Emil Frey-Geschäftsführer Linnenschmidt: Interview
"Wir verbinden Online und Offline"
Bernhard Linnenschmidt, Geschäftsführer der Emil Frey Gruppe für den nationalen Einzelhandel in Deutschland, spricht im Interview mit der AUTO ZEITUNG über das neue Online-Autohaus der Gruppe, das Geschäft in Zeiten von Corona und chinesische Marken in Europa.
Herr Linnenschmidt, wie läuft bei Emil Frey in Deutschland das Geschäft angesichts der Corona-Pandemie? Das ist sicherlich von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich?
Im Privatkundengeschäft haben wir vielleicht 20 bis 30 Prozent des normalen Niveaus. Im Bereich des gewerblichen Geschäfts, der Flotte, sind wir auf einem höheren Niveau unterwegs, etwa bei 50 bis 70 Prozent. Das Gebrauchtwagengeschäft ist dagegen phasenweise wie abgeschnitten gewesen. Der Service ist über alle Betriebe hinweg relativ stabil. Da haben wir eine gute Auslastung. Bis jetzt mussten wir noch in keinem Betrieb Kurzarbeit anmelden, weder im Verkauf noch im Service. Das ist bei vielen Händlerkollegen leider schon der Fall. Die Zulassungsstellen sind momentan das größte Nadelöhr. Ich hoffe, dass diese in der Fläche bald wieder aktiv werden.
Der Skoda Octavia im Fahrbericht (Video):
Gibt es denn Unterschiede zwischen den Automarken, immerhin hat Emil Frey in Deutschland 24 davon im Portfolio?
Das ist mehr regional- als markenabhängig. Wir haben innerhalb der gleichen Marke große Unterschiede was die Situation angeht. Im Prinzip unterscheidet es sich von Bundesland zu Bundesland und auch stark innerhalb der Länder.
Sie haben zum ersten April das digitale Online-Autohaus bei der Frey-Gruppe gelauncht. Damit positionieren sie sich auch gegenüber dem Kunden erstmals unter dem Markennamen Emil Frey. Was ist der Grund dafür?
Wir haben das erstens gemacht, um unseren Kunden zu signalisieren, dass wir ein Unternehmen sind und damit den Wertekanon unseres Gründers Emil Frey auch erlebbar zu machen: prompt, gewissenhaft, vom Fachmann. Bis dahin war nach außen kein Dach über unseren Betrieben, die ja eigene Namen wie Avalon, Schwabengarage oder Sachsengarage tragen. Zum zweiten wollten wir gegenüber Google signalisieren, dass wir eins sind, um von unseren Kunden und Geschäftspartnern mit der Suchmaschine besser gefunden zu werden. Bisher waren das 75 unterschiedliche Autohäuser.
Wäre es dann nicht der nächste konsequente Schritt, auch alle Autohäuser vor Ort unter dem Namen Emil Frey zu branden? Die Gruppe hat schließlich einen sehr guten Ruf.
Vielleicht in zehn Jahren. Noch ist es dafür zu früh. In Deutschland kennen Emil Frey nur Markeninsider. Der Privatkunde kann hier mit dem Namen derzeit noch nichts verbinden. In der Schweiz weiß dagegen jedes Kind, wer Emil Frey ist. Aber in Deutschland brauchen wir noch die Handelsnamen. Wenn wir es jetzt sofort ändern würden, würden wir zu viel verlie-ren.
Auf Ihrem Online-Autohaus haben Sie 14.755 Fahrzeuge gelistet. Andere Portale wie etwa AutoScout24 haben dagegen Millionen Fahrzeuge im Angebot. Wo ist der Vorteil für den Kunden auf Ihrem Portal?
Der größte Vorteil ist, dass der Kunde in unserem Emil Frey Online Autohaus Fahrzeuge direkt online kaufen und sein Gebrauchtfahrzeug online verkaufen kann. Auf den anderen Portalen sieht er im Prinzip nur die Fahrzeuge, muss aber dann via Telefon oder E-Mail mit dem Verkäufer in Kontakt treten und kennt auch nicht den finalen Preis. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Fahrzeuge uns gehören und dass wir Online und Offline miteinander verbinden. Das heißt, die Fahrzeuge gibt es tatsächlich und der Kunde kann sich online informieren und das Fahrzeug entweder offline oder online kaufen. Auch kann er direkt bei uns die Kaufabwicklung durchführen, finanzieren und leasen und sieht die Rate für jedes Fahrzeug. *
Gibt es denn momentan schon Erkenntnisse, ob Ihnen das neue Portal gerade in Corona-Zeiten hilft, was den Vertrieb betrifft?
Dafür ist unser Online-Autohaus noch zu neu. Zudem haben wir dafür noch keine Werbung gemacht. Trotzdem konnten wir in der ersten Woche rund 9000 Besucher zählen und in der Woche danach schon fast 20.000. Mit Hilfe der Werbung wollen wir es jetzt noch weiter nach vorn bringen und werden auch Einiges investieren.
Wie sieht es denn beim digitalen Autokauf mit Probefahrten aus?
Der Kunden kann bei uns Probefahrten vereinbaren. Natürlich haben wir nicht jedes Fahrzeug an jedem Standort. Aber wir haben oft ähnliche Fahrzeuge vor Ort und insgesamt eine gute Abdeckung über Deutschland. Solche Möglichkeiten hat kaum ein anderer Wettbewerber. AutoScout24 und Mobile können das nicht anbieten.
Ich kann auch mein Gebrauchtwagen über das Portal in Zahlung geben. Wie werden denn da der Restwert und versteckte Mängel festgestellt, wenn Sie das Auto nicht vor Ort sehen?
Mit der Restwertermittlung werden wir in den nächsten 14 Tagen technisch soweit sein. Wenn der Kunde dann sein Fahrzeug verkaufen möchte, bekommt er von uns einen Link zugeschickt. Darüber wird er mit einem Sachverständigen verbunden, der das Auto über die Handykamera des Kunden aus der Ferne checkt. So wird der faktische Inzahlungnahmepreis für den Kunden kostenlos ermittelt. Er braucht nirgendwo mehr hinfahren.
Welchen Anteil soll Ihr digitaler Automarkt in fünf Jahren am Gesamtvertrieb haben?
Er wird sicherlich einen relevanten Anteil haben, in fünf Jahren vielleicht 15 bis 20 Prozent. Oft orientiert sich der Kunden zwar zuerst online, kommt dann aber doch in den Betrieb, um sich das Fahrzeug anzusehen, es anzufassen.
Was glauben Sie, wie sich das Autojahr angesichts der Corona-Pandemie noch entwickeln wird?
Am Ende werden wir bei den Zulassungen bei minus zehn bis 20 Prozent stehen. Ich glaube, dass es in der Lockerungsphase enorme Nachholeffekte geben wird: Sowohl im Service, weil die Kunden zur Inspektion müssen oder sie Sommerreifen aufziehen wollen. Aber auch bei den Fahrzeugkäufen könnte es eine gewisse Renaissance geben, weil der Kunde momentan vielleicht eher weniger mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren möchte. Ich hoffe natürlich auch, dass die Politik ein sinnvolles Programm aufsetzt, um den Automobilhandel zu unterstützen und die Nachfrage der Kunden zu stimulieren. Am Ende des Tages werden in der Krise aber alle, ob es der Privatkunde, der Händler oder der Hersteller ist, ein Stück weit Geld verlieren.
Ich gehe davon aus, dass die Corona-Pandemie die Konzentration im Handel noch weiter zuspitzen wird. Glauben Sie nicht, dass Emil Frey als größter Händler Europas noch stärker aus der Krise herauskommt und vielleicht sogar noch Übernahmen tätigen könnte?
Also wir gehen immer mit offenen Augen durchs Leben. Größe ist jedoch kein Selbstzweck. Im Vordergrund steht für uns, eine gute Dienstleistung für den Kunden zu erbringen. Wenn sich Gelegenheiten ergeben, werden wir uns das mit Sicherheit anschauen. Aber momentan müssen wir unsere Basisarbeit so gut es geht bewerkstelligen.
Gibt es keine konkreten Überlegungen, in Deutschland weitere Marken in den Vertrieb aufzunehmen?
Also wir sind grundsätzlich offen für andere Marken. Wir haben ja schon ein relativ großes Portfolio mit 24 Herstellern.
Und was ist mit neuen, chinesischen Marken?
Bei unseren Gesprächen auf der IAA 2019 haben wir verstanden, dass die meisten chinesischen Marken in Europa in den Direktvertrieb einsteigen wollen. Der Handel soll im Prinzip nur noch einen Raum stellen, um Probefahrten zu ermöglichen und Kundenberatungen durchzuführen. Doch die Frage stellt sich, wo der Kunde sein Gebrauchtfahrzeug in Zahlung geben soll. Da hatten die chinesischen Hersteller noch keine überzeugenden Antworten parat. Deutschland ist auch ein sehr anspruchsvoller Markt. Daher werden die Chinesen eher in anderen europäischen Ländern starten. Es kommt also sehr stark auf das Vertriebsmodell an. Aber man soll niemals nie sagen.
Glauben Sie, dass es auch noch zu weiteren Konsolidierungen unter den Autoherstellern kommen wird?
Das ist nicht auszuschließen: Wenn das Geschäft komplett ausbleibt und die Liquidität eng wird, ist alles offen. Durch die Corona-Pandemie kann es in der Industrie auch zu "Zwangsehen" aus der Not heraus kommen, um die Krise durchzustehen.