Mit dem Nissan Ariya schlägt der japanische Autobauer das nächste Kapitel seiner Elektro-Geschichte auf. Im Test als 2WD mit 87-kWh-Akku überzeugt das SUV mit großer Reichweite nicht nur auf der Langstrecke.
Bereits bevor der Nissan Ariya 87 kWh 2WD zum Test der AUTO ZEITUNG rollte, leistete der Autobauer bei der Elektromobilität Pionierarbeit: Bereits 2009 präsentierte Nissan mit dem Leaf seine Idee der lokal emissionsfreien Fortbewegung. Die Zeit war damals allerdings noch nicht reif für den großen Umstieg ins E-Auto: Die Reichweiten waren zu gering, die Ladezeiten zu lang, die Preise zu hoch, und eine Ladeinfrastruktur gab es schlicht noch nicht. Doch das Marketing stellte sich über die Kundschaft und versuchte ihnr zu erklären, dass man ohnehin nur ein paar Kilometer im Alltag fahren würde und das E-Auto daher die bessere Wahl sei. Die Zeiten haben sich nun geändert: Die Ladeinfrastruktur breitet sich aus, Ladezeiten und Reichweiten rücken in akzeptable Bereiche, und die Preise stehen mit denen der klassischen Verbrenner in direkter Konkurrenz – zumindest hierzulande. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
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Der Nissan Ariya 87 kWh 2WD im Test
Deutschland spielt bei der E-Mobilität mit den Niederlanden zudem eine Vorreiterrolle: 50 Prozent aller Ladesäulen in Europa stehen bei uns und unserem Nachbarn. Auch Nissan legt deshalb wieder mehr Spannung an und bringt den neuen Ariya ins Rollen. Dabei hat der Autobauer die Zeit seit dem Erstaufschlag mit dem Leaf genutzt und die Erfahrungen in viel Energie umgesetzt. Mit Erfolg: Der Nissan Ariya 87 kWh 2WD überzeugt auf ganzer Linie und fügt sich nahtlos ein in das hart umkämpfte Umfeld der Mittelklasse-Crossover, das mit Hyundai Ioniq 5, VW ID.4, Skoda Enyaq, MG Marvel R, Volvo XC40 Recharge und zahlreichen anderen Stromern bestens besetzt ist. Die Konkurrenz hat zwar in den vergangenen Jahren mächtig vorgelegt, aber Nissan ist gut vorbereitet für den notwendigen Konter. Der Testwagen bringt gleich ein Argument mit, dass derzeit keiner in dieser Klasse bieten kann: Sein Akku speichert 87 kWh Energie – netto. Bestwert in seiner Klasse. Und das nutzt er sehr effizient aus. Schon beim Testverbrauch knausert er mit einem Durchschnittswert von 20,6 kWh auf 100 Kilometer – trotz des intensiven Volllastanteils auf einem Teil des Autobahnabschnitts. Reduziert man das Tempo auf der Langstrecke und begnügt sich mit Tempo 100, stromert der Ariya über 500 Kilometer weit durch die Republik. Suboptimal ist dabei aber, dass das Navigationssystem nicht alle Schnellladesäulen am Reichweitenlimit kennt. Bessere Unterstützung mit nahezu allen Lademöglichkeiten und verlässlichem Reichweitenmanager bietet die Nissan-Connect-EV-App. An der Ladesäule trumpft der Ariya mit einem weiteren Argument auf: seiner Ladeleistung. Zwar verfügt das System nur über eine maximale Ladeleistung von 130 kW, erreicht aber bei einer Ladung von zehn auf 80 Prozent einen Durchschnittswert von 105 kW. Auch damit setzt der Ariya einen Bestwert unter der 400-Volt Konkurrenz. Über 80 Prozent holt er sogar die 800-Volt-Rivalen ein. In unserem großen Ladetest benötigte der Kia EV6 40 Minuten, um 67 kWh zu laden – die gleiche Zeit reicht dem Nissan Ariya 87 kWh 2WD, weil er auch oberhalb von 80 Prozent weiter mit hoher Ladeleistung Energie in den Akku presst. Die Anforderungen an einen effizienten E-Antrieb erfüllt er also mit Bestnoten.
Straffe Federung
Beim Komfort macht der Nissan Ariya 87 kWh 2WD im Test ebenfalls eine gute Figur. Doch selbst wenn das Zusammenspiel von Federn und Dämpfern ein feines Ansprechverhalten zeigt, fällt es doch eine Spur zu straff aus. Ein etwas flauschigerer Federungskomfort würde besser zum entspannten Charakter passen – auch, weil er angenehm leise durch den Wind stromert, sanft über seine großen Räder mit 55er-Querschnitt abrollt und sogar auf übelsten Pisten kein Knarzen oder Klappern zeigt. Die Qualität stimmt also. Und das nicht nur, weil er grundsolide verarbeitet ist, sondern weil mit Blick auf seine unmittelbaren Rivalen zudem die Materialgüte gefällt. Selbst in der Oberklasse findet man den gleichen Anteil an Hartplastikoberflächen. Dass allerdings auch beim Nissan Ariya 87 kWh 2WD die eine oder andere unsauber entgratete Kante zu finden ist, lässt bei ihm ebenfalls Raum für Verbesserungen. Obendrein liegt der Ariya sehr gelassen in der Hand. Der Lenkung fehlt es zwar etwas an Rückmeldung, dafür agiert sie sehr souverän und lässt sich auch von der angetriebenen Vorderachse nicht aus der Reserve locken. Ohnehin bringt der Nissan seine Energie ohne störendes Scharren der Vorderräder gut auf die Straße. Die Traktionskontrolle, deren Regelintervalle im Test sehr fein und kaum spürbar regulieren, macht dabei einen guten Job. Erst auf nasser Strecke und beim Sprint von null auf Tempo 100, bei dem der Nissan Ariya 87 kWh 2WD die Werksangaben um gut eine Sekunde verpasst, werden die Nachteile der ausschließlich angetriebenen Vorderachse spürbar – der Allradantrieb eForce ist für 3000 Euro extra erhältlich. Und der Preis? Der rundum gelungene Ariya ist zwar nahezu vollständig ausgestattet, kommt mit aktuell mindestens 63.490 Euro aber alles andere als günstig.
Connectivity-Check
Neben den vielen Assistenzsystemen (mit teilautonomen ProPilot-Fahrfunktionen) sind auch alle Online-Funktionen der NissanConnect-Services samt integrierter Sprachsteuerung, In-Car-Wi-Fi, Google-Assistant und Amazon-Alexa sowie die umfangreichen Remote-Möglichkeiten serienmäßig mit an Bord des neuen Nissan Ariya. Die Menüstruktur präsentiert sich im Test weitgehend logisch aufgebaut und ist über den Touchscreen sowie die Sprachsteuerung gut zu bedienen.
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Technische Daten des Nissan Ariya 87 kWh 2WD
Mit dem neuen Nissan Ariya 87 kWh 2WD hat der Autobauer ein rundum gelungenes Produkt im Angebot. Der neue Stromer wirkt bereits zum Marktstart ausgesprochen ausgreift. Mit seinem großen Akku und den je nach Fahrweise sehr niedrigen Verbräuchen erreicht er im Test Reichweiten, die ihn zum Langstreckenstromer machen. Lediglich der hohe Preis für die 87 kWh-Version, die es aktuell nur in der High-End-Ausstattung Evolve Pack gibt, dürfte bei der Konkurrenz für etwas Entspannung sorgen.