Porsche 911 GT1 & Ferrari F50: Supersportler im Duell
Le Mans lässt grüßen
Seit drei Jahrzehnten gab es kein so kompromissloses Straßenauto mehr wie den Porsche 911 GT1. Pure Renntechnik mit Zulassung – damit konnte sich 1997 nur der Ferrari F50 messen, dem an sich auch eine Karriere als Langstrecken-Sportwagen bevorstand.
Er nimmt Passant:innen den Atem, wenn er plötzlich über den Hügel kommt. Das Weiß blendet in der Sonne, das Kühlermaul frisst die Straße, die dunklen Scheiben wirken geheimnisvoll, der Spoiler ist gewaltig. Doch die Show geht weiter. Das berühmte Rot erscheint und fordert ebenfalls Aufmerksamkeit. Spektakulär die Farbe, kaum weniger gewaltig die Proportionen, noch eindringlicher die Begleitmusik. Auftritt für die zwei faszinierendsten Autos unserer Tage. Gebaut, um Rennen zu fahren, wie im Fall des Porsche GT1, dann aus Reglementsgründen für die Zulassung gezähmt.
Oder um Formel 1-Technik auf die Straße zu bringen, wie im Fall des Ferrari F50. Auch hier war der Renneinsatz geplant, allerdings wurde aus politischen Gründen nichts daraus, sonst würde er sich mit dem Porsche in der neugeschaffenen FIA-GT-Weltmeisterschaft messen. Einziger ernsthafter Konkurrent wäre noch der McLaren F1, doch zum Rennen brachten ihn nicht die Bestimmung oder seine Tradition, sondern die wohlhabende Kundschaft. Zudem beanspruchen die beiden anderen bereits genug Aufmerksamkeit. Knapp zweieinhalb Millionen Mark an Technik und ausladender Karosserie knistern vor dem Auge in der Hitze.
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Der Ferrari SF90 XX Stradale (2023) im Fahrbericht (Video):
Zusammentreffen der Superlative: Ferrari F50 vs. Porsche 911 GT1
Die Wahrscheinlichkeit eines zufälligen Zusammentreffens ist nicht größer als ein Sommertag im Januar: Die Serie des Ferrari F50 ist strikt auf 349 Autos beschränkt, vom Porsche 911 GT1 entstehen gar nur 30 Exemplare. Diese Zahlen erklären zum Teil auch die Preise. Vom Band kommen hier nur die elektrischen Sicherungen, alle anderen Teile gehen durch die Hände ausgesuchter Spezialist:innen. Das Kohlefaser-Monocoque des F50 entsteht in der F1-Abteilung, der GT1 komplett in der Rennabteilung in Weissach. Dies und die komplizierte aerodynamische Ausformung der Teile bedingen auch die Preissituation der Ersatzteile: Sollten Sie beispielsweise die Motorhaube des GT1 beim Zurücksetzen zerstören, sind 51.000 Mark fällig – ohne Arbeitslohn! Doch fühlen wir uns als einer der wenigen Menschen, für die Geld ja nicht das Hauptproblem in dieser Welt sein kann.
Verstecktes Triebwerk im Porsche
Öffnen wir die riesige Heckhaube des Porsche 911 GT1 und sehen: erstaunlich wenig Motor. Er ist fast völlig unter Ansaugschächten und Ladeluftkühlern verborgen. Mittels eines Stahlrohrrahmens klammert er sich an der Karosse fest. Dahinter schließt sich als komplette Einheit der Verbund von Getriebe und Hinterradaufhängungen an. Vorne wie hinten stammen die Radführungen original vom Rennwagen, nur die Abstimmung ist anders als die von Stuck oder Boutsen. Daneben liegen vier Katalysatoren, die zusammen mit den zwei Turboladern für die Schalldämpfung des Sechszylinder-Boxers genügen müssen. Ein Stockwerk darüber findet sich der in der GT-Serie vorgeschriebene Kofferraum mit 150 l Volumen – mehr als im Seat Arosa. Entgegen anderslautenden Gerüchten nehmen ja auch reiche Menschen mehr als nur Kreditkarten auf Reisen mit. Ach, Sie wollten wissen, welche Leistung so ein Anderthalb-Millionen-Auto hat? Elfmal so viel wie ein Polo 50 beispielsweise. 544 PS (400 kW) gibt Porsche an, die für 310 km/h Spitze reichen sollen.
Der Ferrari F50 steht da kaum nach. Sein Zwölfzylinder basiert tatsächlich auf einem aufgebohrten Formel 1-Aggregat und bringt Autoquartett-Spieler:innen mit 4,7 l Hubraum, zwölf Zylindern und 60 Ventilen in die Pole Position. 520 PS (383 kW) stehen an, allerdings erst bei 8500 Umdrehungen. Die Vorstellung, dass ein so gewaltiger Motor derart hoch dreht, ist etwa die gleiche, als wolle Pavarotti das Matterhorn im Eildurchgang besteigen. Doch wir beginnen die Fahrt ohnehin mit dem Porsche 911 GT1. Zwei der Rohre des Überrollkäfigs, die die Kevlarkarosserie stützen, stehen einem normalen Einstieg im Weg. Einmal drüber gehangelt und in den Lederbezogenen Schalensitz eingefädelt, umgibt einen 911-Original-Atmosphäre. Die fünf Rundinstrumente sowie fast alle Schalter stammen aus dem 911. Erst nach und nach registriert der Neuling die Carbontüren, die offenliegende Schaltstange und den Luftansaugschacht über dem Kopf. Und warum ist es eigentlich so dunkel hier? Klar, die hinteren Fenster fehlen infolge der Mittelmotorbauweise.
Das Fahrvergnügen entschädigt für das Schwitzen im Porsche
Wie immer den linksliegenden Schlüssel gedreht, und die Blutsverwandtschaft mit dem Porsche 911 GT1 wird deutlich. Dumpf grummelt der wassergekühlte Boxer, heftig rattert das vollsynchronisierte Sechsgang-Getriebe in seinen Lagern. Das Anfahren mit der knackig zupackenden Einscheiben-Sintermetallkupplung ist problemlos, das Schaltwerk lässt die aus dem Rennwagen bekannte Solidität spüren. Nach wenigen Kilometern ist bei 30 Grad Außentemperatur nicht nur dem Motor warm. Doch die Plastikscheiben sind so wenig zu öffnen wie das Herz schwäbischer Menschen fürs Geldausgeben, und eine Klimaanlage existiert nicht. Es gibt sie auf Wunsch, doch haben bereits einige der bislang 15 Kund:innen das Auto ohne bestellt. Na dann viel Spaß! Haben werden Sie auf jeden Fall ein außergewöhnliches Fahrerlebnis.
Beispielsweise einen außergewöhnlich unmittelbaren Kontakt zur Straße. Die Lenkung hat zwar Servounterstützung, ist aber so direkt wie die Sprüche von TicTacToe. Von einer weichen Abstimmung kann keine Rede sein, speziell die Hinterachse meldet jeden Buckel – es muss sich um die Regenabstimmung von Spa-Francorchamps handeln. Doch zusammen mit der hervorragenden Sitzposition verwächst die Person am Steuer nach kurzer Zeit völlig mit dem Porsche 911 GT1. Noch keine völlige Klarheit bestand beim Versuchsträger über die Programmierung des Ladedrucks. Dass unterhalb von 3000 Umdrehungen keine Wunder zu erwarten sind, war klar. Doch auch über 4000/min fingen die Überdruckventile erstaunlich früh an, den Ladedruck wieder abzulassen. Subjektiv war der Vortrieb nicht besser als bei einem werksgetunten Turbo mit 430 PS (316 kW). Kundenbetreuer Kristen versicherte jedoch, dass es sich hier nur um ein Experiment handele.
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Der F50 bringt Schub und Sound wie in der Formel 1
Im Ferrari F50 ist die Abstimmung bereits gelungen. Der V12 klingt schon beim Anlassen, als säße man in Schumachers Ersatzauto, beim leichtesten Gasstoß bellt er heiser auf. Anfangs ebenfalls noch verhalten, spannt er ab 4000 Umdrehungen die Muskeln, und bei 6000/min sind Geräuschkulisse und Schub nicht mehr so weit von der Formel 1 entfernt (Pardon Michael, ein gewisser Unterschied bleibt schon noch). Man fürchtet fast um den Motor, lässt aber fasziniert die Gänge durch die Alukulisse gleiten. Erstaunlich komfortabel und gutmütig gibt sich das elektronisch geregelte Fahrwerk. Der Abtrieb ist zwar nicht ganz so heftig wie im Porsche, den Spoiler und Unterboden beinahe mit dem Doppelten seines Eigengewichts auf die Straße drücken, doch besonders bei offenem Dach produziert auch der F50 viel "downforce". Unverständlich ist nur die Auslegung der Lenkung, die zwar besten Kontakt zur Straße vermittelt, wegen der fehlenden Servounterstützung aber so indirekt übersetzt ist, dass mögliche Drifts durchaus in Schwerarbeit am Lenkrad ausarten können.
Besonders spannend ist bei beiden das Bremsen. Nicht nur, weil immer wieder Leute selbst einen roten Ferrari übersehen, sondern weil diese Autos zeigen, was Verzögerung wirklich heißt. Der Porsche 911 GT1 ist nochmals einen Tick besser als der Ferrari F50, die Achtkolbensättel vorne und solche mit vier Kolben hinten greifen schlichtweg brutal. Was uns sonst noch auffiel: Weiß ist eigentlich die Farbe der vornehmen Zurückhaltung, doch der Auffälligkeitsgrad des Porsche entspricht ungefähr dem eines rotgepunkteten Elefanten in der City. Umso härter, dass das stilgerechte Einparken im Golfclub mit ihm vermutlich zum Alptraum schwerreicher Herrenfahrer gerät. Auffällig beim Ferrari ist die liebevolle Gestaltung von Interieur und Details wie Werkzeug oder Heckabschluss. Zwei unglaubliche Autos, zwei Charaktere: Der Porsche ist ein Rennwagen für die Straße, der Ferrari ein Straßenauto, das Rennen fahren könnte. Nach Le Mans passen sie beide gut.
Von Peter Oberndorfer
Technische Daten von Porsche 911 GT1 und Ferrari F50
AUTO ZEITUNG 13/1997 | Porsche 911 (993) GT1 | Ferrari F50 |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | 6/4/2; Turbo | 12/5; Turbo |
Hubraum | 3164 cm³ | 4700 cm³ |
Leistung | 400 kW/544 PS | 383 kW/520 PS |
Max. Gesamtdrehmoment bei | 600 Nm 4250/min | 471 Nm 6500/min |
Getriebe/Antrieb | 6-Gang-Getriebe/Hinterrad | 6-Gang-Getriebe/Hinterrad |
L/B/H | 4890/1990/1140 mm | 4480/1986/1120 mm |
Leergewicht | 1175 kg | 1230 kg |
Bauzeit | 1996-1998 | 1995-1997 |
Stückzahl | 2 (911 (993) GT1) | 349 |
Beschleunigung null auf 100 km/h | 3,7 s | 3,9 s |
Höchstgeschwindigkeit | 310 km/h | 325 km/h |
Verbrauch auf 100 km | 17,8 l S | 26,5 l S |
Grundpreis (Jahr) | 1.550.000 Mark (1997) | 756.000 Mark (1997) |