Eine ganz besondere Rarität: Den Porsche 911 Sport Classic gibt es nur 1250 Mal – da wollen wir also jeden Kilometer, jede Minute auskosten.
Um den Porsche 911 Sport Classic zu verstehen, muss man vielleicht etwas ausholen und einen Scheinwerfer auf die ganz spezielle Beziehung zwischen Porsche und seinen Fans richten. Vielleicht geht das am besten mit einer kleinen Anekdote, als sich der Autor dieser Zeilen die Türöffner-Stoffschlaufen eines 2009er-Boxster Spyder erklären lassen durfte: "Dahinter steckt die ganz normale Schließmechanik, die Zugschlaufe wiegt so viel wie die Standard-Öffner..." – Den vielsagend-amüsierten Gesichtsausdruck des nicht ganz unbekannten Porsche-Insiders bei dieser Erläuterung darf man sich jetzt dazudenken, das weitere Gespräch lässt sich so zusammenfassen: Die Welt der Porsche-Fans besteht aus vielen romantisierenden Annahmen, die man bei Porsche nicht korrigiert, sondern gewinnbringend komplimentiert. Es tut natürlich nicht weh, Stoffschlaufen als "Leichtbaumaßnahme" zu bezeichnen, falsch ist das nicht, man könnte die Öffner schließlich auch aus Stahl schmieden. Außerdem sollte man der werten Kundschaft in ihrem seligen Weltbild nicht widersprechen – und möchte es auch nicht: Schließlich wäre die ganze Story ja nur mit einem Hinweis auf den eigentlich relevanten Vergleichsmaßstab zu erzählen, und der heißt: "Plastikhebel mit Metall-Look-Lack". Was superbanal klingt und natürlich auch ist. Dass man Türgriffe nicht aus "echtem" Metall macht, weil sich klagefreudige Menschen in den USA unter der Sonne Floridas die Finger daran verbrennen, ist dem Großteil der Kundschaft schon zu viel Detailinformation – und deshalb einigen sich alle Seiten auf die perfekt laufende, gefühlige Leichtbau-Story. Es ist also keine boshafte Tücke, dass Porsche nicht alle Märchen und Mythen ausräumt, sondern reine Höflichkeit. Und ein Zeichen höchster Intelligenz, dass man aus diesem komplexen Beziehungsgeflecht am Ende noch unfassbar starke Geschichten extrahiert. Wie die des Porsche 911 Sport Classic, der einen "das Flair vergangener Zeiten neu entdecken" lassen soll. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
Der Porsche 911 Turbo S (2020) im Video:
Weniger ist beim Porsche 911 Sport Classic eindeutig mehr
Dabei ist der Porsche 911 Sport Classic, auf karge Fakten heruntergebrochen, ein 911 Turbo, den man um die Leistung von 30 PS (22 kW), den Allradantrieb, den ausfahrbaren Spoiler am Heck und das Doppelkupplungsgetriebe erleichtert hat – und ihn dann für 81.634 Euro mehr feilbietet. Sie ahnen es: Es wird trotzdem keine erbosten Kundenbeschwerden geben, sondern solvente Porsche-Fans werden sich ausgelassen um die 1250 Exemplare des Sport Classic streiten. Sammlerstück, Wertanlage und so... Die eigentliche Geschichte beginnt aber erst jetzt – weil es Porsche mit dem 911 Sport Classic tatsächlich auf unnachahmliche Weise schafft, ein Monument an Fahrfreude, Schönheit und purer Lust rauszuhauen, viele kleine Geschichten aus der Markenhistorie zu erzählen, die Erwartungen der Kundschaft nicht nur abzuholen, sondern sogar zu übertreffen und dabei niemals zu routiniert zu wirken oder gar abgebrüht und anbiedernd. Genau das ist nämlich unser hingerissenes Fazit am Ende eines langen Tages, der morgens um 9:46 Uhr in Zuffenhausen begann und nach Fahren, Fotografieren und Testen exakt dort um 18:57 Uhr wieder endete. Neun Stunden und elf Minuten im Porsche 911 Classic Sport. Das kann kein Zufall sein…
Reisen bildet: Tour de Porsche
Los fuhren wir mit dem Porsche 911 Sport Classic bei den alten Backsteingebäuden des Porsche-Werk 1 in Zuffenhausen, die gebaut wurden, als der Hersteller noch kein Börsenstar, Rendite-Schwergewicht, globaler Player war, sondern eine mittelständische Sportwagen-Schmiede. Vorbei am triumphalen Porsche-Museum, weiter raus aus Stuttgart zur alten Solitude-Rennstrecke. Unsere Tour steht schließlich unter dem Motto "Sport Classic", da darf beides gern vorkommen. Und jetzt schiebt der 911er durchs schwäbisch-schaffende Stuttgarter Umland in Richtung Schwarzwald, er knurrt mit gelassenen Drehzahlen durch die Dörfer, schnuppert über viel befahrene Landstraßen und landet schließlich an den ersten Schwarzwaldhöhen. Dort nehmen wir uns die Zeit für einen kleinen Rundgang, gehen auf die Suche nach all den kleinen und großen köstlichen Details, die den Sport Classic so sexy machen: Sportsitze mit schwarz-weißen Pepita-Stoffbezügen, Klassik-Instrumente, nostalgisch-goldene Schriftzüge. Die breiten Hinterbacken des Turbo stehen dem Sport Classic hervorragend, und dass sie keine klaffenden Lufteinlässe mehr haben, macht sie noch feister. Die Räder haben tatsächlich den Look and Feel früherer Fuchs-Felgen, selbst die etwas halbstark wirkende Aufkleber-Deko mit Rallye-Streifen und "60"-Startnummer auf den Türen trägt der Sport Classic mit Würde. Sein mächtiges Drehmoment lässt den Sport Classic zum souveränen Über-Carrera werden – auch wenn er könnte, will er nicht hetzen oder aggressiv über die Schwarzwald-Pässe gefahren werden, sondern leidenschaftlich und hellwach. Das manuelle Getriebe gibt einen ganz bewussten Takt vor, man fährt mit Gefühl und Verstand – auch das macht den Klassik-Turbo zum Sportwagen für Intellektuelle. Er ist trotz aller Präzision, trotz des Warp-Speed-Potenzials und trotz des leichtfüßigen Hinterradantrieb-Handlings kein deftiger Racer, sondern ein Genießer mit Stil. Das musste mal geklärt werden. Und falls Sie es wissen wollen: Türöffner-Schlaufen hat der Porsche 911 Sport Classic nicht. Nur ganz normale Hebel. Richtig leichte…
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Technische Daten des Porsche 911 Sport Classic (Werksangaben)
AUTO ZEITUNG 16/2022 | Porsche 911 Sport Classic |
Technische Daten | |
Motor | 3,75-Liter-Sechszylinder-Benziner |
Getriebe | Siebengang-Schaltgetriebe |
Leistung | 405 kW/550 PS |
Max. Drehmoment | 600 Nm bei 2000-6000 U/min |
Karosserie | |
Außenmaße (L/B/H) | 4535/1900/1299 mm |
Leergewicht | 1570 kg |
Fahrleistungen | |
Beschleunigung (0-100 km/h) | 4,1 s |
Höchstgeschwindigkeit | 315 km/h |
Verbrauch auf 100 km (WLTP) | 12,6 l |
Kaufinformationen | |
Preis | 276.284 € |