Porsche 911 GT3 RS: So schlägt er sich beim Tracktest
Perfekte Runde im 911 GT3 RS
Es ist wie immer bei Porsche: Der aktuelle 911 GT3 RS ist wieder der beste Porsche aller Zeiten. Das beweist der RS im Tracktest am Nürburgring eindrucksvoll – bis Zuffenhausen den nächsten entwickelt.
Manche Dinge beweisen, dass man nicht ausschließlich ins Lehrbuch gucken muss, um erfolgreich zu sein. Das gilt zumindest für den Porsche 911 seit seinem Debüt. Der Porsche 911 GT3 RS im Tracktest ist die höchste Evolutionsstufe einer Notlösung, die als VW Käfer ihren Ursprung hatte. Porsche veredelte die Idee zum 356, überführte sie dann zum 911 und erschuf eine Sportwagenlegende. Einen Sportwagen mit Heckmotor, der damals mit seiner leichten Front und dem im Heck lastenden Sechszylinder-Boxer nach einer fachkundigen Hand im Grenzbereich verlangte und dennoch die nach den Regeln des Sportwagen-Konstruktionslehre entwickelten Mittelmotorsportler das Fürchten lehrte. Er ist der Sportwagen, den es eigentlich nicht mehr geben dürfte.
Kein Sportwagenhersteller würde, wenn er einen neuen Sportwagen auf einem weißen Stück Papier skizzieren sollte, dieses Konzept heute ernsthaft kopieren wollen. Porsche bleibt ihm indes treu und hat es in Form des neuen 911 GT3 RS abermals perfektioniert. Der RS folgt hochkonzentriert ausschließlich dem einen Ziel: Maximale Performance ohne Kompromisse. Ihn lediglich als Supersportler mit Rennsport-Ambitionen zu bezeichnen, wäre grob fahrlässig. Er ist ein Rennwagen für die Rennstrecke, der sogar alle Zulassungshürden überwunden hat und daher auch im öffentlichen Straßenverkehr bewegt werden darf. Er kommt also auf eigener Achse zum Tracktest an den Nürburgring, damit wir ausloten können, ob das Potenzial des Heckmotorprinzips wirklich unerschöpflich ist.
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Der Porsche 718 RS Spyder (2023) im Fahrbericht (Video):
Porsche 911 GT3 RS im Tracktest
Porsche GT3 und auch der von Manthey optimierte GT3 MR haben hier oben in der Eifel auf dem Grand Prix-Kurs bereits vorgelegt. Ihre Rundenzeiten: 1:32,5 min für den potenten Werkswagen und 1:32,7 min für das Manthey-Kunstwerk, das nicht ganz so energisch anschob und schwierigere Bedingungen hatte. Diese Zeiten zu unterbieten, dürfte für den RS, mit gerade einmal zehn PS (7 kW) mehr, nicht leicht werden. Das dachten wir zumindest. Dann sind wir mit angefahrenen Reifen zum Einfahren auf die Strecke gegangen: 1:30,8 min! Bestzeit die erste – in der ersten zügig gefahrenen Runde!
Der RS ist offensichtlich perfekt für den Ring konditioniert. Im Gegensatz zum Manthey (0 – 200 km/h in 11,4 s), der auf den Werks-GT3 (10,4 s) eine Sekunde beim Sprint auf Tempo 200 einbüßte, ist der RS nochmal ein Zehntel schneller (10,3 s). Eine von 4,19 auf 4,27 verkürzte Hinterachsübersetzung ist da sicher hilfreich. Aber es ist nicht die Kraft hinaus auf die Gerade, die den GT3 RS unfassbar schnell macht. Es ist der atemberaubende Speed durch die Radien, die ihn zum Ausnahme-Athleten adeln.
Mehr als doppelt so viel Anpressdruck im Vergleich zum Vorgänger
Man sieht dem neuen Porsche 911 GT3 RS sein Potenzial auf den ersten Blick an: Der samt Unterbau komplett aus Carbon gefertigte, aktive Heckflügel, der die Karosserie überragt, ist das Symbol dafür. Die seitlichen Einzüge hinter den Vorderrädern, die neue, ebenfalls aus Karbon gefertigte Türen notwendig machten, sowie die Front mit dem großen Einzelkühler und den dadurch bedingten großen Abzügen sorgen im Zusammenspiel mit den nicht sichtbaren Finnen am Unterboden und den im Prinzip vom 918 stammenden neuen Aero-Querlenkern an der Vorderachse für einen Anpressdruck von 860 kg bei Tempo 285! Der Vorgänger generierte bei gleichem Tempo lediglich 405 kg, die der neue GT3 RS schon bei 200 km/h erreicht. Durch die intensive Durchströmung der Radhäuser sorgen allein schon die in Tropfenprofilen ausgeführten Querlenker an der Vorderachse für 40 kg Downforce.
Die Querlenker wurden nicht nur aerodynamisch perfektioniert, auch ihre Anlenkpunkte hat Porsche für ein besseres Feedback und eine optimalere Bremsabstützung optimiert. Das Nickverhalten bei voller Verzögerung wurde um über die Hälfte auf sechs Millimeter reduziert. Die aktive Aerodynamik öffnet den Heckflügel bei Volllast, während die Airbrake die Flügel in der Front und am Heck aktiviert, die für eine perfekte Unterstützung der Bremsanlage maximal angestellt werden. Das zeigt Wirkung: Bestwert Nummer 2! Der RS verzögert mit warmen System aus 100 km/h in nur 27,7 m in den Stillstand – energischer ankerte noch kein Supersportler im Tracktest. Noch beeindruckender ist, wie konstant das System diese Bremsleistung Runde um Runde abruft.
Die Zeit des Porsche 911 GT3 RS auf dem Nürburgring-GP
Jetzt wissen wir, womit wir es beim RS zu tun haben. Wir haben das Gefühl für Strecke und Auto aufgebaut. Die frischen Michelin Pilot Sport Cup2 hängen vorgewärmt in ihren Heizdecken am Auto. Die Strecke ist frei. Wir ziehen die Decken ab, lassen den RS von den Wagenhebern und rollen los. Die vier Drehregler am Lenkrad, die Zug- und Druckstufe der Dämpfer unabhängig an Vorder- und Hinterachse justieren, sowie die Traktions- und Stabilitätskontrolle, die auf den individuellen Fahrstil abgestimmt werden können, bleiben in ihrem Grund-Setup. Der 911 sticht in die Kehre vor Start-Ziel. Der frei saugende Sechszylinder wütet im Heck und treibt seine Kurbelwelle auf 9000 Touren. 525 PS (386 kW) fühlen sich hier wie mindestens 650 PS (478 kW) an – Porsche eben. Erster Einlenkpunkt: Unfassbar, wie spät man in die Bremse steigen kann.
Unglaublich ist die Art und Weise, wie der Porsche 911 GT3 RS die Geschwindigkeit perfekt auf die optimale Einlenkgeschwindigkeit reduziert. Unfassbar, wie direkt, präzise und mit wie viel reichhaltigem Feedback der RS den Kursvorgaben folgt. Keine Information geht verloren – als würde man selbst mit den Händen über den Asphalt streichen. Intensiver kann man einfach nicht mit der Technik kommunizieren. Die Traktion an der Hinterachse ist schlicht atemberaubend. Und das Vertrauen in die elektronischen Stabilitätssysteme sucht im Grenzbereich seinesgleichen. Die Aerodynamik entfaltet dazu in den schnellen Passagen ihre Wirkung. Noch nie schnalzte ein Fahrzeug so schnell und unaufgeregt durch die Veedol-Schikane wie dieser Porsche. Die letzte Kehre durchmisst der RS, als würde er auf Schienen fahren. Noch einmal den Boxer an die 9000 Touren treiben – und die Datenaufzeichnung stoppt die Runde bei 1:29,9 min! Eine Fabelzeit.
Nur der 800 PS (588 kW) starke McLaren Senna mit 1:28,4 min und der Mercedes-AMG GT Black Series, der mit seinen 730 PS (537 kW) die Runde in 1:28,7 min meisterte, haben bisher die 1:30er-Marke geknackt. Keiner von ihnen lässt sich aber so selbstverständlich ans Limit führen und baut dabei so viel Vertrauen auf wie der GT3 RS. Vielleicht ist der er der beste 911 aller Zeiten, vielleicht sogar der beste Sportwagen aller Zeiten – bis, ja bis Porsche die nächste Evolutionsstufe des anscheinend unerschöpflichen Heckmotorkonzepts in die Boxengasse schiebt.
Technische Daten des Porsche 911 GT3 RS
AUTO ZEITUNG 02/2024 | Porsche 911 GT3 RS |
Technik | |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | B6-Zylinder/4-Ventiler |
Hubraum | 3996 cm3 |
Leistung | 386 kW/525 PS |
Max. Drehmoment | 465 Nm |
Getriebe/Antrieb | 7-Gang-Doppelkupplung; Hinterradantrieb |
Messwerte | |
Leergewicht | 1470 kg |
Beschleunigung 0-100 km/h (Test) | 3,2 s |
Höchstgeschwindigkeit (Werk) | 296 km/h |
Bremsweg aus 100 km/h kalt/warm (Test) | 28,8/27,7 m |
CO2-Ausstoß (Test/WLTP) | 305 g/km |
Preise | |
Grundpreis | 248.157 € |
Der Porsche 911 GT3 RS offenbart sich beim Tracktest auf atemberaubende Art und Weise als Lehrstück in Sachen Dynamik und Beherrschbarkeit. Vielleicht müssen die Lehrbücher des Automobilbaus umgeschrieben werden, weil das Heckmotorprinzip hier eben doch das Maß der Dinge ist.