Fragen Sportwagen-Fans bei anderen Modellen nach PS und Höchstgeschwindigkeit, gilt beim Porsche 911 GT3 stets die mögliche Rundenzeit als Referenz. Bahn frei für den Tracktest!
Porsche schafft es immer wieder, das vermeintlich veraltete Heckmotor-Konzept des 911 zu ungekannten Höhenflügen zu animieren. Auch die aktuelle Baureihe 992 hat mit den Carrera- und Turbo-Varianten die Limits des 991 übertrumpft. Entsprechend hoch sind im Tracktest die Erwartungen an den brandneuen Porsche 911 GT3, der mit seinem an Schwanenhals-Trägern aufgehängten Heckflügel schon im Stillstand noch schneller aussieht als seine Vorgänger. Den Grundstein für seine Performance legt der trotz des Partikelfilters auf 510 PS erstarkte Sechszylinder. Der Boxermotor setzt statt auf Turboaufladung auf ein klassisches Hochdrehzahl-Konzept und glänzt nicht nur mit einem infernalisch sägenden Sound, sondern begeistert auch mit seiner regelrecht ekstatischen Drehfreude: Unter 3000 Touren wirkt der Vierliter-Sauger zwar noch etwas verhalten, packt aber jederzeit spontan und willig zu. Spätestens über 5000 Touren jedoch legt der Boxer jegliche Hemmungen ab und jubelt mühelos bis auf 9000 Touren hoch. Wer im ersten oder zweiten Gang Vollgas gibt, muss sich im manuellen Modus sputen, um rechtzeitig hochzuschalten. Doch selbst auf dem Rundkurs kann man die Schaltarbeit fast immer dem blitzschnell agierenden PDK überlassen. Im Unterschied zu den anderen 992-Modellen setzen die Techniker:innen im Porsche 911 GT3 das aus dem 991 bekannte Siebengang-Getriebe ein, das ohne den Overdrive des achten Gangs und dank des kompakteren Gehäuses um etliche Kilogramm leichter ausfällt.
Der Porsche 911 Turbo S (2020) im Fahrbericht (Video):
Der Porsche 911 GT3 im Tracktest
Überhaupt hat der Porsche 911 GT3 an vielen Stellen abgespeckt und kommt so beinahe auf das Leergewicht des Vorgängers. Daraus ergibt sich ein theoretisches Leistungsgewicht von lediglich 2,8 Kilogramm pro PS. Unser Testwagen brachte mit 90-Liter-Tank und dem Überrollkäfig zwar ein paar Kilogramm mehr mit, doch der Motor stand auch besonders gut im Futter – und so konnte der rote Renner in unserem Tracktest sogar die Werksangabe für die Beschleunigung um 0,3 s unterbieten. Doch so feurig der GT3 auch losstürmt, es ist nicht seine Motorkraft, die sprachlos macht. Mehr denn je sind es das perfekt ausbalancierte Fahrwerk und die aerodynamische Effizienz, die uns staunend und freudestrahlend zugleich um die Sprintvariante des Eifelkurses rasen lässt. Auf den besonders klebrigen Michelin Pilot Sport Cup 2 R entwickelt der Porsche 911 GT3 Querbeschleunigungen, die selbst der RS-Ableger des Vorgängers auf denselben Reifen nicht erreicht hat. Den Rechtsknick nach Start und Ziel etwa nimmt der 992 um neun km/h schneller als der 991 GT3 RS. Und das, obwohl das Gripniveau auf der GP Strecke des Nürburgrings zum Zeitpunkt des Tests niedriger lag als üblich. Auch hier hat die Zwangspause durch die Pandemie ihre Spuren hinterlassen – es fehlt an Gummi auf der Fahrbahn.
Porsche 911 GT3 verpasst knapp die Bestzeit
Nichtsdestotrotz legt der Porsche 911 GT3 im Tracktest los wie entfesselt und wirft sich von Kurve zu Kurve, setzt in der Mercedes-Arena und beim Übergang aus der Ravenol- in die Bilstein-Kurve willig und unmittelbar um. Anbremsen aus voller Fahrt? Ebenso lässig wie zuverlässig! Und das dank der leichten und äußerst standfesten Karbon-Keramik-Anlage Runde für Runde. Verzögerung und Dosierbarkeit sind absolute Spitze, alles geschieht intuitiv und mühelos. Gleiches gilt für das Einlenken in Kurven. Hier zeigen die Doppelquerlenker an der Vorderachse und die Kugelgelenke vorn und hinten Wirkung und verhelfen dem Porsche zu einer beispiellosen Präzision. Die aktiv mitlenkenden Hinterräder, das Torque Vectoring-System und die elektronisch geregelte Quersperre in der Hinterachse verhelfen dem Hecktriebler zu einer famosen Leichtfüßigkeit einerseits und stabiler Traktion andererseits. Einen Allradantrieb vermisst man im GT3 zu keiner Zeit. Schon in der ersten Runde flößt der Porsche 911 GT3 seinem:seiner Fahrer:Fahrerin ein unerschütterliches Vertrauen ein und beweist danach eine unglaubliche Konstanz, sodass man sich sehr früh ans Limit heranwagt und den Porsche dort voller Zuversicht bewegt. Schließlich überrascht der GT3 seinen Pilot:innen nie, sondern kündigt alle Reaktionen glasklar an. Das reizt ambitionierte Fahrer:innen natürlich, das Set-up von Aerodynamik und Fahrwerk (beides einstellbar) nach persönlichem Gusto zu justieren, um dem Grenzbereich noch näherzukommen.
Messwerte & technische Daten des Porsche 911 GT3
AUTO ZEITUNG 13/2021 | Porsche 911 GT3 |
Technik | |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | Boxer-6-Zyl., 4-Ventiler |
Hubraum | 3996 cm3 |
Leistung | 75 kW/510 PS bei 8400 /min |
Max. Drehmoment | 470 Nm bei 6100 /min |
Getriebe/Antrieb | 7-Gang, Doppelkupplung; Hinterradantrieb |
Messwerte | |
Leergewicht (Test) | 1486 |
Beschleunigung 0-100 km/h (Test) | 3,1 s |
Höchstgeschwindigkeit (Werk) | 318 km/h |
Bremsweg aus 100 km/h kalt/warm (Test) | 33,0/32,3 m |
Verbrauch auf 100 km (Test) | 12,4 l SP/100 km |
CO2-Ausstoß (WLTP) | 294 g/km |
Preise | |
Grundpreis | 170.969 € |
Wegen des aktuell etwas niedrigeren Gripniveaus der Strecke verpasst der Porsche 911 GT3 bei unserem Tracktest knapp die bisherige Bestmarke des 991 im RS-Ornat (1:31,5 min). Doch die Selbstsicherheit, mit der man sich am Limit bewegt, und die Konstanz über viele Runden sprechen für die perfekte Abstimmung des Gesamtpakets. Und: Die Komforteinbußen sind marginal.