V8 durch und spürst die große Freiheit. Was für eine Maschine. Nur in deinem Kopf. Ein paar Jahrzehnte später ist das alles beinahe vergessen. Wenn da nicht auf einmal diese Chance wäre: Tatsächlich 928 fahren. Dem Helden von einst auf den Zahn fühlen und ihn mit einem modernen Panamera Sport Turismo vergleichen. Kurzer Beinahe-Herzstillstand, große Augen – und dann prasseln die Erinnerungen nur so auf dich ein. Auf einmal fühlt sich die Welt einen Moment lang wieder an wie damals: Eng und fade wie dein Jugendzimmer – aber es gibt einen Fluchtweg, und der heißt Porsche 928. Mehr zum Thema: 50 Jahre AUTO ZEITUNG – die Obergeschosse von Ford
Die erste Fahrt im Porsche Panamera Sport Turismo im Video:
Porsche 928 & Porsche Panamera im 50-Jahre-Special der AUTO ZEITUNG
Unser Exemplar ist sogar der GTS, das letzte und ultrastarke Modell ab 1991, als es der zu Beginn heiß umkämpfte Porsche 928 nach mittlerweile 14 Jahren Modellgeschichte vom schrägen Beinahe-Nachfolger des 911 zum 350 PS starken High-Speed-Gran Turismo geschafft hatte. Aber er ist nicht gelb, sondern dunkelblau. Das hatte sich sein erster Fahrer – der damalige Porsche-Vorstandsvorsitzende Wendelin Wiedeking – für seinen Dienstwagen so gewünscht. Irgendwie nicht ganz dein Traumwagen. Wenn je der Beweis erbracht werden müsste, dass Wiedeking eher Finanzer als Automann war, dann steht er gerade vor dir. Mit luxuriöser Vollausstattung samt Klimaanlage, Ledersitzen, Wurzelholz-Deko, Vierstufen- Automatik und 90er-Jahre-Navigationssystem. Typ Deutsche Bank statt Hockenheim. Einen Moment lang suchst du bei Einsfünfundachtzig Körpergröße nach der richtigen Sitzposition, lässt den Fahrersitz auf Tastendruck probeweise etwas hin- und herschnurren, dann passt du irgendwie doch unter das tiefgezogene Dach. In leichter Liegeposition mit langen Armen statt aufrechter Kontrollhaltung dicht am Lenkrad. Das scheint früher modern gewesen zu sein – oder die Fahrer waren tatsächlich ein Stück kürzer. Und dann der Zündschlüsseldreh. Du erwartest den schweren Schlag eines 5,4-Liter-V8, kerniges Grollen, derbe anschiebenden Heavy-Metal-Groove, aber das hat der Porsche 928 GTS irgendwie nicht drauf. Er klingt beinahe enttäuschend zivilisiert und verwaschen, die mechanischen Geräusche drängen sich vor den Ansaug- und Auspuffsound – zumindest im Leerlauf und im Fahrzeuginneren. Deshalb: Wurzelholz-Automatik-Wählhebel auf D gezogen, der Wandler beginnt mit der Kraftverteilung – und mit einem Rucken geht's los. Mehr zum Thema: 50 Jahre AUTO ZEITUNG
Unfairer Vergleich: Hybridantrieb gegen V8-Motor
Das mächtige Drehmoment des V8 ist im Porsche 928 sofort zu spüren, aber seine lineare Leistungsentfaltung wirkt im Vergleich zu heutigen Motoren doch eher mau. Wir sind eben alle Turbo-verwöhnt und vom auf spritzig gedrehten Ansprechverhalten moderner Antriebe beeinflusst, da ist das unverfälschte Verhalten eines älteren Motors immer wieder ein kleiner Schock. Vor allem, wenn man im Hinterkopf die jugendliche Erwartung an eine Poster-Legende pflegt. Und wenn im Maschinenraum eine Vierstufen-Automatik arbeitet, die Porsche damals von Mercedes bezog. Deshalb also ein kleines Update für alle 928-Fans, die das Auto nie gefahren haben: Das ist kein spritziger Sportler nach heutigen Maßstäben, kein brachial gehendes Urvieh, sondern ein solide anschiebender Power-Cruiser. Mehr gibt es beinahe nicht zu sagen. Außer, dass der Motor ab rund 3500 Umdrehungen dann doch zunehmend lebendig wird und so vermutlich die infernalischen 275 km/h Topspeed schafft, die das Datenblatt angibt. Das haben wir allerdings nicht versucht, denn am Tag unserer Ausfahrt ist das Wetter mies und die Straße tropfnass. Aquaplaning hast du unter solchen Bedingungen schon während der Anlaufphase, da vergehen einem in Wendelin Wiedekings Ex-Dienstwagen aus dem Porsche Museum sämtliche Überschall-Ambitionen auf der Stelle. Ein paar Minuten später endet ein desillusionierender Prozess sein Ende: Im aktuellen Porsche Panamera 4 E-Hybrid Sport Turismo ist alles leichter, explosiver, kerniger. Der Motorsound des Biturbo-V6 fetzt knochentrocken, der mächtige Viertürer drückt aus jeder Lage vehement voran, garniert Zwischensprints und Ampelstarts mit mächtigem Elektromotor-Drehmoment und spurt dank seines Allradantriebs perfekt. Und surft nach vielen komfortabel hingelegten Autobahnkilometern regentanzend über enge Bergstraßen in den Vogesen, als wäre es ein Klacks. Mehr zum Thema: Die besten 25 Sportwagen aus 50 Jahren AUTO ZEITUNG
Gefühlsecht und mächtig – der Porsche 928 GTS
Dass er den Porsche 928 GTS trotzdem nur langsam abhängen kann, liegt am nun aufscheinenden Kurventalent des großen, alten Porsche. Mit seiner selbstlenkenden „Weissach“-Hinterachse und der ausgewogenen Gewichtsverteilung prescht der 928 unerbittlich durch die Kehren – gutmütig, berechenbar und beeindruckend stabil. Auf einmal kommt Freude auf, der ausladende GTS wächst einem mit jedem Kilometer mehr an Hintern und Herz. Auf dem langen Heimweg ins Porsche Museum bist du dann nicht mehr aus dem 928 GTS zu kriegen. Du schwelgst im Spirit der Achtziger und Neunziger. Strömst dahin in den knautschigen, üppigen Sitzen mit festem Griff am Wurzelholzlenkrad. Sich fühlen wie ein Chef, das geht im 928 ausgezeichnet. Der V8 wummert und prasselt, voraus segeln die runden Klappscheinwerfer durch den Regen. So cool wäre der moderne Porsche Panamera mit dem unaussprechlichen Bandwurm-Namen gern. Er kann alles besser – fahren, klingen, kurven, navigieren, infotainen, connecten, transportieren. Nur eben nicht diese Erinnerungen auslösen an das Poster an der Wand. An den Porsche 928 in Gelb.
Mit dem modernen Panamera hat Porsche das Gran Turismo-Konzept des 928 perfektioniert und Hybrid-modern in die Neuzeit übertragen. Er demonstriert ausgezeichnet, wie groß der automobile Fortschritt in den letzten drei Jahrzehnten war. In Sachen Fahrfreude kann der 928 GTS trotzdem mithalten. Er ist eine Legende mit Kraft und Tiefgang – herrlich unverfälscht und sagenhaft ehrlich.