Der BMW M2 ist deutlich durchtrainierter als sein Vorgänger – und beweist im Tracktest eindrucksvoll, wie ernst es das Coupé im Grenzbereich meint.
Es gibt heutzutage viele Sportwagenrezepte. Am besten schmecken aber immer noch die klassischen Kreationen. Leistung und Gewicht müssen dabei im guten Verhältnis stehen: lieber weniger Masse statt zu viel Power. Der Motor sollte tief und weit hinten eingebaut sein – zumindest bei einem Frontmotorkonzept. Hinterradantrieb versteht sich dabei natürlich von selbst, am besten mit einem fein arbeitenden Sperrdifferenzial, damit sich die Vorderachse hoch konzentriert und ohne störende Krafteinflüsse ihrer Richtungsarbeit widmen kann. Ja, und die Karosse sollte extrem steif sein – sie ist die Basis für eine feinnervige und stabile Fahrwerksanbindung- sowie abstimmung. Viele Sportwagen, die nach diesem Rezept zubereitet sind, finden sich leider nicht mehr. Die meisten sind fettleibig geworden, benötigen einen Allradantrieb, um überhaupt noch ihre überschäumende Kraft auf die Strecke zu bekommen und sind meist schon nach einer schnellen Runde fix und fertig. Aber es gibt Ausnahmen: Eine ist das neue BMW M2 Coupé. Es ist so etwas wie ein kleiner Tourenwagen mit Straßenzulassung. Deshalb auch ein Tracktest.
Einer, bei der die Funktion im Fokus stand. Das belegt schon das Design. Es ist der Gegenvorschlag zum viel diskutierten M3- und M4-Look. Die Luftöffnungen müssen groß sein, dann macht man sie einfach so groß es geht. Die Niere fällt kaum auf, aber sie erfüllt ihren Zweck und ist dennoch durch und durch BMW. Die ausgestellten Radkästen sind keine Effekthascherei, sondern unverzichtbar, weil der BMW M2 auf die Fahrwerkstechnik des M4 zurückgreift – und die braucht Platz. Die vordere Spur misst nun 1617 statt der 1581 mm, und auch hinten sind es fast vier Zentimeter mehr im Vergleich zum 240i Coupé. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
Der BMW XM (2022) im Fahrbericht (Video):
Der BMW M2 im Tracktest
Apropos 240i: Wenn man ihn kennt, fragt man sich schon, wie der M2 mit 460 PS und 550 Nm überhaupt kontrollierbar bleiben soll. Schließlich ist schon beim 374-PS-2er die Hinterachse nur selten in der Spur zu halten. Also steigen wir mit den Erfahrungen des M240i in das BMW M2 Coupé. Und das stellt auf dem Nürburgring-GP-Kurs alle Erfahrungen sofort auf den Kopf. Das bullige Coupé baut über die zehnfach einstellbare Traktionskontrolle des aktiven Sperrdifferenzials an der Hinterachse eine phänomenale mechanische Traktion auf. Damit und mit den warmen Michelin-Pilot-Sport-Cup-2-Gummis samt unwiderstehlich breitem, verbindlich kommuniziertem Grenzbereich lässt sich die Power spielerisch kontrollieren.
Der BMW M2 meint es ernst. Reifendruck und -temperatur passen beim Herausbeschleunigen auf die Start-Ziel-Gerade für die schnelle Runde beim Tracktest. Das DSC ist deaktiviert, die Traktionskontrolle für viel Dynamik auf Stufe vier eingestellt. Fahrwerk und Antrieb arbeiten im Sport+-Modus, Lenkung und Bremse im Sport-Trimm. Der Sechszylinder schiebt den M2 mit vollem Punch auf die Gerade, die Drehzahl schnalzt auf über 6500 /min. Kaum ein Motor bringt Drehmomentwucht und Drehfreude so emotional zusammen wie der des M2. Am Ende der langen Geraden dokumentiert die Datenaufzeichnung 228 km/h. Anbremsen der ersten Kehre. Jetzt muss sich das Coupé beweisen.
M2 nimmt viel Speed mit in die Kurven
Die Bremse mit Stahlscheiben und Sechskolben-Festsätteln, die den hydraulischen Druck über elektrische Aktuatoren auslöst, packt mit klarem und festem Druckpunkt äußerst präzise zu – auch über mehrere Runden. Unwiderstehlich locker lenkt der BMW M2 beim Tracktest ein, arbeitet sich an jeden Scheitelpunkt millimetergenau heran und hat immer noch Spielraum für kleine Korrekturen der Linie. Er nimmt viel Speed mit in die Radien und lässt sich dank der intensiven Kommunikation seiner Hinterachse früh und mit viel Zug aus der Kurve führen. Dort, wo es hilft, kann man etwas millimetergenau abgestimmtes Übersteuern als Lenkunterstützung problemlos einbauen – als wäre es das Einfachste der Welt.
Der BMW M2 macht einen sehr konzentrierten Eindruck. Sämtliche Informationen, die Antrieb und Fahrwerk preisgeben, vermittelt er ohne Verzögerung. Er versteht die Wünsche seines Piloten und verzeiht kleine Fehler ausgesprochen gelassen. Keine Spur von Hektik, aber auch keine Spur von zu viel Sicherheit. Das kompakte Coupé aus Süddeutschland ordnet alles der Performance unter und erzeugt ein tiefes Vertrauen in seine Fähigkeiten. Die Sitzposition ist ein Teil der Performance. Man sitzt in den wohl derzeit besten Schalensitzen (optional) für Straßenfahrzeuge, die einen tief ins Fahrzeug integrieren und innigen Halt aufbauen.
Die Zeit auf dem Nürburgring-GP
Lenkrad, Pedale und Sitz erzeugen die perfekte Ergonomie für eine ruhige und präzise Fahrzeugkontrolle. Der BMW M2 saugt sich im Tracktest mit viel Zug durch die Kurzanbindung des Grand-Prix-Kurses, baut den Kurb im folgenden Knick – ohne Unruhe auszulösen – in die Linie ein und schwingt sich mit hohem Speed durch die Bilstein Kurve hinab, um sich stabil mit 212 km/h durch den Advan-Bogen zu pressen – nur ein km/h langsamer als der von uns hier gefahrene M4 CSL. Der hatte beim harten Anbremsen der folgenden Veedol-Shikane allerdings fast 240 km/h drauf, während der M2 mit "nur" 226 km/h heranprescht. Der schnelle Links-Rechts-Knick und das kurze Beschleunigungsstück hinauf zur letzten Kurve müssen flüssig bleiben, um keine Nervosität ins System zu bringen.
Im M4 CSL war das eine Herausforderung, im BMW M2 Coupé ist es die pure Freude. Was dazu führt, dass die Datenaufzeichnung beim kleinen M – noch ohne Competition oder CS-Zusatz – am finalen Anbremspunkt wie der M4 CSL 151 km/h vermeldet und die Zufahrt auf die Start-Ziel-Gerade mit identischem Speed meistert. Die Uhr bleibt für das M2 Coupé bei 1:38,02 min stehen. Respekt: Ein Audi RS 4 Avant war mit 1:40.4 min deutlich langsamer. Auch der M3 Competition Touring war hier nur 0,2 Sekunden schneller unterwegs. Und die 3,1 s zum M4 CSL relativieren sich beim Blick auf die 90 PS mehr Leistung und den Umstand, dass der CSL auf Cup-2R-Gummis stand.
Technische Daten des BMW M2
AUTO ZEITUNG 16/2023 | BMW M2 |
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Technik | |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | 6/4; Biturbo |
Hubraum | 2993 cm³ |
Leistung | 338 kW/460 PS bei 6250 /min |
Max. Drehmoment | 550 Nm bei 2650-5870 /min |
Getriebe/Antrieb | 8-Gang; Automatik; Hinterrad |
Messwerte | |
Leergewicht (Werk/Test) | 1718/437 kg |
Beschleunigung 0-100 km/h (Test) | 3,9 s |
Höchstgeschwindigkeit (Werk) | 250 (285) km/h |
Bremsweg aus 100 km/h kalt/warm (Test) | 34,5/32,0 m |
Verbrauch auf 100 km (Test/WLTP) | 10,1/9,6 l SP |
CO2-Ausstoß (Test/WLTP) | 218 g/km |
Preise | |
Grundpreis | 72.800 € |
Das klassische Sportwagen-Rezept geht beim BMW M2 Coupé immer noch auf. Seine Fahrfreude und die Fahrstabilität begeistern. Dass das kleine Coupé der M GmbH mit 72.800 Euro im Vergleich zu einem Porsche 718 Cayman GTS 4.0 für 90.958 Euro auch noch ein Schnäppchen ist, macht es noch unwiderstehlicher.