Kia EV6 AWD (239 kW): Dauertest-Abschluss
Der EV6 verdient sich eine gute Note
Als 239 kW (325 PS) starker Allradler bereicherte der Kia EV6 AWD ein Jahr lang den Dauertest-Fuhrpark der AUTO ZEITUNG. Was bei den rund 33.500 km aufgefallen ist, fasst der Abschlussbericht zusammen!
Der Kia EV6 AWD im Dauertest
Anfangs dachte das AUTO ZEITUNG-Test-Team noch, alles sei reine Routine. Der Kia EV6 AWD, der eines Abends beim Abbiegen von einem 30-Tonner onduliert worden war, stand in der Werkstatt, und wir gingen von dem üblichen Prozedere aus: Schuldfrage klären (Der AUTO ZEITUNG-Mitarbeiter war unschuldig!), Gutachten erstellen, Reparaturfreigabe einholen, Ersatzteilbestellung, Reparatur – und weiter geht der Dauertest. Doch die Sache zog sich, das Telefon schwieg. Ein paar Wochen später kam die Nachricht von Kia: Totalschaden, Dauertest beendet. Immerhin hatte der futuristisch gestylte koreanische Stromer bis dahin gut 33.500 km gesammelt, was für ein Elektroauto im Jahrestest als respektabel gelten kann. Bis zum regulären Testende wären es nur noch wenige Wochen gewesen. Und so liegen hinreichend Eindrücke und Erfahrungen vor, die ein stimmiges Bild über die Alltagsqualitäten der Schrägheck-Limousine geben. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
Der Kia Niro EV (2022) im Video:
Reichweite: zwischen 401 und 469 km
Beginnen wir mit den Fragen, die allen potenziellen E-Auto-Interessent:innen unter den Nägeln brennen – jenen nach Verbrauch und Reichweite. Hier gibt es aus dem Dauertest Positives zu berichten: Auf der AUTO ZEITUNG-Verbrauchsrunde, die auch einen Volllastanteil umfasst, auf der der Kia EV6 AWD seine 185 km/h Höchstgeschwindigkeit ausfahren konnte, belief sich der Testverbrauch auf 19,3 kWh. Minimal kam der Koreaner mit 16,5 kWh 100 km weit. Das ist beachtlich, weil sich im Verbund mit der Batterie-Nettokapazität in Höhe von 77,4 kWh Reichweiten zwischen 401 und 469 km ergaben. Höchst alltagstaugliche Werte, die helfen, potenzielle Reichweitenangst zu dämpfen. Im genannten Verbrauchsspektrum bewegte sich auch das AUTO ZEITUNG-Team: "Im Eco-Modus braucht der EV6 im Schnitt 17 bis 18 kWh pro 100 km, bei winterlichem Wetter und Regen ein guter Wert", schrieb Online-Chefredakteur Alexander Koch ins Fahrtenbuch. Vom anderen Ende weiß der Geschäftsführende Redakteur Martin Urbanke zu berichten: "Unter Volllast können es auch schon mal 30 bis 35 kWh sein".
Ladeleistung von bis zu 240 kW
Die Aufenthalte an der Ladesäule fielen im Dauertest erfreulich kurz aus, denn dank einer Spannungslage von rund 800 V und einer Gleichstrom-Ladeleistung von bis zu 240 kW "tankte" unser Kia EV6 AWD Strom im Turbo-Tempo. An einer 350-kW-Ladesäule vergingen so nur 18 Min., bis der Ladestand von zehn auf 80 Prozent kletterte. Das Laden funktionierte eigentlich unproblematisch, doch Urbanke kritisierte, "dass der Ladeanschluss unbeleuchtet ist, was die Sache im Dunkeln zur fummeligen Angelegenheit macht". Beim Stromzapfen hilft generell die seit Modelljahr 2023 serienmäßige Batterie-Vorkonditionierungsmöglichkeit, die unserem EV6 per Software-Update aufgespielt wurde. Übrigens der einzige außerplanmäßige Werkstattaufenthalt des Koreaners. Dank des serienmäßigen Navigationssystems ließ sich der Kia stets zur nächsten Schnellladesäule führen. War diese wider Erwarten defekt, was auch schon mal vorkam, blieb immer noch der Stop an einer der inzwischen weiter verbreiteten 11-kW-Säulen, wo mit Wechselstrom geladen werden kann. Nützlich am Rande: Der EV6 kann nicht nur Strom tanken, sondern mit Hilfe der "Vehicle to load"-Funktion auch Strom abgeben, zum Beispiel über einen Adapter für den Ladestecker zum Betrieb externer Elektrogeräte.
Fahrleistung auf Sportwagen-Niveau
Auf das Sparpotenzial des Elektromobils hat man nicht nur mit der Wahl des Eco-Modus Einfluss, sondern auch durch die manuelle Wahl der Rekuperationsstufen per Lenkradpaddel. "Da gibt es eine weite Spreizung – von One Pedal Driving bis Segeln", nahm Testredakteur Sven Kötter im Dauertest erfreut zur Kenntnis. Rein antriebstechnisch bewies der Kia EV6 AWD mit seinen beiden Motoren an Vorder- und Hinterachse reichlich Dynamik-Potenzial. 239 kW oder nach alter Rechnung 325 PS schieben nämlich ordentlich an. "Der Antritt aus dem Stand ist schon ausgesprochen kräftig", zeigte sich der Geschäftsführende Redakteur Jürgen Voigt beeindruckt. In Zahlen ausgedrückt: Die 605 Nm Zugkraft lassen den kompetenten Koreaner die 50-km/h-Marke nach nur 1,9 s und die 100-km/h-Marke nach lässigen 5,0 s passieren, was ein Lächeln ins Gesicht zaubert, denn das Ganze passiert sehr sozialverträglich, weil ganz ohne Radau.
Der aktuelle Dauertest-Fuhrpark:
Passiv-adaptive Dämpfer steigern den Fahrkomfort
Dieser zurückhaltende Auftritt, der sich bei Bedarf ins Energische verwandelt, macht einen Großteil des Wesens dieses Fernost-Stromers aus. So wurde der Kia auch gern für längere Dienstreisen genutzt. Testredakteur Sven Kötter über seine Erfahrungen mit den Reisequalitäten des Asiaten: "Die Leistung ist fein dosierbar, und die Sitze sind auch auf Langstrecken angenehm. Daneben ist der Kofferraum gut nutzbar. Ein viertägiger Termin mit fünf Personen bereitete keinerlei Platzprobleme." Einen Anteil an den Reisequalitäten hat selbstredend der Federungskomfort. Zwar bringen dicht aufeinanderfolgende, kurze Bodenwellen den Kia EV6 AWD ein wenig aus dem Tritt, und auch Querfugen werden von den 20-Zoll-Reifen schon mal wenig gefiltert durchgereicht. "Alles in allem aber sind die passiv-adaptiven Dämpfer, die die jeweilige Dämpferkraft in Abhängigkeit von der Vertikalbewegung des Fahrzeugs regeln, gut abgestimmt – auch ohne aktiv eingreifende Elektronik", befand Fahrzeugtechnik-Ingenieur Voigt und ergänzte: "Auch die Dämmung der Wind- und Abrollgeräusche ist effektiv."
Dass es davon nicht zu viele gibt, dürfte auch ein Ergebnis der gelungenen Aerodynamik sein, deren Kehrseite die nach schräg hinten unübersichtliche Karosserie ist. "Da hilft doch die 360 Grad-Kamera ungemein", notierte Kötter im Dauertest-Fahrtenbuch. Egal ob Lang- oder Kurzstrecke: In puncto Alltagsqualitäten gefiel der EV6 mit einem großzügigen Ablagenangebot für allerlei Krimskrams. Allerdings ist die Ablage unterhalb der Mittelkonsole nur mit Verrenkungen zu erreichen, ebenso wie die davor angebrachten USB-Anschlüsse. "Dafür sind die Türtafelfächer mit Filz ausgekleidet", lobte Kollege Kötter, was unter anderem verhindert, dass darin Kleinkram auf schlechten Straßen klappert.
Die Assistenzsysteme funktionierten teils mäßig
Wer weniger gestresst ist, kann sich bekanntermaßen besser auf das Fahren konzentrieren, wobei heutzutage vielerlei Assistenzsysteme helfen, natürlich auch im Kia EV6 AWD. Prima funktionierte der Totwinkelassistent. Praktisch: Blinkt man für den beabsichtigten Fahrspurwechsel, wird das Kamerabild schräg hinter dem Auto ins Display eingespielt. "Der Spurhalte-Assistent verliert in Baustellen aber schon mal die Orientierung", rügte der stellvertretende Chefredakteur Klaus Uckrow. Wen das nervt, der kann den Assistenten per Lenkradtaste abschalten. Auch erschien die Tempolimit-Erkennung gelegentlich unplausibel. "Zum Beispiel, wenn sie innerorts 100 km/h erlaubt oder auf der Autobahn 25 km/h", wunderte sich Kollege Urbanke, um dann aber doch versöhnlich zu resümieren: "Insgesamt aber ein überzeugendes, vollwertiges und ebenso effizientes wie dynamisches E-Auto!" Ein Dauertest-Statement, dem sich das Test-Team nur anschließen kann.
Connectivity
Kia lässt sich nicht lumpen und spendieren dem EV6 das komplette Programm, sprich: Navigationssystem, Smartphone-Integration, Online-Anbindung mit den Online-Diensten von Kia Connect (darunter Echtzeit-Verkehrshinweise, Parkplatz- und Wetterinfos, Remote-Funktionen, kostenpflichtig). Die getestete GT-Line-Variante inkludiert zusätzlich eine induktive Lademöglichkeit. Im Dauertest funktionierte alles soweit gut – bis auf die ziemlich begriffsstutzige Sprachbedienung.
Technische Daten des Kia EV6 AWD
AUTO ZEITUNG 03/2023 | Kia EV6 AWD |
Technik | |
E-Motor | zwei permanenterregte Synchronmaschinen |
Systemleistung | 239 kW/325 PS |
Systemdrehmoment | 605 Nm |
Batterie | klimat. Lithium-Ionen-Batterie |
Spannung/Kapazität netto | 826 V/77,4 kWh |
Getriebe/Antrieb | Konstantübersetzung/Allrad |
Werte | |
Maße | 4680/1890 (2118)/1550 mm |
Leergewicht | 2108 kg |
Kofferraum | 490-1300 l |
Beschleunigung 0-100 km/h | 5,0 s |
Höchstgeschwindigkeit (Werk) | 185 km/h |
Verbrauch auf 100 km (Test/WLTP) | 19,3/18,0-17,2 kWh |
Preise | |
Grundpreis | 58.890 € |
Testwagenpreis | 63.790 € |
Auch wenn seine Optik viele Blicke fesselte: Der Kia EV6 entpuppte sich im Dauertest keineswegs als exotischer Blender. Sparsam und deshalb mit praxistauglicher Reichweite gesegnet und dank hoher Ladeleistung an der Stromtanke stets nur auf Stippvisite, erfüllte er die Grundanforderungen an ein Elektroauto mit Bravour. Sprintstark und komfortabel sorgte der Koreaner zusätzlich für Fahrfreude. Die Detailschwächen sind größtenteils zu verschmerzen und lassen Platz für die Modellpflege.