Ferrari pfropft einen 830-PS-Hybrid in eine kompakte Berlinetta, um maximalen Fahrspaß zu generieren. Übertrieben oder überragend? Im Test probieren wir den Ferrari 296 GTB gründlich aus!
Positiv | Ekstatisches Fahrvergnügen, elektrisierender Hybrid-V6, extreme Dynamik |
Negativ | Enorme Kosten und eingeschränkter Reisekomfort, eher nicht alltagstauglich |
Natürlich ist jeder Ferrari schnell. Aber der 296 GTB verspricht ein ganz besonders extremes Geschoss zu sein: 830 PS, 900 Newtonmeter, Heckantrieb. Klingt irrwitzig, ist es auch. Laut Werksangaben soll uns die Flunder in nur 2,9 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h katapultieren. Das wollen wir sehen! Also ab aufs Testgelände, Manettino auf Race, e-Manettino auf Qualifying, Getriebe auf manuell und die Launch Control aktivieren. Jetzt einen Fuß auf die Bremse, einen aufs Gas. Die Drehzahl pegelt sich bei rund 3000 Touren ein, linken Fuß wegnehmen – und los geht's!
Es quiekt kurz, die 305er-Hinterräder versuchen, den enormen Punch des Hybrid-Systems auf die Straße zu bringen. Traktionskontrolle und eDiff geben alles, während die digitale Drehzahlmessernadel übers Display huscht. Nächster Gang. Kurz leuchtet die 100 im Tacho. Zack, nächster Gang, und kurz darauf schon wieder der nächste – der Tacho des Ferrari 296 GTB zeigt bereits über 200 an – nächster Gang. Wer glaubt, die Kraft würde allmählich nachlassen, täuscht sich. Der Schub wird eher intensiver. Denn erst ab dem vierten Gang entfesselt der Hybrid tatsächlich seine volle, unbegrenzte Power. Das Spektakel nimmt einfach kein Ende, der Druck wird nicht geringer. Mit knapp über 300 rasen wir beim Test auf das Ende der Messgeraden zu. Besser wir bremsen. Jetzt! Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
Der Ferrari 296 GTB im Fahrbericht (Video):
Der Ferrari 296 GTB im Test
Zurück in der Box checken wir die Daten: null auf 100 in 2,8 Sekunden. 200 km/h erreicht der Ferrari 296 GTB in 7,4 Sekunden, 300 nach 18,6 Sekunden. Wow. "Das geht noch besser", meint Damiano vom bereitstehenden Ferrari-Team und rollt einen Satz Cup-Reifen in die Halle. Na, gut – versuchen wir es. Noch einmal das gleiche Spiel: Die Launch Control braucht ein, zwei Probestarts, um das exakte Gripniveau der Piste zu ermitteln, dann schießt der GTB im Test sogar in unfassbaren 2,7 Sekunden von null auf 100, knackt die 200er-Marke in 7,1 und stürmt in 17,9 Sekunden auf 300. Durchatmen! Auch die übrigen Messungen resultieren in absoluten Fabelwerten: Mit den Standardreifen (Michelin Pilot Sport 4S K1) ankert der Ferrari bei einem Notstopp aus 100 km/h mit kalten Bremsen in 33,4 Meter. Sind die Karbon-Keramik-Stopper auf Temperatur, verkürzt sich die Distanz auf durchschnittlich 31,6 Meter. Auf den noch griffigeren Cup-Reifen (Michelin Pilot Sport Cup 2 R K2) steht der GTB sogar in nur 32,7 Meter (kalt) und benötigt mit warmen Bremsen im Mittel bloß 30,3, im Optimalfall sogar lediglich 29,7 Meter.
Die Slalom-Gasse durcheilt der Ferrari 296 GTB mit spielerischer Leichtigkeit und maximaler Lenkpräzision. Durchschnittstempo: 73,1 km/h, auf Cup-Reifen sogar 75,3 km/h. Zum Vergleich: Der Ferrari 488 Pista absolvierte den Test seinerzeit mit 72,7 km/h, ein McLaren Senna bringt es auf 74,7 km/h, und der aktuelle Porsche 911 GT3 streckt bei 74,6 km/h die Waffen – allesamt ebenfalls auf Semislick-Bereifung. Jedoch ist der Grat, auf dem der 296 um die Hütchen balanciert, schmal. Ein Hauch zu viel, und das Heck drängt seitwärts. Das sieht cool aus, macht riesig Laune – aber die Bestzeit ist futsch. Es braucht im Test Fingerspitzen-Gefühl, um wirklich das Optimum herauszukitzeln. Und auch wer mit hohem Tempo über die Autobahn fegt, sollte mit voller Konzentration bei der Sache sein. Und das nicht nur, weil die Spitze jenseits von 330 km/h liegt.
Unglaublich leichtfüßiges Handling
Denn trotz ausgebuffter Aerodynamik und der Masse von 1644 Kilogramm ist der Ferrari 296 GTB in erster Linie eines: unglaublich leichtfüßig. Das verschafft ihm ein geradezu spielerisches Handling und eine beinahe schon absurde Agilität, doch spätestens bei über 300 km/h sehnt man sich eher nach Stabilität und Ruhe. Aber der Ferrari folgt unbeirrt seiner Mission und setzt jede auch nur gedachte Richtungsänderung noch spontaner um, als er aufs Gas reagiert. Bei knapp 100 Meter pro Sekunde ist das sicher nicht jedermanns Sache, zumal auch Spurrinnen und Seitenwind an den Nerven zerren – ganz abgesehen von den übrigen Verkehrsteilnehmenden, die bei diesem Speed alle lediglich mit Standgas zu rollen scheinen.
Doch für stumpfes Tempobolzen ist der Ferrari 296 GTB ohnehin zu schade. Vielmehr wollte sein Entwicklungsteam neue Maßstäbe bei Handlichkeit und Fahrspaß setzen. Also weg von der Autobahn und ab auf die technisch anspruchsvollen Landsträßchen der Eifel. Sofort wendet sich das Blatt, und die Nervosität schlägt um in puren Enthusiasmus. Es wirkt im Test fast so, als sei es gänzlich gleichgültig, wie schnell und scharf man einlenkt – der GTB biegt einfach ab. Untersteuern ist ihm nahezu völlig fremd, Übersteuern ginge jederzeit, sofern man nur mutig genug aufs Gaspedal drückt. Denn wie schon auf dem Testgelände ermöglicht das Zusammenspiel aus griffigem Gummi, perfekt ausbalanciertem Fahrwerks-Setting und diversen Assistenzsystemen ein sensationelles Gripniveau und aberwitzige Kurventempi. Wer dennoch mutwillig ins Übersteuern wechselt, sollte genau wissen, was er tut: Alles in diesem Auto geschieht rasend schnell – auch Fahrfehler. Wer indes die Regelsysteme aktiviert lässt, ruft selbst mit wenig fahrerischem Einsatz fast das volle Potenzial ab, beamt sich wie mit Warp-Speed von Kurve zu Kurve und erlebt ein wahrhaft ekstatisches Fahrvergnügen.
Sound- und PS gewaltig, dank Hybrid geringer Verbrauch
Nicht zuletzt, weil der Hybrid-Antrieb nicht einfach nur mit überbordender Power glänzt, sondern auch, weil der 120 Grad weit gespreizte V6 einen so furiosen Sound entfacht, wie man es bislang höchstens einem Zwölfzylinder aus Maranello zugetraut hätte – Wastegate-Zwitschern inklusive. Hinzu kommen der unmittelbare und druckvolle Antritt dank E-Boost sowie die mitreißende Drehfreude des knapp drei Liter großen Biturbos. Weil die wirkungsgradstarke Axialfluss-E-Maschine mit bis zu 122 kW rekuperiert, geht dem 7,45 kWh kleinen Akku höchstens dann der Saft aus, wenn man über eine längere Zeit im reinen E-Modus dahinstromert. Im Test schaffen wir mit dem Ferrari 296 GTB 18 Kilometer, die Spitze liegt bei 135 km/h. Das ist mehr als genug, um lautlos durch Wohngebiete und Innenstädte zu gleiten. Außerdem senkt die Hybrid-Technik den Verbrauch: 9,5 Liter und 3,7 kWh je 100 Kilometer im Test sind sensationell.
Infotainment-Test
Augen auf die Straße, Hände ans Lenkrad – unter diesem Credo bündelt Ferrari nun auch beim Ferrari 296 GTB nahezu sämtliche Bedienfunktionen am Lenkrad. Blinker, Scheibenwischer, Radio – für alles gibt es Knöpfe auf, am und hinterm Lenkrad, die sich erreichen lassen, ohne die Hände wegzunehmen. Toll, solange man genau weiß, wo die Tasten sind. Innerorts oder in Kreisverkehren kann das im Test schon mal zur Herausforderung werden. Über ein kapazitives Feld lassen sich zudem die Modi des Hybrid-Systems auswählen, und über ein Touchpad in der rechten Lenkradspeiche sind etwa Navigation, Telefon, Einstellungen und das Smartphone (via Apple Car Play) erreichbar. Gewöhnungsbedürftig, aber durchaus smart.
Technische Daten und Messwerte
AUTO ZEITUNG 10/2023 | Ferrari 296 GTB |
Technik | |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | V6-Zyl., 4-Vent., Biturbo |
Hubraum | 2992 cm³ |
Gesamtleistung | 610 kW/830 PS |
Leistung Verbrenner/E-Motor | 663 PS (493 kW)/122 kW (167 PS) |
Max. Gesamtdrehmoment | 900 Nm |
Batterie | Lithium-Ionen |
Kapazität | 7,45 kWh |
Getriebe/Antrieb | 8-Gang, Doppelkupplung; Hinterradantrieb |
Messwerte | |
Leergewicht /Zuladung (Werk) | 1644/308 kg |
Beschleunigung 0-100 km/h (Test) | 2,8 |
Höchstgeschwindigkeit (Werk) | > 330 km/h |
Bremsweg aus 100 km/h kalt/warm (Test) | 33,4/31,6 m |
Verbrauch auf 100 km (Test/WLTP) | 7,4 l + 13,8 kWh/9,5 l SP + 3,7 kWh |
CO2-Ausstoß (WLTP) | 169 g/km |
Reichweite (WLTP) | 25 km |
Preise | |
Grundpreis | 283.185 € |
Müßig, über Optik und Emotionalität eines Ferrari zu urteilen, selbst wenn allein diese beiden Punkte den 296 GTB zu einer automobilen Ikone überhöhen. Nicht minder beeindruckend: die Leistungsfähigkeit des Antriebs, der von vollelektrisch-leise über hybrid-sparsam bis hin zu atemberaubend schnell und mitreißend klangstark alle Facetten beherrscht. Das Fahrwerk brilliert mit unfassbarer Agilität und aberwitzigem Grip sowie gutem Komfort. Doch die harten Schalensitze zwingen zu häufigeren Pausen, das Design limitiert Raumangebot und Alltagsnutzen. Ein faszinierender Supersportler: pur, intensiv und ebenso teuer wie exotisch.