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Plymouth Superbird: Hubraum-Gigant mit XXL-Spoiler

Dieser Vogel schießt sie alle ab

AUTO ZEITUNG
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Inhalt
  1. Plymouth Superbird: Nichts ist schöner als Flügel
  2. Der Riesen-Spoiler ist kaum zu spüren
  3. Der Superbird ist kein Typ für enge Kurven
  4. Lange Zeit war der Plymouth ein Ladenhüter
  5. Technische Daten des Plymouth Superbird 
  6. Fazit

Der Plymouth Superbird wurde mit einem Gedanken konstruiert: Er soll auf den NASCAR-Ovalkursen dominieren. Das Ergebnis war eines der wildesten straßenzugelassenen Homologationsmodelle aller Zeiten – aber kann dieser seltene Vogel auch auf europäischen Straßen abheben?

Im Automobil-Jargon gibt es wohl nur wenige Wörter, die Petrolheads schneller hellhörig werden lassen als "Homologationsmodell". Bei diesen Autos handelt es sich um Serienfahrzeuge, die mit allerlei ausgefallenen und teuren Teilen ausgestattet wurden, die, selbst wenn sie ungenutzt, nicht angeschlossen oder im Kofferraum des Wagens liegend, die Berechtigung für die Verwendung eines auf diesem Modell basierenden Rennwagens im Motorsport zuließen. Meistens sehen sie kaum anders aus als ihre Basisvarianten; vielleicht ein ausgestellter Radlauf hier, ein tieferer Frontspoiler dort. Nicht so beim Plymouth Superbird von 1970.

Basierend auf dem Plymouth Road Runner sind es 5,61 m pures Motorsport-Theater, entwickelt mit ehemaligen NASA-Ingenieur:innen und dem ausdrücklichen Ziel, den heißesten NASCAR-Fahrer der 70er-Jahre, Richard Petty, zurück zu Chrysler zu locken. Es gelang, aber NASCAR-Sanktionen machten seine aerodynamischen Hilfsmittel nach nur wenigen Jahren obsolet. Als Rennwagen hatte er seine Aufgabe erfüllt, Petty zurückgelockt und ihn 1970 zu 18 Siegen geführt – aber was ist mit dem Superbird? Wird er dem Talladega-Traum gerecht oder bietet er, wie so manches Homologationsmodell, nur einen flüchtigen Einblick in die Welt des ungezügelten Rennsports? Beep beep, Zeit es herauszufinden!
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Der Ferrari SF90 XX Stradale (2023) im Fahrbericht (Video):

 
 

Plymouth Superbird: Nichts ist schöner als Flügel

Nein, es ist tatsächlich nicht der enorme Heckflügel, der zuerst meine Aufmerksamkeit gewinnt. Es ist der riesige vordere Überhang. Der Nasenkonus sorgt bei hoher Geschwindigkeit für 90 kg Abtrieb, trägt zu einem Luftwiderstandsbeiwert von 0,31 cW bei und verlängert die Front um etwa einen halben Meter gegenüber dem Road Runner, auf dem der Superbird basiert. Vorsicht ist also beim Einparken geboten. Andererseits könnte das Heck auch einen Fiat 126 verschlucken, was auch das Rückwärtsfahren erschwert.

Von innen wirkt er jedoch weniger einschüchternd – es sei denn, man lässt sich von dem Gesicht des Cartoon-Road Runners, der aus der Mitte des dünnrandigen Dreispeichenlenkrads hervorschaut, erschrecken. Ein Druck darauf löst das charakteristische "beep beep" des Vogels anstelle einer gewöhnlichen Hupe aus. Das letzte Mal, als ich nachgesehen habe, war ich nicht Wile E. Coyote, also stecke ich den dünnen Schlüssel ins Zündschloss, worauf der Super Commando-V8 des Plymouth Superbird zu blubberndem Leben erwacht. Ich lehne mich in die schmalen, aber bequemen Sitze zurück, stelle den Wählhebel der Automatik auf D und fahre los.

Plymouth Superbird (1970) Seiteansicht fahrend
Foto: Classic Cars/Tom Critchell

Dieser Plymouth Superbird verfügt über den 440 Super Commando Six Barrel V8-Motor, einen von jemals 716 gebauten. Es gab jedoch auch eine Vierfachvergaser-Version desselben Motors sowie einen 7,0-l-426 Hemi V8. Der 426er wurde im Rennsport verwendet und leistete in der Straßenversion 425 PS (313 kW). Er war teuer in der Herstellung und nur 135 Autos wurden damit ausgestattet. Der 394 PS (290 kW) starke Super Commando V8 ist kein Hochdrehzahlmotor – bei 5000 U/min ist Schluss. Jedoch steht ein kräftiges Drehmoment von 665 Nm bei 3200 U/min zur Verfügung. Der Superbird mag aerodynamisch ausgetüftelt sein, sein beträchtliches Gewicht von 1742 kg lässt ihn sich nicht ganz so rasend schnell anfühlen, wie die Papierwerte es vermuten lassen. Dort wo es auf amerikanischen Straße wirklich drauf ankam – zwischen Ampelstopps und auf der Viertelmeile – war ein Road Runner schneller. Der aerodynamische Vorteil des Superbird setzte erst jenseits der 100 km/h ein. Auf den Hochgeschwindigkeits-Ovalen sorgte der Heckflügel für 300 bis 350 kg Abtrieb.

 

Der Riesen-Spoiler ist kaum zu spüren

Auf den Landstraßen mache ich mir eher Sorgen, dass er sich an tief hängenden Ästen verfängt. Ein Dämpfer für den Fahrspaß? Keineswegs! Während ich durch die Landschaft donnere, hat der Superbird bereits mein Herz gewonnen, und das alles wegen des Heckflügels. Der Grund für seine Größe war über die Jahre hinweg Gegenstand zahlloser Debatten. Chrysler selbst hielt die Gründe hinter dem Design jahrzehntelang geheim. In den Neunzigern wurde das Thema endgültig verworren, als ein pensionierter Ingenieur fälschlicherweise sagte, die Höhe sei so gewählt worden, damit der Flügel über den geöffneten Kofferraumdeckel passt. In Wirklichkeit musste der Spoiler so hoch sein, damit er nicht mit der verwirbelten Luft der vorausfahrenden Rennwagen gefüttert wurde, sondern die weiter oben liegenden unverwirbelten Luftströme nutzen konnte.

Plymouth Superbird (1970) Kofferruam
Foto: Classic Cars/Tom Critchell

Hinter dem Lenkrad spürt man die Präsenz des gigantischen Spoilers überhaupt nicht. Bevor ich einstieg, hatte ich mit Verwindungen der Karosse, Knarzen oder ähnlichen Zugeständnisse seiner Anwesenheit gerechnet. Im Gegensatz zu einigen europäischen Rallye-Homologationsmodellen der Achtzigerjahre wurde der Plymouth Superbird mit hoher Sorgfalt konstruiert. Blickt man in den riesigen Kofferraum, sieht man, dass die strukturelle Verstärkung in Form von dicken Verstrebungen bis zum Rahmen reicht und dort gestützt wird. Es wird gesagt, dass man auf dem Flügel sitzen kann, ohne dass er durchbricht, dennoch werde ich darauf verzichten.

Einige Teile des Autos entpuppen sich jedoch eindeutig als Homologationstricks. Die Lufteinlässe an den vorderen Kotflügeln sehen aus, als sollten sie offen sein, führen jedoch vor geschlossenes Blech. Bei den Rennwagen hingegen waren sie funktionstüchtig, um den Druck unter dem Auto zu reduzieren und Luft entweichen zu lassen. Allerdings halten sich Gerüchte, dass die Aussparungen mehr Platz für die Reifen unter den Anpressdrücken der Superspeedways boten.

 

Der Superbird ist kein Typ für enge Kurven

Apropos Druck: So mancher Mensch aus Europa sieht NASCAR-Rennen im Allgemeinen als bloßes gelegentliches Linksabbiegen über viele Stunden an. Es ist eher wie Schachspielen bei 320 km/h. Anstatt instinktiver Überholmanöver auf Straßenkursen spielen sich Positionswechsel über vier bis fünf Runden, vielleicht mehr, ab. Obwohl wir auf den kurvigen Landstraßen sicherlich nicht annähernd diese Geschwindigkeiten erreichen, erfordert das Fahren des Plymouth Superbird Bedacht. Anders als bei manchem Homologationsmodell aus dem Rallyebereich, wird beim Überfahren eines Schlaglochs nicht die Wirbelsäule neu angeordnet. Tatsächlich ist die Federung weich wie ein Kissen. Die Lenkung fühlt sich federleicht an, mit viel Spiel in der Mittelstellung. Auf holprigen Straßen zappelt das Lenkrad wie ein gelangweiltes Kleinkind beim Gottesdienst. Die beste Herangehensweise ist, das Volant etwas lockerer zu halten, es tanzen zu lassen und das Spektakel zu genießen.

Plymouth Superbird (1970) Cockpit
Foto: Classic Cars/Tom Critchell

Mit etwas mehr Lenkeinschlag erweist sich die Reaktion der Vorderachse als überraschend direkt. Die Rückmeldung, was die Reifen tun, lässt er jedoch missen, was den Plymouth Superbird noch weniger zum Rennwagen macht. Während vorne Scheibenbremsen mit Belüftung zum Einsatz kommen, trägt das Heck Trommelbremsen. Die Bremsleistung ist zwar bei den ersten kräftigen Bremsvorgängen noch scharf, lässt bei wiederholt schnellem Verzögern aber spürbar nach. Wenn man das Muscle Car etwas enger durch die Kurven zirkelt, wird klar, dass sie sein Kryptonit sind. Die indirekte Lenkung und die Tendenz, unter Last geradeaus zu fahren, wecken nicht gerade Vertrauen. Doch dieses Vögelchen wegen seiner mangelnden Kurvendynamik zu kritisieren ist so, als würde man McDonald's für das Fehlen eines Michelin-Sterns anprangern. Er ist dafür gemacht, langsam in die Kurve hineinzufahren, sie langsam zu durchgleiten – mit genügend Zeit, wie Richard Petty einem Grid-Girl zuzuwinken – und dann mit voller Kraft hinauszubeschleunigen. 

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Lange Zeit war der Plymouth ein Ladenhüter

Das hohe Gewicht und das zähe Automatikgetriebe sorgen dafür, dass man das Gaspedal wirklich durch den Fahrzeugboden treten müsste, um die Hinterreifen zum Durchdrehen zu bringen. Meistens fühlt sich der Superbird daher gutmütig an, das Potential bissig zu werden, hat er trotzdem. Vielleicht hat gerade diese fehlende Gefahr – bedingt durch das Gewicht und das damit einhergehende Fehlen des Reizes für Straßenrennen am Freitagabend – zu den schlechten Verkaufszahlen in seiner Zeit beigetragen. NASCAR verlangte von Plymouth, für jedes zweite Chrysler-Autohaus einen Plymouth Superbird zu produzieren, sodass Plymouth 1923 Exemplare herstellte – obwohl einige behaupten, dass etwa 800 mehr gebaut worden sein könnten. Ein so extrem aussehendes Muscle Car wäre ohnehin schwer zu verkaufen gewesen, aber das politische Umfeld begann sich generell gegen diese Fahrzeuggattung und den Motorsport zu wenden, was unter anderem zu hohen Versicherungskosten führte.

Plymouth Superbird (1970) Heckansicht fahrend
Foto: Classic Cars/Tom Critchell

Da der Plymouth Superbird nur wenig Leistungszuwachs gegenüber dem Standard-Road Runner bot, hatte der Hersteller wie zu erwarten Schwierigkeiten, ihn in den folgenden Jahren zu verkaufen. Berichten zufolge parkten die Flügelwesen bis weit in die Siebzigerjahre auf den Hinterhöfen der Plymouth-Händler, da ihr auffälliges Design zu viel für das gutbürgerliche Vorstadtleben war. Die Lage wurde so schwierig, dass viele Superbirds ihrer Aero-Zutaten beraubt und als regulärer Road Runner verkauft wurden. 

Die Motorsportabteilung von Plymouth war allerdings nicht allzu besorgt – Petty holte 1970 nach seiner Rückkehr von Ford eine Reihe von Siegen, während sein Teamkollege Pete Hamilton dreimal gewann, darunter das Daytona 500. Dodge gewann letztendlich den Herstellertitel mit seinen Wing Cars, und Bobby Isaac holte den Fahrertitel. Am Ende des Jahres war alles vorbei – NASCAR legte fest, dass Wing Cars zusätzliches Gewicht und einen weniger leistungsstarken Motor verwenden mussten. Obwohl sie 1971 noch Rennen fuhren, lagen sie stets weit hinter der Spitze – die Regeländerungen hatten ihren Vorteil effektiv zunichtegemacht.
Von Nathan Chadwick (übersetzt von Johannes Beck)

 

Technische Daten des Plymouth Superbird 

Classic Cars (UK) 05/2024Plymouth Superbird
Zylinder/Ventile pro Zylin.8/2
Hubraum7212 cm³
Leistung290 kW/394 PS
Max. Gesamtdrehmoment bei651 Nm 3200/min
Getriebe/Antrieb3-Gang-Automatik/Hinterrad
L/B/H5613/1941/1560 mm
Gewicht1742 kg
Bauzeit1970
Stückzahl1923
Beschleunigung
null auf 100 km/h
6,1 s
Höchstgeschwindigkeitca. 240 km/h
Verbrauch auf 100 kmk.A.
Grundpreis (Jahr)4776 US-Dollar (1970)

 
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Unser Fazit

Am Ende kommt all die Aufregung und der Trubel, den geflügelten Wunderwagen fahren zu dürfen, von zwei völlig anderen Begriffen als dem des Homologationsmodells – es ist viel simpler als das. Sie kommt aus der Reaktion auf jeden weit aufgerissenen Blick samt Fingerzeig und das Spiegelbild des Muscle Cars in vorbeirauschenden Fensterflächen, und zwei ganz einfachen Schlüsselwörtern: Plymouth Superbird.

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