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Elfer-Evolution: Porsche 901 & 911 S/T (992) im Vergleich

Evolutions-Theorie

Johannes Riegsinger Autor
Inhalt
  1. Vergleich: Uriger Porsche 901 trifft auf knallharten 911 S/T (992)
  2. Auf der Suche nach der Essenz des 911
  3. Überraschung um die Mittellage
  4. Der Sound des Porsche 901 ist dem 911 S/T viel zu nett
  5. Technische Daten von Porsche 901 und 911 S/T

Zwischen dem Ur-911 Porsche 901 und dem Porsche 911 S/T (992) liegen 60 Jahre steter Weiterentwicklung. Finden wir immer noch Spuren derselben DNA? Der Vergleich wirds zeigen!

Stille. Völlige Stille. Nach der rohen, akustischen Gewalt eines Porsche 911 S/T im harten Tiefflug schlägt jetzt die Ruhe nach dem Ritt ohrenbetäubend zu. Das Ticken der abkühlenden Maschine und das sanfte Rauschen von Zweigen im Wald nebenan wird riesengroß, und während wir da stehen, spüren wir, wie die Hände zittern. Ganz leicht. Einfach, weil der S/T so eine zwingende, fesselnde Fahrmaschine ist. Und die muss man sich erarbeiten. Der S/T verzeiht nichts, erleichtert nichts, fährt völlig gnadenlos. Wer einen 911 Turbo gewohnt ist, dürfte sich bis ins Mark schockiert davonschleichen, ein 911 S/T kennt keinen Komfort, keinen Kompromiss.

Das geht direkt auf den ersten Metern los, wenn die kalten Supersport-Michelins, der derbe, fräsende Sound und das brutale Zupacken der Kupplung die Fahrt zum abweisenden Erlebnis machen. Als seist du im Bauch einer CNC-Fräse eingesperrt – auf knochigen Schalensitzen. Du würgst den Ofen garantiert ein-, zweimal ab, so diffizil ist das Zusammenspiel aus wadenbeinbrechender Kupplung mit Einmassen-Schwungrad und trocken anreißendem Hochdrehzahl-Boxermotor. Von DSG, Achtstufen-Automaten oder gar Elektroauto-Leichtigkeit dekadent geworden, wirst du dann gedemütigt: Über den ultrakurzen Schalthebel klacken die sechs Gänge maschinenhaft mechanisch durch. "Fahr mich mit ganzer Aufmerksamkeit", grantelt der S/T, "oder ich mach dich fertig ..." – Du tauchst also besser ganz ein ins Geflecht der Maschine, schwingst mit ihren Vibrationen mit, singst ihren Song, fühlst ihre feinen Reaktionen. Keine Ablenkung zugelassen.
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Vergleich: Uriger Porsche 901 trifft auf knallharten 911 S/T (992)

Und dann, nur dann, verstehst du den Porsche 911 S/T. Legst mit verbindlichem Händedruck die Gänge ins Getriebe, als ginge es jedes Mal um eine feierliche Großtat des Kalibers "Ehering anstecken" oder "Verfassungsänderungsunterschrift". Spürst dem Lauf des frei saugenden Sechszylinder-Boxers nach, wie er im Drehzahlkeller die Muskeln spannt, mit fiebrigem Punch durch die Mitte stürmt und obenraus geradezu explodiert, schreit, tobt. Da ist die exakt richtige Dosis Vorwärtsdrang für jede Situation hinterlegt, du musst sie nur finden und einloggen. Lässiges Anschieben in den Ortsdurchfahrten mit räudigem Knurren und scheppernder, schnarrender Kupplung. Bäriges Reinhauen beim Durchladen, bissiges, traktionsstarkes Hetzen in den Kurvenwinkeln dieser Welt und skalpellartige Schärfe obenraus.

Der Motor macht alles mit. Dass er dabei nicht im wohlig-musikalischen Sinn gut klingt, sondern seine Leistung mit mechanischer Humorlosigkeit aushustet und keine Dissonanz, kein Lärmen auslässt, verströmt eine herrliche Diskrepanz. Schön ist das nicht, aber ehrlich. Kein Material für gefühlige Fanboys, aber für Hardcore-Hungrige. Denen sind eventuelle Nebenwirkungen eh egal. Und obendrein ist der Motor sowieso nicht Hauptdarsteller des Porsche 911 S/T, sondern das Gesamtpaket: der runtergestrippte Rohbau ohne Dämmung, aber mit Kohlefaser-Segmenten und dazu das vom GT3 übernommene und dann aufs Landstraßen-Surfen scharf gestellte Fahrwerk.

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Auf der Suche nach der Essenz des 911

Auf den ganz wüsten Asphalt-Abschnitten kleiner Straßen im Outback suchst du reflexartig den nicht existierenden Komfort-Fahrmodus, aber dann reißt du dich zusammen. Nimmst das Leben, wie es kommt. Und freust dich, dass der Porsche 911 S/T überall sonst fährt wie das heiße Messer in der warmen Butter. Hochpräzise. Rückmeldungsstark. Mit zupackender Traktion. Feinster Balance. Einfach großartig. Mitreißend. Atemberaubend gut. – Es hat eine Weile gedauert, bis dieser Groschen fiel, aber jetzt bist du im inneren Kreis. Hast dich festgesaugt am mit Sicherheit irrsten Straßen-Porsche aller Zeiten. Und jetzt bleibt nur eine Frage: Ist das die Essenz eines 911, war das die schon immer fix hinterlegte, einfach nur freigelegte DNA, oder haben die bei Porsche das über Jahrzehnte hinweg herangezogen?

Um die Frage zu beantworten, haben wir uns den 911-Urknall geholt. Einen Porsche 901 aus dem ersten Modelljahr 1964. Ja, der Neunelf hieß damals ein paar Monate lang Neunnulleins, bis Peugeot wegen der Null im Modellnamen Einspruch einlegte. Das Auto gehört Porsche, wurde unter der Fahrgestellnummer 57 als 901 produziert und einen knappen Monat später als 911 ausgeliefert. Näher kann man dem 911-Anfang also kaum kommen. Und um diesen 901 zu verstehen, muss man 60 Jahre weit zurückblenden.

 

Überraschung um die Mittellage

Der Blick aus dem Porsche 901 auf den 911 S/T
Foto: Olgun Kordal

Porsche baute damals den 356 noch als superstarken Carrera mit bärenstarkem, dreckig anreißendem Königswellen-Vierzylinderboxer, und wenn man diesen kleinen Punkrocker mit dem Porsche 901 vergleicht, fällt einem die Kinnlade auf Brustwarzen-Höhe: Während sich der 356 Carrera hemmungslos direkt und wild fährt, ist der 901 ein seidiger Cruiser. Sein Sechszylinder-Boxer singt harmonisch, die Leistungsabgabe ist linear und freundlich. Das Gewicht des Motors im Heck des kleinen, roten Autos – hinter der Hinterachse, davor ein ziemlich kurzer Radstand – sorgt für ein sonderliches Fahrverhalten: In etwas schmissiger angegangenen Kurven setzt das Hinterteil gefühlt immer leicht zum Überholen an, man muss am großen Holzlenkrad mit der dahinter geschalteten Zahnstangenlenkung ganz wach sein, um den 901 auf Kurs zu halten.

Die Lenkung ist in der Mittellage eher schläfrig und mit leichtem Spiel behaftet, wenn es ans Korrigieren geht, dann aber überraschend eifrig. Die Federwege sind recht lang, die Dämpfung ist um Komfort bemüht – das lässt den 901 mit saftiger Schräglage um die Kehren segeln. Mit anderen Worten: Der Porsche 901 war nicht das, was man heute einen Sportwagen nennen würde, sondern ein Cruiser – perfekt passend zu den immer noch schlechten Straßen der 60er. Man hat sich damals von einem Auto Komfort gewünscht, nicht nadelscharfes Hineinstechen in topfeben asphaltierte Premium-Kurven. Die gab es nämlich überhaupt nicht.

 

Der Sound des Porsche 901 ist dem 911 S/T viel zu nett

So gesehen hat der Porsche 901 dann doch eine Gemeinsamkeit mit seinem unvorstellbar weit in die Zukunft katapultierten Porsche 911 S/T-Nachfahren: Er ist exakt zugeschnitten auf seine Zeit, präzise modelliert auf ein Fahrfreude-Optimum. 1964: sämig-seidiges Reisen mit Dampf. 2024: dem klinisch toten Straßenbau-Einerlei davonfahren in ein hyperintensives, meditatives Paralleluniversum.

Auch den Porsche 901 hat man leicht abgewürgt – damals traf ebenfalls eine trocken zupackende Kupplung auf einen Motorlauf mit wenig Beharrungsvermögen im absoluten Drehzahlkeller. Erst ab 2000 Umdrehungen hängt der Zweiliter-Sechszylinder-Boxer sauber am Gas und schnürt dann mit erfreulicher Entschlossenheit seinem Leistungsmaximum entgegen. Das liegt bei 6100 Touren – der moderne Porsche 911 S/T legt da noch einmal beängstigende 2400 Umdrehungen nach. Und der Sound des 901 ist genau das, was Porsche-Fans mögen: ein burschikoses Singen, ein kehliges Ansaugen, frivole Kernigkeit ab 5000 Touren. Dem S/T ist das 60 Jahre später viel zu nett.

 

Technische Daten von Porsche 901 und 911 S/T

AUTO ZEITUNG 11/2024Porsche 901Porsche 911 S/T
Zylinder/Ventile pro Zylin.6/26/4
Hubraum1991 cm³3996 cm³
Leistung96 kW/130 PS 6100/min386 kW/525 PS 8500/min
Max. Gesamtdrehmoment bei178 Nm 4200/min465 Nm 6300/min
Getriebe/Antrieb5-Gang-Getriebe/Hinterrad6-Gang-Getriebe/Hinterrad
L/B/H4163/1610/1320 mm4573/1852/1279 mm
Leergewicht1080 kg1380 kg
Bauzeit1963-19642023-2024
Stückzahl821963 (limitert)
Beschleunigung
null auf 100 km/h
9,1 s3,7 s
Höchstgeschwindigkeit210 km/h300 km/h
Verbrauch auf 100 km9,6 l S13,8 l S P
Grundpreis (Jahr)21.900 Mark (1964)292.187 Euro (2024)

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