4250-km-Reise mit dem E-Auto: Unser Erfahrungsbericht
So verlief unser Trip in die Ägäis mit dem elektrischen Volvo
- Mit dem elektrischen Volvo XC40 Recharge in den Urlaub
- Elektrisch unterwegs auf einer 4250-km-Reise
- Mit Familie dauern die Standzeiten eben länger – sehr zugunsten des Ladevorgangs
- Die Planung ist beinahe alles
- Gute Ladeinfrastruktur trotz des mühsam zu durchquerenden Anbieter-Dschungels
- Fahren ohne Einschränkungen
Seit zwei Jahrzehnten fährt die Familie von Redakteur Riegsinger immer wieder auf Achse nach Griechenland, kilometerfressend und abenteuerlustig. Nur vollelektrisch ging es die über 2000 km hin und zurück noch nie. Bis jetzt ...
Mit dem elektrischen Volvo XC40 Recharge in den Urlaub
Fünf Uhr dreißig an einem Tag Anfang August, der Wecker klingelt. Start zu einem etwas verwegenen Experiment: Kann man mit einem Elektroauto in den Familienurlaub fahren? Und zwar nicht ins Allgäu oder an die Nordsee, sondern weit – richtig weit …? Ich krieche zur Kaffeemaschine, verfolge von dort aus apathisch, wie meine Frau Angelika die Kinder kickstartet: Die drei plus Freundin haben sich bereit erklärt, als Versuchskaninchen eines Experiments mit ungewissem Ausgang zu dienen. Emma-Luna (20) möchte sogar als Ersatzfahrerin eingreifen ("Falls du mal müde wirst, Papi"), Ezra (17) und seine Freundin Lea machen es sich im Fond des "Safety Car" gemütlich, einem mächtigen Volvo XC90 T8 Plug-in-Hybrid. Auch Lovis (11) wechselt mit Schmusekissen ausgestattet aus dem Bett ins Auto, erklärt sich reisebereit – und schläft einfach weiter.
Angelika beansprucht den Volvo XC40 Recharge für sich, den Testkandidaten. Eigentlich hätte sie das Begleitfahrzeug steuern sollen, aber dazu hat sie beim Anblick des dicken Volvo XC90, der auch noch ganz praxisnah ein Anhängerkupplungszelt huckepack trägt, spontan keine Lust mehr. Der kompakte XC40 ist ihr Ding: "Fahr du vorneweg, ich klemme mich mit Emma dahinter. Große-Mädels-Zeit. Wir sehen uns beim ersten Stopp!"
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Leslie & Cars zeigt den Volvo XC90 (2024) im Video:
Elektrisch unterwegs auf einer 4250-km-Reise
Während der ersten Autobahnkilometer hinter Pforzheim telefonieren wir fleißig hin und her. Erst als Angelika weiß, wie man im Volvo XC40 Recharge den Tempomaten samt Abstandsradar einschaltet und aus dem "nervigen" One-Pedal-Modus (Gaswegnehmen bedeutet Bremsen durch Energie-Rückgewinnung) in den "viel entspannteren" Segel-Modus wechselt, wird es ruhig. Laufenlassen an Stuttgart vorbei, die Schwäbische Alb hoch und bei Ulm zum ersten Mal über die Donau: "Die sehen wir jetzt immer wieder, bis Belgrad", gebe ich reiseleitend bekannt, höre aber nur ein leises Schnarchen vom Rücksitz.
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Hinter Augsburg sind dann alle wach und fordern einen Kaffee. Jetzt! Dass wir gerade einmal 209 km weit gekommen sind und der XC40 noch 44 Prozent im Akku hat, stört keinen. Achselzuckend hänge ich den kleinen blauen Volvo an den Schnelllader in der Nachbarschaft eines Schnellrestaurants und kann auf der Stelle beobachten, was mich überhaupt an die Machbarkeit dieser Reise hat glauben lassen: Familien lassen es gemütlich angehen. Irgendwer muss immer aufs Klo, hat Hunger und/oder Durst, und es dauert gefühlt ewig, bis alle wieder am Auto sind.
Bereits hier beim ersten Stopp beginne ich also taktisch nach etwas über 15 min Ladedauer die Reisegesellschaft auf eine Weiterfahrt einzuschwören, da der Volvo nun bereits bei rund 70 Prozent SoC steht, der nächstgeplante Schnelllader somit problemlos erreichbar ist und ich aus Erfahrung weiß, wie lange es dauert, den Familien-Clan mental und physisch für eine Weiterfahrt vorzubereiten. Mehr als 80 Prozent laden bringt nichts, weil dann die Ladegeschwindigkeit überproportional sinkt? Erklären Sie das mal Ihrer Familie …
Mit Familie dauern die Standzeiten eben länger – sehr zugunsten des Ladevorgangs
Faktisch verlassen wir den ersten Stopp nach stattlichen 39 min mit über 90 Prozent SoC, und alles wundert sich, dass "das Elektroauto so schnell voll" ist. Was wir daraus lernen? Die vom Verbrenner in Jahrzehnten gelernte Praxis "vollen Tank leerfahren" ist beim Elektroauto sinnlos. Riesen-Akkus? Reichweiten-Rekorde? Alles Quatsch. Eigentlich bedient die Autoindustrie da nur auf Verbrenner geeichte Psychologien, teuer und praxisfern. Ein praxisgerechtes Elektroauto braucht höchstens eine Reichweite, die höher ist als die durchschnittliche Sitzfleisch-Haltbarkeit – und muss an den Stopps möglichst schnell laden. Wozu natürlich eine entsprechend dichte Infrastruktur gehört.
Und eine pfiffige Ladeplanung, die die Bedürfnisse der an Bord befindlichen Personen klug antizipiert sowie möglichst passgenau über die verfügbaren Ladepunkte legt. Bereits 15 min Beine vertreten oder im Kofferraum nach dem warmen Pulli kramen sorgt für gewaltig Akku-Prozente im Volvo XC40 Recharge, wenn man es denn schafft, den Stopp präzise an einem Schnelllader hinzulegen. Das klappt in der Praxis nicht immer, wie die nächsten paar hundert Kilometer über München und Linz bis Wien zeigen, aber mein Team ist lernfähig. Es beginnt, in Lader-Entfernungen zu denken und hungert oder klemmt auch mal ein paar Minuten länger, wenn man so noch gut den nächsten Ladepark erreicht.
Nützliches Zubehör rund ums Elektroauto:
Bei Györ reicht es uns trotzdem: Bis in den Pool des Etappenhotels bei Budapest sind es noch knapp 150 km, und der Volvo XC40 Recharge bettelt nach einer 375-km-Etappe um eine Ladung. Mist. Diese letzte Warterei hätte ich uns nach rund 800 km gern erspart. Ich schicke die Familie also entschlossen im XC90 voraus und verkable den XC40 schicksalsergeben bei Ács. Als der Volvo nach einer halben Stunde 77 Prozent hat, ruft eine Gattin im Reichweitenfieber an: "Du kannst sofort kommen, das Hotel hat Ladepunkte, kostenlos!"
Apropos: Angelikas gelassener Fahrstil und die am Hotel über Nacht vollgeladene Plug-in-Hybrid-Batterie sorgen bis zum nächsten Tankstopp in Serbien für einen sensationell günstigen XC90-Verbrauch von 7,6 l/100 km – so wenig wird der Dicke auf den restlichen Kilometern nie wieder schaffen.
Die Planung ist beinahe alles
Mit vollen Akkus starten wir in den nächsten Tag. Das dichte Netz der DACH-Ladenetzwerke ist uns über Nacht ausgegangen, ab jetzt fahren wir im Christoph-Columbus-Modus: entschlossen ins gefühlte Ladenetzwerk-Nichts der langen, heißen Etappen in der pannonischen Tiefebene vorstoßen. Durch Ungarn, dann wegen eines Mammut-Staus an der Hauptgrenze über einen kleinen Umweg auf buckligen Puszta-Landstraßen rüber nach Serbien. Gespannt halte ich die Ladeanzeige im Blick, es fühlt sich sonderbar an, in einer Gegend unterwegs zu sein, in der die "Chargemap"-App nur ein paar versprengte 22-kW-Lader anzeigt. Wenn dir hier der Saft ausgeht, stehst du stundenlang, bis es weitergeht.
Drüben in Serbien zieht das Volvo-Duo bei rund 35 °C Außentemperatur seine Bahn, schnurgerade und stetig auf dem Autoput nach Süden, die Klimaanlagen laufen auf Hochtouren. Sparmodus geht anders. Bei Bačka Topola rollen wir an eine Tankstelle, hoffen auf den im Internet angezeigten Lader – und haben Glück: Der Lader ist frei und aktiv, er lässt sich nach einem QR-Code-Scan und eingegebenen Kreditkarten-Daten problemlos starten und prügelt sofort stattliche kWh-Werte in die nicht gerade unterkühlte Batterie des Volvo XC40 Recharge.
Gute Ladeinfrastruktur trotz des mühsam zu durchquerenden Anbieter-Dschungels
Genauso geht es übrigens weiter: Da wir nicht an einer bekannten Route entlang unterwegs sind, ist jeder Lader eine Entdeckung. Vorhanden? Aktiv? Nicht zugeparkt oder belegt? Per Kreditkarte oder App anzusprechen? Und sie sind es. Alle! Egal wo wir stoppen, es bleibt uns jedwede Ladehemmung erspart – am Ende der Reise werde ich übrigens die Smartphone-Apps von sechs verschiedenen Energie-Netzwerkbetreibern installiert haben, die glücklicherweise zuverlässig Rechnungen per E-Mail verschicken. Laden wie bisher einfach tanken und mit Karte oder Bargeld zahlen wäre zwar schöner, aber bis der intransparente App-Unfug samt versteckter Kosten wie Strafgebühren bei Standzeit-Überschreitungen oder Abrechnung nach Ladedauer statt kWh-Menge den Energie-Netzwerkbetreibern per Gesetz verboten wird, kann man sich arrangieren.
Wirklich Leerfahren tun wir den Volvo XC40 Recharge auch auf den weiteren Etappen nicht, mit weniger als 24 Prozent stecken wir nie an einem Lader ein. Sicher ist sicher. Die Chance, mit der ganzen Familie und einer völlig leeren Batterie an einem defekten Lader im Nirgendwo zu stranden, ist mir zu heiß. Und wie gesagt: Bei sechs Reisenden ist immer irgendwer früher reif für einen Pitstop als die Batterie des Volvo. Im Schnitt fahren wir zwischen den Ladungen rund 200 km, die theoretisch machbare WLTP-Reichweite von 575 km hat uns nie interessiert. Unser negativstes Erlebnis? Das mühsame Reinfahren über hektische Außenbezirks-Sträßchen nach Sofia, weil dort auf dem Hof einer Autoreinigung ein Schnelllader steht. Und zurück auf der Autobahn an einer Shell-Station dann feststellen, dass diese sechs nagelneue, nicht auf Chargemap vermerkte HPC-Lader hat … Das Wissen um diesen möglichen Ladestopp hätte uns über eine Stunde Umweg erspart.
Unser bestes Erlebnis? Von einem Mercedes GLC mit kernigem Überschusstempo überholt werden (Topspeed in Serbien: 130 km/h, der Tempomat des XC40 steht auf 135 km/h), der dann 200 km später wieder von hinten kommt und zusammen mit uns auf den Hof einer Tankstelle biegt, in deren Hinterhof wir einen Lader anfahren. Und weil an jeder Zapfsäule eine Autoschlange steht, alle nicht nur tanken wollen, sondern auch einen Kaffee bezahlen, den Toilettenschlüssel verlangen und den Kindern ein Eis aus der Gefriertruhe holen, braucht Herr GLC exakt so lange zum Tanken wie wir zum Laden: 17 min für einen Sprung von 26 auf 63 Prozent.
Fahren ohne Einschränkungen
Am dritten Tag segeln wir unbekümmert durch die wilden Berge Nordgriechenlands. Dass wir rechtzeitig die letzte Fähre zur Insel erwischen müssen und ich entsprechend auf die Tube drücke, sorgt im XC90 für einen Verbrauchshöchststand: 16,86 l/100 km. Leider hatte das Hotel in Niš aber auch nur einen Ladepunkt, der logischerweise an den Volvo XC40 Recharge ging, weshalb der große Volvo XC90 nun seit der Übernachtung mit leerem Akku unterwegs ist. Interessant ist, dass der XC40 mit seinen 19,48 kWh Durchschnittsverbrauch kaum eine Reaktion zeigt, einen ähnlichen Wert hat er auch an den beiden anderen Tagen hingelegt. Zwar nicht gerade ein Sparwunder-Verbrauch, gemessen an der Beladung, der Außentemperaturen und der Meidung jeglicher Schonmaßnahmen aber recht ordentlich. Wir sind genauso gefahren wie in den Jahren zuvor mit dem Verbrenner. Zielstrebig und komfortabel.
Zwei Wochen haben wir jetzt Zeit, dann geht es zurück nach Hause – den ganzen, langen Weg. Und während ich vor der Reise tatsächlich das eine oder andere Mal Symptome von Reichweitenangst hatte, döse ich nun entspannt in meiner Hängematte am Meer. Wir werden einfach nach Hause fahren. Genau wie immer.