X1/GLA/Tiguan: Vergleichstest
BMW, Mercedes und VW im Dreikampf
- BMW X1, Mercedes GLA & VW Tiguan im Vergleichstest
- Hoher Fahrkomfort im BMW X1
- VW Tiguan mit dem besten Fahrwerk
- Geringster Verbrauch beim BMW X1
- VW Tiguan mit der besten Fahrdynamik
- Die Kostenwertung von BMW X1, Mercedes GLA & VW Tiguan
- Technische Daten & Messwerte von BMW X1 xDrive 23i, Mercedes GLA 250 4matic & VW Tiguan 2.0 TSI 4motion
- Ergebnis in Punkten
- Fazit
Erste Einordnung für die brandneue dritte Generation des BMW X1: Mit Allradantrieb und kräftigen Turbobenzinern stehen Mercedes GLA und VW Tiguan bereit zum Kräftemessen im Vergleichstest.
Beständigkeit ist uns sympathisch, daher gleich zu Beginn ein kleiner Ritterschlag für den neuen BMW X1, der in diesem Vergleichstest gegen Mercedes GLA und VW Tiguan antritt. Der kleinste Kraxler der Münchner behauptet sich seit 2009. Und das ab sofort in dritter Generation. Dahin müssen andere erstmal kommen. Tiguan und GLA zum Beispiel, ebenfalls zwei etablierte Größen. Vor allem der VW drückte dem Segment mit Testsiegen und top Verkaufszahlen über die Jahre seinen Stempel auf. Doch der zweite VW Tiguan ist in die Jahre gekommen. Nicht verwunderlich, dass der Absatz stagniert, obwohl die Neuzulassungen noch deutlich über dem Niveau des Mercedes GLA liegen. Der Baby-Offroad-Benz befindet sich im dritten Verkaufsjahr, kann zudem seit Erscheinen der zweiten Generation auf ein eigenes Elektro-Derivat (EQA) verweisen. Keine schlechte Visitenkarte in diesen Tagen, doch auch vom neuen X1 scharrt bereits eine Elektro-Version (der iX1) mit drehmomentstarken Hufen. Die Stromer interessieren uns heute aber nicht, wir blicken in diesem Vergleichstest auf drei Turbobenziner mit gut 200 PS (147 kW) und Allradantrieb. Spannend genug, doch besonders brennend interessiert uns, ob der neue BMW X1 aus der Gunst seiner Jugend Kapital schlagen kann. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
Der VW Tiguan (2023) im Video:
BMW X1, Mercedes GLA & VW Tiguan im Vergleichstest
Der gewaltige Grill erschreckt ein wenig beim neuen Herausforderer in diesem Vergleichstest, das Heck wirkt hingegen angenehm vertraut. Und innen sind wir hier gleich mal ernsthaft beeindruckt. Denn die dritte Generation des BMW X1 ist einer von diesen Typen, die von innen größer wirken als von außen. Das Wachstum – gute fünf Zentimeter in der Länge, zwei in der Breite und drei in der Höhe – macht sich positiv bemerkbar. Zumal der Testwagen mit Panoramadach (1250 Euro) kommt, das Fondgäste auch jenseits von 1,85 Körpergröße nicht mit knapper Kopffreiheit bedrängt, im Gegenteil. Das Plus an Platz wird besonders nach dem Umstieg aus dem Mercedes GLA deutlich. Der Benz ist eher auf den Leib geschneidert, zwickt zwar auch nicht wirklich, kann beim Thema Raumgefühl aber nicht mithalten. Auch der Einstieg klappt beim X1 entspannter. Und weil im Vergleich zum Vorgänger weitere zwei Zentimeter Radstand dazu gekommen sind, haben Knie und Füße der X1-Fondpassagier:innen gemessen sogar am meisten Platz. Weiterhin bietet der X1 eine serienmäßig neigbare Rückbank. Die zusätzliche Längseinstellung kostet 300 Euro extra. Beim GLA gibt es das nicht, beim VW Tiguan ist die verschieb- und neigbare Rückbank Standard. Ach ja, der Tiguan. Die Raumausbeute bleibt weiterhin vorbildlich. Dazu begeistert der VW mit vanartig vielen Ablagen und Fächern, dem größten Kofferraum, der höchsten Zuladung und der üppigsten Anhängelast in diesem Vergleichstest, dazu kommt eine umfangreiche Sicherheitsausstattung. So sind Matrix-LED-Scheinwerfer inklusive Kurvenlicht beim 245 PS (180 kW) starken TSI bereits Serie. Angesichts der Preisregion wirkt aber nur der BMW X1 bei der Materialgüte überzeugend. Im Mercedes GLA und auch im VW Tiguan springen einem die Hartplastiktafeln der Türen zu deutlich in die Augen.
Hoher Fahrkomfort im BMW X1
Die hervorragenden Sportsitze des BMW X1 sind ein echter Komfort-Gewinn. Die hohen Wangen packen gefühlt immer an der richtigen Stelle und erlauben hohes Kurventempo, ohne dass sich die Oberkörper gegen die Fliehkräfte stemmen müssen. Auch auf langen Strecken ein Entspannungsfaktor, weil die Polster bis in den oberen Rücken hervorragend stützen. In puncto Langstreckentauglichkeit gefallen in diesem Vergleichstest zwar auch die serienmäßigen "Top-Komfort-Sitze" im VW Tiguan sowie das Gestühl des Mercedes GLA mit optionaler Lordoseneinstellung (plus 250 Euro). Beim Seitenhalt sieht es aber vor allem im Wolfsburger etwas mau aus – angesichts der üppigen Leistung nicht ganz passend. Ein weiterer Pluspunkt des BMW X1 ist seine gute Dämmung. Schon bei Tempo 50 zeigt das Messgerät ein paar Dezibel weniger an, auf der Autobahn wird der subjektive Unterschied noch deutlicher. Besonders gut filtert die Fahrgastzelle die Geräusche des Antriebs heraus. Beim VW Tiguan machen dagegen die Reifen mit Abrollgeräuschen auf sich aufmerksam, im Mercedes GLA dringen die Frequenzen des kehligen Motors deutlicher durch.
VW Tiguan mit dem besten Fahrwerk
Im Gegensatz zur Akustik gefällt das Fahrwerk des Mercedes GLA allerdings mit seiner wattigen Abstimmung. Die Federn und Dämpfer reagieren stets engagiert auf Anregungen des Untergrunds. Folgen allerdings viele Unebenheiten aufeinander, wird es etwas zu schaukelig. Die härtere Abstimmung der optionalen Dämpfer schafft keine Abhilfe, das Ansprechverhalten wird dadurch eher eckiger, die Karosseriebewegungen lassen sich so aber nicht effektiv zähmen. Ein weiterer Nachteil: Besonders im beladenen Zustand fehlt den Federn Reserven, weshalb die Federwege schon bei niedrigen Geschwindigkeiten aufgebraucht sind. Kein angenehmes Gefühl und für ein SUV doch etwas unangemessen. Gut hingegen: selbst bei Topspeed, immerhin 240 km/h, liegt der GLA stets gelassen. Das sprichwörtliche Gegenteil erfährt man im BMW X1. Ja genau, das M-Paket. In Verbindung mit den optionalen 19-Zoll-Rädern stört es im Alltag mit seiner äußerst straffen Fahrwerksauslegung. Sowohl auf kurzen Unebenheiten als auch auf langen Bodenwellen auf der Autobahn nimmt der körpereigene Beschleunigungssensor schnell Werte im roten Bereich wahr. Allerdings: Alle Unebenheiten werden sauber verarbeitet, auch bei hohen Tempi setzt sich die Karosserie sofort und stoisch in die Ausgangslage zurück. Das wirkt gekonnt, man wünscht sich auf Dauer nur etwas mehr Nachgiebigkeit. Immerhin: Last tut dem X1 mit Sportfahrwerk durchaus gut. Die Reserven reichen dicke, doch wichtiger: Es kehrt ein wenig mehr Geschmeidigkeit ins Federn und Dämpfen ein. Dass der VW Tiguan in diesem Vergleichstest das rundeste Bild abliefert, darauf hätte man angesichts der optionalen 20-Zoll-Felgen mit flachen Reifenflanken wahrscheinlich nicht unbedingt getippt. Doch so ist es. Zwar bleibt der VW stets straffer als der Mercedes, doch auch das Überfahren von harten Kanten fühlt sich hier gesund an, im Hinblick auf den X1 eben auch für den Rücken. Selbst im spürbar härteren Sportmodus bleibt die Sache erträglich, dann und wann staunt man gar, wie gut der VW Tiguan Schäden im Asphalt verarbeitet, die selbst der Mercedes GLA und besonders der BMW X1 viel deutlicher kommunizieren. Noch ein Wort zu den Assistenten, die einem besonders beim X1 sehr hilfreich zur Seite stehen. Speziell der serienmäßige Parkassistent beeindruckt, denn er lässt sich selbst von komplizierten Parkvorgängen in engen Parkhäusern mit störenden Pfeilern nicht abhalten, das Auto am Ende exakt mittig zwischen die zwei weißen Striche zu stellen. So gut können das in diesem Vergleichstest weder das optionale System (803 Euro) von Mercedes noch der Parklenkassistent von VW (215 Euro), der sich teilweise über seine eigene Courage erschreckt und den Vorgang abbricht. Auch die optionalen "Driving Assistant"-Systeme (ab 600 Euro) wirken sehr ausgeklügelt, halten mittig die Spur, bremsen beruhigend vor Kurven ab und halten teilweise automatisch vor roten Ampeln, auch wenn die manchmal grün sind.
Geringster Verbrauch beim BMW X1
Applaus für die Effizienz des Antriebs des BMW X1 xDrive23i. Der Clou mit dem im Getriebe steckenden E-Motor, der den 204 PS (150 kW) starken Zweiliter-Turbo mit bis zu 14 kW (19 PS) und 55 Newtonmetern unterstützt, ist wirklich effektiv. Man sieht es am Testverbrauch und auch im Alltag. Werte um sechs Liter sind ohne weitere Anstrengungen möglich – sehr gut für ein Allrad-SUV und die Bestleistung im Vergleichstest. Verdienst daran hat auch die intelligente Rekuperation, die selbst entscheidet, wann am besten gesegelt oder der kleine 0,9-kWh-Akku im Heck geladen wird. Auch der VW Tiguan 2.0 TSI 4Motion besitzt eine Segelfunktion, die sich stets und verlässlich aktiviert. Dennoch verbraucht er knapp zwei Liter mehr, liefert dafür aber auch längsdynamisch ab und eilt den Konkurrenten leicht davon. Beim Ausdrehen klingt das etwas kernig. Störender ist allerdings das Antriebsklangbild im Mercedes GLA 250 4matic, der etwas zu raue Töne an den Tag legt – und der in den ersten drei Gängen klar wahrnehmbar durch sein weit gespreiztes Doppelkupplungsgetriebe schaltet. Das kann vor allem der Tiguan geschliffener. Beim BMW-Getriebe (Siebengang-Doppelkupplung wie im VW Tiguan) wiederum stört die lange Atempause beim Kickdown, bei der der X1 gefühlt erst verzögert, um anschließend davon zu spurten. Top dagegen ist der klanglich besonders angenehme und zurückhaltende Lauf des Antriebs – Bayerische Motoren Werke halt.
VW Tiguan mit der besten Fahrdynamik
Erwartungsgemäß kommt der weich abgestimmte Mercedes GLA nicht an den Dynamiker BMW X1 heran. Früh gerät der GLA ins Untersteuern. Das liegt gewiss auch an seiner relativ zahmen Bereifung mit 50er-Querschnitt. In engen Kurven fühlt er sich zudem aufgrund der eher indirekten Lenkung größer an, als er eigentlich ist. Dass sich der BMW auf dem Handlingkurs, wenn auch nur knapp, dem VW Tiguan geschlagen geben muss, liegt vor allem an der Power des Wolfsburgers, der mit viel Kraft satt aus engen Kurven herausdrückt und noch etwas schneller wäre, wenn sich seine ESP-Regelung in schnellen Kurven zurückhalten würde. Beim BMW X1 lässt das System beim Einlenken ein hilfreich eindrehendes Heck zu, das war beim Vorgänger noch anders. Ohne die guten Bremswerte des VW wäre die Eigenschaftswertung dieses Vergleichstests wohl knapper ausgegangen.
Die Kostenwertung von BMW X1, Mercedes GLA & VW Tiguan
Doch über den Preis dreht der BMW X1 diesen Vergleichstest auch nicht. Im Gegenteil, denn hier wird ihm zum Verhängnis, dass sein M Sportpaket an eine der beiden hochwertigeren Ausstattungspakete gekoppelt ist, wodurch der Spaß in Summe mindestens 8700 Euro teuer wird – quasi eine Entdemokratisierung der Sportlichkeit. Da helfen auch die vergleichsweise günstigen Werkstatt- und Kraftstoffkosten nicht mehr. Der Mercedes GLA ist zwar nicht abgeschlagen, am VW Tiguan gibt es aber vorläufig kein Vorbeikommen. Das hat irgendwie auch etwas von Beständigkeit, wenngleich die nicht allen wirklich sympathisch ist.
Auch interessant:
Technische Daten & Messwerte von BMW X1 xDrive 23i, Mercedes GLA 250 4matic & VW Tiguan 2.0 TSI 4motion
AUTO ZEITUNG 24/2022 | BMW X1 xDrive23i | Mercedes GLA 250 4matic | VW Tiguan 2.0 TSI 4Motion |
Technik | |||
Zylinder/Ventile pro Zylin. | R4/4; Turbo | R4/4; Turbo | R4/4; Turbo |
Hubraum | 1998 cm³ | 1991 cm³ | 1984 cm³ |
Leistung | 204 PS/150 kW bei 5000-6000 U/min (E-Motor 14 kW/19 PS) | 224 PS/165 kW bei 5500 U/min | 245 PS/180 kW bei 5000 bis 6500 U/min |
Max. Drehmoment | 320 Nm bei 1500-4000 U/min (E-Motor 55 Nm) | 350 Nm bei 1800-4000 U/min | 370 Nm bei 1600-4300 U/min |
Getriebe/Antrieb | 7-Gang, Doppelkupplung / Allrad, permanent | 8-Gang, Doppelkupplung / Allrad, permanent | 7-Gang, Doppelkupplung / Allrad, permanent |
Messwerte | |||
Leergewicht (Werk/Test) | 1730/1734 kg | 1615/1651 kg | 1683/1755 kg |
Beschleunigung 0-100 km/h (Test) | 6,9 s | 6,6 s | 6,2 s |
Höchstgeschwindigkeit (Werk) | 233 km/h | 240 km/h | 229 km/h |
Bremsweg aus 100 km/h kalt/warm (Test) | 35,5/35,6 m | 35,2/35,7 m | 33,4/34,8 m |
Verbrauch auf 100 km (Test/WLTP) | 7,7/7,2 l | 9,1/8,1 l | 9,5/8,6 l |
CO2-Ausstoß (Test/WLTP) | 182/161 g/km | 216/187 g/km | 225/201 g/km |
Preise | |||
Grundpreis | 49.450 € | 48.469 € | 49.240 € |
Testwagenpreis | 60.000 € | 54.053 € | 51.840 € |
Ergebnis in Punkten
Gesamtbewertung (max. Punkte) | BMW X1 xDrive 23i | Mercedes GLA 250 4matic | VW Tiguan 2.0 TSI 4motion |
Karosserie (1000) | 678 | 637 | 696 |
Fahrkomfort (1000) | 725 | 697 | 733 |
Motor/Getriebe (1000) | 665 | 634 | 638 |
Fahrdynamik (1000) | 695 | 680 | 729 |
Eigenschaftswertung (4000) | 2763 | 2648 | 2796 |
Kosten/Umwelt (1000) | 302 | 309 | 310 |
Gesamtwertung (5000) | 3065 | 2957 | 3106 |
Platzierung | 2 | 3 | 1 |
Gelungener Einstand für den neuen BMW X1: Auch wenn es im ersten Vergleichstest gegen den etablierten VW Tiguan nicht reicht, profitiert der X1 spürbar von seinem Größenwachstum und punktet zusätzlich mit seinem besonders effizienten und kultivierten Antrieb. Ein Ärgernis bleiben der entfallene iDrive-Dreh-Drücksteller und die zuweilen komplizierte Menüführung. Der vielseitige Volkswagen hält mit Platz, ausgewogenem Komfort und Variabilität erfolgreich dagegen. Dazu ist der Wolfsburger Bestseller in dieser starken Motorisierung bereits gut ausgestattet. Dem vergleichsweise knapp geschnittenen und eher gemütlich abgestimmten Mercedes GLA bleibt in diesem Vergleichstest somit nur der dritte Platz.