Alfa Romeo Tonale (Plug-in-Hybrid): Testfahrt
Tonale Mild- und Plug-in-Hybrid im ersten Check
Der neue Alfa Romeo Tonale (2022) soll kein Alfa-Tier für Marken-Fans sein, sondern auch bei Menschen ohne italophile Vorkenntnisse mit Funktion und Fahrfreude punkten – ob er das kann wollen wir bei der ersten Testfahrt mit Mild- wie auch Plug-in-Hybrid herausfinden.
Der neue Alfa Romeo Tonale (2022), den wir zur ersten Testfahrt ausführen dürfen, soll nicht hartgesottene Alfisti ansprechen, wie es Alfa Romeo mit Giulia und Stelvio genau richtig macht. Die beiden sind nämlich nicht nur tadellose Autos, sondern auch hochemotionales Fan-Material. Mit gehobener Motorleistung, gehobenem Preis und scharfem Fahrverhalten treiben sie ihren Käuferkreis aber höchst selektiv zusammen – nicht Jede oder Jeder beißt bei einem 50.000-Euro-aufwärts-Auto ab 190 PS (140 kW) an, das auch noch ein superdirektes Skalpell-Handling für Fortgeschrittene hat. Mit dem neuen, kompakten SUV Tonale möchte Alfa es nun deutlich Volumen-kompatibler angehen – allerdings ohne erneut einen alten Fehler zu begehen und lediglich Konzernmaterial per Alfa-Logo zu veredeln. Der Tonale basiert zwar auf der vom Jeep Compass bekannten "Small-Wide"-Plattform, liefert aber in vielerlei Hinsicht für Alfa originäre Technik und einen eigenen Charakter. Seine Größe platziert ihn in Konkurrenz zu Audi Q3, BMW X1 & Co., allerdings setzt der Tonale die bereits mit dem Stelvio eingeführte Strategie fort, tendenziell eines der geräumigeren Fahrzeuge einer Klasse zu sein: Der Kofferraum des Tonale ist groß, im Fond sitzen auch drei Passagier:innen mittelstreckentauglich und das Cockpit passt selbst für Sitzriesen. Material und Qualität sind gut, mit einer kompletten Assistenzsystem- und Infotainment-Ausstattung lässt der neue Alfa Romeo Tonale (2022) auch in Sachen Modernität nichts anbrennen. Digitale Instrumente verbinden sich mit funktionalen Software-Oberflächen und analog-edlem Erscheinungsbild. Dass der Tonale moderne Konnektivitätsansprüche elegant durch die Integration des Amazon-Sprachdienstes "Alexa" bedient, hätte man noch erwarten können – die Umsetzung eines digitalen NFT-Blockchain-Zertifikats (unter dem beispielsweise die komplette Fahrzeughistorie manipulationssicher gespeichert werden kann) eher nicht. Hier wird Alfa Romeo zum Vorreiter. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
Der Alfa Romeo Stelvio (2017) im Fahrbericht (Video):
Erste Testfahrt mit dem neuen Alfa Romeo Tonale (2022)
Und trotzdem wollen alle Alfisti des Planeten nun natürlich wieder nur eines wissen: Fährt der neue Alfa Romeo Tonale (2022) wie ein echter Alfa? Selbst Alfa Romeo-CEO Jean-Philippe Imparato gibt das als Mindesterwartung aus, definiert aber auch ein weiteres Ziel, das man sich für den Tonale gesteckt hat: Er soll Kund:innen "zu Alfa Romeo zurückholen, die man an Wettbewerber verloren" hat. Die Messlatte fürs erste Kompakt-SUV der Marke liegt also hoch, denn "Fahren wie ein echter Alfa" und das Attribut "Volumenmodell" haben nicht zwingend eine Schnittmenge. Beim Blick auf die Technik ist klar: Alfa geht mit der Zeit. Zwei 48V-Mildhybrid-Benziner mit 130 PS (96 kW) oder 160 PS (118 kW) und Doppelkupplungsgetriebe bilden die Basis, ein Diesel sowie ein sportlich ausgelegter Plug-in-Hybrid folgen später. Handschalten und die Drehzahlnadel glühen lassen ist also out, es geht ums Sparen und Gleiten, um Effizienz und Moderne. Rangieren kann der Mildhybrid sogar rein elektrisch und ist so eher ein "Volumenmodell 2022" als ein "Cuore sportivo". Fahren lässt sich der Tonale mit dem getesteten 160-PS-Antrieb agil, sauber, freundlich – man kann ihn wirklich mögen. Rote Ohren vor lauter Fahrfreude wird er einem aber nicht machen. Ähnliches gilt bei unserer ersten Testfahrt für das Fahrwerk: Gänzlich unsperrig wirbelt der neue Alfa Romeo Tonale (2022) los, fühlt sich genauso kompakt an, wie er ist, schlenzt mit leichtgängiger Lenkung durch einen urbanen Alltag. Autobahnetappen nimmt er tapfer, hier geht es nicht um Speed und Druck, sondern um niedrigen Verbrauch. Haken dran, auch das kann der Tonale. Sein Fahrwerk ist sportlich abgestimmt, deutsche Bundesstraßen sind ihm also lieber als italienische Provinz-Winkel, aber durch rabiate Härte blamieren tut sich der Tonale trotzdem nicht. Nur beim Rumtoben bleibt die etwas zu leichtgängige, rückmeldungsarm abgestimmte Lenkung unserem inneren Nuvolari echte Targa Florio-Momente schuldig. Dass das stabile und gutmütige Chassis für Härteres taugt, bleibt leider verborgen.
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Technische Daten des neuen Alfa Romeo Tonale (2022)
AUTO ZEITUNG 11/2022 | Alfa Romeo Tonale |
Technische Daten | |
Motor | 1,5-Liter-Vierzylinder; 48V-Mildhybrid |
Getriebe/Antrieb | 7-Gang-Doppelkupplungsgetr.; Vorderradantrieb |
Leistung | 118 kW/160 PS |
Max. Drehmoment | 240 Nm |
Karosserie | |
Außenmaße (L/B/H) | 4528/1835/1601 mm |
Leergewicht/Zuladung | 1600/535 kg |
Kofferraumvolumen | 500 bis 1550 l |
Fahrleistungen (Werksangaben) | |
Beschleunigung (0-100 km/h) | 8,8 s |
Höchstgeschwindigkeit | 212 km/h |
Verbrauch auf 100 km (Werk) | 6,2 l S |
Kaufinformationen | |
Basispreis | 36.300 Euro |
Marktstart | Sommer 2022 |
Wer verstehen will, wohin es mit Alfa Romeo geht, sollte Jean-Philippe Imparato bei Hintergrundgesprächen genau zuhören. Der Alfa-CEO preist zuerst pflichtschuldig die Tradition der Marke, ihren sportlichen Kern, das Feuer der Fans – und dann kommt er zum eigentlichen Punkt. Dass Alfa Romeo Geld verdienen muss und zudem einen signifikanten Beitrag zur CO2-Reduktion der Stellantis-weiten Modellpalette leisten soll. Also: Erfolgreiche SUV bauen, Konzern-Synergien nutzen, elektrifizieren. Im Klartext: Die Emozioni der Alfisti sollen zwar weiterhin respektvoll abgeholt und so gut wie möglich bedient werden, können aber nicht mehr alleiniger Vermarktungs-Maßstab sein. Alfa Romeo verabreicht diese bittersüße Pille zusammen mit dem neuen Marken-Mantra: Gemeint ist die "effiziente Sportlichkeit". Was das konkret bedeutet, zeigt die 280 PS (206 kW) starke Plug-in-Hybrid-Version des neuen Alfa Romeo Tonale, die nun oberhalb der 130-PS- und 160-PS-Mild-Hybrid-Varianten (und eines 130-PS-Diesels) nachgeschoben wird: Der neue Alfa Romeo Tonale Plug-in-Hybrid Q4 (2022) setzt auf eine Antriebs-Kombination aus kleinvolumigem 1,3-Liter-Turbo-Vierzylinder samt Sechsgang-Automatik an der Vorderachse und einer 90-kW-E-Maschine für die Hinterachse. Um hier schmalzigen Durchzug, spielerische Leistungscharakteristik und emotionalen Nervenkitzel zu ernten, müssen die Komponenten aber nicht nur famose Einzelkämpfer-Qualitäten aufweisen, sondern auch exzellente Teamworker sein. Das umzusetzen, ist Alfa Romeo leider nicht gelungen, wie unsere erste Testfahrt zeigt. Den Drehmoment-Biss seiner E-Maschine zündet der Tonale oft etwas zu spät – der kleine Verbrenner hängt da bereits lauthals krähend alleingelassen in den Seilen und rackert sich mit dem 1,8 Tonnen schweren SUV ab. Die Sechsgang-Automatik schaltet dabei oft entweder einen Tick zu spät oder zu früh, und die Übergänge zwischen Verbrenner und E-Antrieb könnten verschliffener und harmonischer sein. Sportlich sparen funktioniert so nicht – der Antrieb des neuen Alfa Romeo Tonale Plug-in-Hybrid Q4 (2022) möchte entweder bei sehr defensiver Fahrweise geschont oder im Sportmodus per Bleifuß gescheucht werden.
Erste Testfahrt mit dem Alfa Romeo Tonale Plug-in-Hybrid Q4 (2022)
Dass man bei Alfa Romeo sportliche Fahrzeuge bauen kann, auch wenn sie SUV sind, beweist hingegen das Chassis: Souverän flitzt der neue Alfa Romeo Tonale Plug-in-Hybrid Q4 (2022) bei der ersten Testfahrt über kurvige Bergstraßen, lässt sich mit beruhigender Stabilität und transparenter Agilität bis tief in Kehren hineinbremsen und prescht dann – jetzt schiebt die E-Maschine an der Hinterachse spürbar engagiert – mit satter Traktion wieder aus den Serpentinen heraus. Dabei nimmt der Tonale trotz dieser tendenziell sportlichen Abstimmung auch derbe Straßenoberflächen mit Anstand, behält stets die Kontrolle. Schade, dass Alfa Romeo sich für eine betont leichtgängige Lenkungsabstimmung entschieden hat, die eine diffuse Mittellage mit sehr progressivem Charakter bei zunehmenden Lenkwinkeln verbindet und obendrein wenig Feedback bietet. Auch hier scheint man sich bei Alfa Romeo an einer Mainstream-Kundschaft orientiert zu haben, die beim selbstvergessenen Dahinbummeln präzises Ansprechen als zu fordernd fürchtet und wenige Minuten später, wenn man dann doch mal "heizen" möchte, einen aufgescheuchten Lenkungscharakter mit Sportlichkeit verwechselt. Dabei muss aber klar gestellt werden: Die beschriebenen Schwächen sind nur ein Teil des Charakters des neuen Alfa Romeo Tonale Plug-in-Hybrid Q4 (2022). Dass er ein ausgesprochen schönes, solide verarbeitetes und in Sachen Ergonomie wie Funktionalität sehr gut gemachtes Auto ist, prägt den Umgang mit ihm sehr wesentlich. Man dreht sich gern nach ihm um, er hat Platz und Stil, ist modern ausgestattet und präsentiert sich als ausgesprochen sympathischer Alltagsbegleiter.
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Technische Daten des Alfa Romeo Tonale Plug-in-Hybrid Q4 (2022)
AUTO ZEITUNG 25/2022 | Alfa Romeo Tonale Plug-in-Hybrid Q4 (2022) |
Technische Daten | |
Motoren | 1,3-Liter-Vierzylinder-Turbo + permanenterregte Synchronmaschine |
Getriebe/Antrieb | 6-Stufen-Autom.; Allrad |
Gesamtleistung | 206 kW/280 PS |
Max. Drehmoment | 520 Nm |
Karosserie | |
Außenmaße (L/B/H) | 4528/1841 (2082)/1601 mm |
Leergewicht/Zuladung | 1835/510 kg |
Kofferraumvolumen | 385-1430 l |
Fahrleistungen (Werksangaben) | |
Beschleunigung (0-100 km/h) | 6,2 s |
Höchstgeschwindigkeit | 206 km/h |
Verbrauch auf 100 km | 1,14 l S |
Elektrische Reichweite | über 80 km (WLTP) |
Kaufinformationen | |
Basispreis (Testwagen) | 51.000 Euro |
Der hübsche und gut gemachte Alfa Tonale geht klar auf Volumenkurs: Als bezahlbares Kompakt-SUV ist er für viele da. Hardcore-Alfisti müssen auf sportlichere Varianten warten. Auf dem Papier ist die Mission CO2-Sparen geglückt. Mit einer urbanen, rein elektrischen Reichweite von über 80 Kilometer und geringem WLTP-Verbrauch kann sich der Tonale Q4 als modernes Muster-SUV präsentieren. In der Praxis dürfte der eigentlich sehr sympathische Alfa aber überzeugender abgestimmt sein.