Chinesische Hersteller drängen mit Nachdruck auf den Europamarkt. Mit dem MG Marvel R Performance will der Autobauer mit britischer Historie den nächsten Schritt gehen – und schielt dabei auf die Premiumhersteller. Test!
Der MG Marvel R Performance im Test: Chinakracher oder Rohrkrepierer? Diese Frage stellt sich immer, wenn sich ein neues Modell aus dem asiatischen Riesenreich auf den schwierigen deutschen Markt wagt. Unzählige Versuche, die nahezu allesamt scheiterten, bilden die Vorgeschichten zur angebrachten Skepsis. Der zur SAIC-Gruppe, immerhin dem siebtgrößten Autobauer der Welt, gehörende Hersteller MG bringt nun jedoch bereits seine fünfte Baureihe auf den hiesigen Markt. Beim MG Marvel R handelt es sich um ein ausgewachsenes batterieelektrisches Mittelklasse-SUV, das in der von uns getesteten Performance-Variante mit drei E-Maschinen auf eine Systemleistung von 212 kW (288 PS) kommt. Mit seinem vielversprechenden Gesamtpaket, bestehend aus viel Platz und vollständiger Serienausstattung zu fairen Preisen, soll er nun auch Premiumkundschaft überzeugen. Kann das gelingen? Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
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MG Marvel R Performance im Test
Beim Innenraum des MG Marvel R Performance wurde sich viel Mühe gegeben, einen besonders hochwertigen Gesamteindruck zu schaffen. Das Ambiente im überaus geräumigen Interieur wird geprägt von weitgehend handschmeichelnden Materialien und einer "schwebenden" Mittelkonsole, die einen monströsen Bildschirm beherbergt, über den Fahrzeugfunktionen, das Infotainment und die Klimatisierung gemanagt werden können. Unter anderem gehören elektrisch einstellbare, klimatisierte Teilledersitze sowie ein großes Glasschiebepanoramadach zur Serienausstattung des 52.835 Euro teuren Asiaten. Das Gleiche gilt für eine ganze Heerschar an Assistenzsystemen, die das Fahren sicherer und komfortabler machen sollen, darunter Abstandsregelung, Totwinkelüberwachung, Notbremsautomatik, Müdigkeitserkennung und sogar autonome Fahrfunktionen wie etwa ein Stauassistent oder eine aktive Spurführung. Doch es ist nicht alles Gold, was glänzt. Die Rechenleistung des Bordsystems ist im Test etwas behäbig, die Sprachbedienung versteht offensichtlich Mandarin besser als Deutsch und aus den Lüftungsdüsen strömt bei sehr warmen Außentemperaturen ein Geruch, der frappierend an ein Schweizer Suppen-Würzkonzentrat erinnert. Ebenfalls etwas enttäuschend für ein immerhin 4,65 Meter langes und 1,92 Meter breites SUV: Der Gepäckraum des MG Marvel R Performance fasst lediglich 357 Liter und somit weniger als ein aktueller VW Golf (380 Liter). Auch das Maximalvolumen von 1396 Litern bei umgelegten Rücksitzlehnen ist für ein so großes Fahrzeug nicht gerade beeindruckend.
Flotter Antritt
Beim Fahren offenbart der MG Marvel R Performance ein souveränes Wesen. Er sprintet im Test ansatzlos in strammen 4,7 Sekunden auf Tempo 100 und rennt maximal 200 km/h, wofür allerdings in den sportlichsten der vier zur Verfügung stehenden Fahrmodi geschaltet werden muss. Bei hohem Tempo liegt der knapp zwei Tonnen schwere Chinese satt und sicher. Allerdings nervt zuweilen der Spurhalteassistent, der das Fahrzeug mit vergleichsweise rüden Eingriffen auf der Mitte der Fahrbahn halten will. Das Fahrwerk gleicht derweil lange wie kurze Wellen ordentlich aus, verarbeitet aber Kanten und Schlaglöcher nicht immer unmerklich. Sehr gut hingegen ist der Geräuschkomfort. Die vorn mit doppelten Seitenscheiben bestückte Karosserie blendet Fahrgeräusche sehr wirkungsvoll aus. Allzu hohe querdynamische Ambitionen hegt das fünftürige SUV indes nicht. Die wenig direkt ausgelegte Lenkung arbeitet mit recht großen Lenkwinkeln, und bei forcierter Kurvenfahrt drückt der Marvel früh nach außen. Wie üblich bei elektrischen Fahrzeugen sinkt die Reichweite bei hohen Geschwindigkeiten rapide. Auf unserer Testrunde, die einen 14-prozentigen Volllastanteil beinhaltet, ermitteln wir beim MG Marvel R Performance einen Energieverbrauch von durchschnittlich 21,5 Kilowattstunden. Unter diesen Voraussetzungen wäre der Hochvoltspeicher, der netto 70 Kilowattstunden zur Verfügung stellt, nach 326 Kilometern leergesaugt. Wer das Fahrpedal jedoch nicht allzu häufig gen Bodenblech bewegt und dazu noch den Eco-Modus anwählt, kommt problemlos auf eine Reichweite von deutlich über 400 Kilometern. Die Bordtechnik erlaubt schnelles Laden mit bis zu 92 Kilowatt. Das ist flott, aber für ein neues Elektro-Fahrzeug nicht wirklich beeindruckend. So vergehen an der entsprechenden Ladesäule über 40 Minuten, ehe der Speicher von fünf bis achtzig Prozent aufgefüllt ist. Dies ist sicher etwas, an dem die umtriebige Automarke mit Hochdruck arbeitet.
Technik
Der MG Marvel R Performance rollt mit drei permanenterregte Synchronmaschinen zum Test. An der Vorderachse sitzt ein 80 kW starkes Aggregat. Hinten kommen ein weiterer 80 kW kräftiger E-Motor sowie eine 52 kW leistende E-Maschine zum Einsatz. Die Systemleistung gibt der Hersteller mit 212 kW oder eben 288 PS an, das maximale Drehmoment mit 665 Newtonmetern. Die Kraftübertragung auf alle vier Räder erfolgt über eine Automatik, die einen zweiten Gang für hohe Geschwindigkeiten beinhaltet. Der Energiespeicher des MG Marvel R Performance hat eine Kapazität von 70,0 kWh (brutto: 72 kWh). An einer entsprechenden Schnellladesäule lädt der Chinese mit maximal 92 kW Ladeleistung wieder auf. Laut Herstellerangaben benötigt der Marvel für die Ladung von fünf auf 80 Prozent 43 Minuten, mit Wechselstrom lädt der MG mit maximal 11 kW wieder auf.
Connectivity-Test
Hinter dem riesigen, satten 19,4 Zoll großen Zentralbildschirm im Tablet-Format verbergen sich nicht nur die Fahrzeugfunktionen und die Energieverwaltung, sondern auch die vielen Infotainmentinhalte, die der MG Marvel R Performance serienmäßig mitbringt. Neben dem obligatorischen Digitalradio DAB+ mit äußerst stabilem Empfang beinhaltet das Modul einen WLAN-Hotspot, eine Bluetooth-Schnittstelle und eine Smartphone-Integration für Apple-/Android-Geräte sowie ein Online-Navigationssystem, das im Test Sehenswürdigkeiten und freilich auch Lademöglichkeiten entlang der Route anzeigt. Sogar eine kleine Wettervorhersage liest das Fahrzeug beim Starten vor. Updates erfolgen "over the air". Zudem gibt es für den MG Marvel R Performance eine App, in der Funktionen wie etwa die Fernsteuerung der Klimatisierung, das Öffnen und Schließen des Fahrzeugs oder das Vorkonditionieren der Batterie hinterlegt sind. Ein klangstarkes Bose-Audiosystem, das ebenfalls Serie ist, rundet das Infotainment ab.
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Messwerte & technische Daten des MG Marvel R Performance
Der neue MG beweist im Test: Wenn die chinesischen Autobauer weiter so rasante Fortschritte machen, könnte es mittelfristig klappen mit dem Erfolg auf den europäischen Märkten. Die luxuriöse Ausstattung und das Fahrverhalten können sich sehen lassen. Sieben Jahre Garantie sollen zudem Zweifel an der Haltbarkeit im Keim ersticken. Ein interessantes Gesamtpaket!