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Geht auch ganz einfach:

McLaren 650S Spider/Mercedes SLS AMG GT: Vergleichstest 650 S und SLS sind starke Gegner

Inhalt
  1. McLaren 650S und Mercedes SLS AMG GT: offene Sportwagen
  2. Die Engländer forderten weniger Kompromisse
  3. Hautnaher Fahrspaß im 650S Spider
  4. Großes Kino: Der SLS AMG bietet pures Fahrerlebnis

McLaren 650S Spider gegen Mercedes SLS AMG GT Roadster – das ist der spannende Vergleich zweier hochklassiger Sportwagen und das Protokoll einer erfolgreichen Scheidung

Das konnte ja irgendwie nicht gutgehen: Mercedes-Benz hatte sich mit einer 40-Prozent-Beteiligung ins coole Racing-Imperium des McLaren-Imperators Ron Dennis eingekauft. Zusammen wollte man die Formel 1 dominieren – und darüber hinaus eine starke Partnerschaft für atemberaubende Supersportwagen zwischen Woking und Untertürkheim installieren.

 

McLaren 650S und Mercedes SLS AMG GT: offene Sportwagen

Als leuchtendes Vorbild der kommenden deutsch-englischen Sportwagen-Linien galt die Neunziger-Jahre-Legende McLaren F1 – jener straßenzugelassene GT-Renner, der von Star-Konstrukteur Gordon  Murray entworfen wurde und bis heute als eines der kompromisslosesten, schnellsten und spektakulärsten Straßenautos gelten darf.

Das Ergebnis der Intimbeziehung zwischen dem fanatisch auf Effizienz getrimmten Formel 1-Rennstall aus Britannien und dem global agierenden Traditions-Vollsortimenter war allerdings keine neue Hypersport-Legende, sondern der Mercedes-Benz SLR McLaren. Schon über den Namen müssen sich die Schwaben mit den Engländern ganz gewaltig gestritten haben.

Ist es ein McLaren-Mercedes? Ein Mercedes-McLaren? Oder einfach ein Mercedes mit McLaren-Modellbezeichnung? Das Auto war zu groß, trotz Kohlefaser-Monocoque zu schwer, es bremste holzig, es lenkte unharmonisch, und es sah aus wie ein SL im Karneval.

 

Die Engländer forderten weniger Kompromisse

Die Engländer wollten ihre Beteiligung am liebsten unter den Teppich kehren. Ihrer Meinung nach hätte der SLR deutlich kompromissloser, mittelmotoriger, englischer sein müssen. Sobald aber die Schwaben genau das taten – die englische Beteiligung unter den Teppich kehren –, schwoll den Ingenieuren aus England der Kamm.

Sechs Jahre, nachdem der letzte von 2157 Mercedes SLR (geplant war eine Serie von 3500 Exemplaren) die McLaren-Fertigung im Vereinigten Königreich verlassen hat, scheinen sich die Wogen längst geglättet zu haben.

Hinter den Kulissen hat die gemeinsame Geschichte von AMG, McLaren und Mercedes-Benz aber jede Menge Fragen offen gelassen. Und die Handelnden scheinen sich geschworen zu haben, im nächsten Anlauf alles richtig zu machen.

An einem sonnigen Junitag 2014 treten die  Erben des SLR gegeneinander in den Ring. Für den Mercedes SLS AMG Roadster ist es allerdings bereits die letzte Fahrt, für den McLaren 650S Spider die erste Ausfahrt der AUTO ZEITUNG auf der Nürburgring-Nordschleife.

Flammendes Orange, sichelförmige LED-Scheinwerfer, Mittelmotor-Konfiguration, bedingungslos auf Highspeed und Abtrieb getrimmte Aerodynamik, reduziertes Racer-Cockpit – der McLaren 650S stellt klar, wie man Supersportwagen konstruiert, wenn der Hauptjob die Formel 1 ist.

Seit 2011 hat McLaren mit dem 12C an der SLR-Schmach gearbeitet, und jetzt tritt der 650S an, um auch noch die letzten Schwächen  seines  Vorgängers auszumerzen. Es bleibt das Kondensat der Extreme, ein Auto, das so kompromisslos und gleichzeitig geschliffen ist, dass man ihm seine Radikalität auf den ersten Blick ansieht.

Die Türen schwenken nach vorne/oben, wir rutschen ganz leicht in den Fahrersitz. Der 650S hält die theatralischen Alltags-Eskapaden anderer Supersport-Konzepte also für reine Effekthascherei. Warum ächzend und der Bandscheiben-OP nahe ins Auto robben, wenn es auch federleicht geht?

Die Sitzposition ist erstaunlich moderat. Man wird zwar maximal dicht am Asphalt platziert, doch gleichzeitig ist der gesamte Armaturenträger so tief und kompakt, dass der Überblick nach vorne jederzeit gewahrt bleibt. Rennautos sind so.

Oh, und unter der fließend nach oben strebenden Mittelkonsole mit ihrem genialen Hochformat-Display (dass da niemand zuvor darauf gekommen ist!) hat der 650S auch noch eine größere Ablagefläche als viele Mittelklasseautos. Alles wirkt gut durchdacht.

Zentraler, großer Analog-Drehzahlmesser, eingerahmt von Digital-Instrumenten für die eher nicht so wichtigen Informationen. Die Verarbeitung ist ausgezeichnet, hier ist nichts zu spüren von Kleinserien-Knausrigkeit, aber der McLaren ergeht sich auch nicht in schwülstiger Premium-Opulenz. Er ist ein Werkzeug, das minimale Anpassung erfordert, das Auto sitzt nach wenigen Metern bereits perfekt.

Motorstart – und was jetzt kommt, ist wirklich eigentümlich: Der McLaren hat ein ganz eigenwilliges Motorgeräusch, sein Vierliter-Biturbo-V8 klingt nicht nach breiten Cowboy-Schultern, nicht nach Spitfire oder Messerschmitt, nicht nach heiß brennender Amore Italiana, sondern  nach – ja, wirklich – gemächlich dahinwummerndem Schiffsdiesel. Okay, nach einem sehr hektischen Schiffsdiesel, aber immerhin.

Und so wummern wir aus dem Fahrerlager auf die Strecke hinaus. Gaspedal – Hammer! Der Biturbo explodiert in einer geraden Linie. Das ist keine Beschleunigung, das ist die Eröffnung einer Lücke im Raum-/Zeit-Kontinuum.

Das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe lädt derweil so unmerklich die Gänge nach, dass man an die Fortbewegung mit Eingang-Getriebe glauben möchte: keine Schaltvorgänge spürbar, null, nichts. Nur völlig reiner, außerirdischer Schub. Eine unheimliche, synthetische Droge aus der legalen Küche in Woking. Ein Schuss in die Blutbahn und du siehst Sterne.

Das Ende der ersten Geraden ist viel zu schnell da, ein Tritt auf die Bremse und siehe da: Beschleunigung geht auch in Negativumkehrung. Mit unnachgiebiger, lässig saugender Energie bekommt der 650S derart brutal einen Stock in die Speichen geschoben, dass man seine eigene Gehirnmasse von innen an die Stirn drücken spürt.

Es ist aber nicht allein die bloße Bremskraft, sondern vor allem die zarte, anrührende Dosierbarkeit der serienmäßigen Carbon-Keramik-Bremse, die so verblüfft. Millimetergenau Bremspunkte aus Lichtgeschwindigkeit heraus setzen – ein McLaren 650S kann genau das, was ein SLR nie konnte.

 

Hautnaher Fahrspaß im 650S Spider

Eintauchen in die Kurve, und das Auto verwandelt sich in die Verlängerung des eigenen Körpers: Nicht der 650S krallt sich hier in den Asphalt, wir sind es! Spüren jede Unebenheit in der Fahrbahn, jede Bewegung, und das wird alles so präzise und analytisch dargeboten, dass man zu keiner Zeit das Gefühl hat, schwitzend in einem Auto zu sitzen, sondern die Fahrt auf ein G-Kräfte-Koordinaten-System abgetragen zu beobachten. X-Achse, Y-Achse, Z-Achse. Alles unter Kontrolle.

Wie er das macht? Die McLaren-Ingenieure erzählen von ausgefeilter aktiver Aerodynamik aus dem Formel 1-Windkanal, von mehrstufiger Traktionskontrolle, aktivem Fahrwerk und von Brake Steer, bei dem das  kurveninnere  Hinterrad bei hohen Kurvengeschwindigkeiten  abgebremst wird, um ein Untersteuern zu verhindern. Am Ende der Runde hat der McLaren 650S das SLR-Trauma jedenfalls restlos aufgearbeitet.

Und wir gleich mit. Aber da ist ja noch ein zweiter Kandidat, der auf eine schnelle Sitzung wartet: Nie hat sich AMG weiter von der Mutter mit dem Stern emanzipiert als man es mit dem selbst konzipierten, selbst entwickelten SLS AMG versuchte – und gleichzeitig hat der wilde Kraftlackel aus Affalterbach AMG direkt ins Herz von Mercedes geführt.

Heute verwachsen AMG und Mercedes-Benz immer mehr, die Zusammenarbeit ist intensiv und vertrauensvoll – was zu Zeiten des Mercedes SLR McLaren undenkbar schien. Die  Missverständnisse zwischen der sportlichen Tochter und dem Mutterkonzern sind passé. Spätestens, seit  AMG 2009 den SLS aus der Taufe hob, haben sich die Beziehungen normalisiert.

Auch in Untertürkheim wird der Flügeltürer mit Stolz akzeptiert und als innovatives und mehr als vollwertiges Mitglied der Mercedes-Familie angesehen. Tatsächlich baute die AMG-Mannschaft den Supersportler ganz schlackenfrei, undiplomatisch und mit den flachen Hierarchien eines kleinen Teams. Der SLS AMG gab Mercedes-Benz ein neues, kompetentes und mitreißendes Gesicht.

Vier Jahre später sind der Flügeltürer des 21. Jahrhunderts und sein knackiger Roadster-Bruder, die zumindest ideell echten Nachfahren des legendären Mercedes-Benz SL-Flügeltürers, bereits wieder im Modellauslauf. Große Saugmotor-V8-Boliden sind vom Aussterben bedroht, so etwas wird es tatsächlich nie wieder geben.

 

Großes Kino: Der SLS AMG bietet pures Fahrerlebnis

Der weiße Final Edition-Roadster mit der schwarzen Carbon-Motorhaube und dem großen Heckflügel scheint kaum auf seinen letzten Auftritt warten zu können, mit qualmenden Hinterrädern hechtet er auf den Kurs. Da ist er, der rabiate, rockende Antritt  eines  großvolumigen Saug-V8, diese unmittelbare, lustvolle Beschleunigungs-Entladung des unerbittlich zupackenden und immer weiter pressenden Hochdrehzahl-Motors.

Während sich der McLaren 650S aber gebärdet wie eine außerirdische Höllenharfe, drückt der SLS AMG mit analoger, wuchtiger Energie voran. Hier siehst du die rechte Gerade noch kommen – im McLaren wunderst du dich nur über deine Kopfschmerzen. Aber natürlich trifft der SLS seinen englischen Kontrahenten wiederum durch den hart hämmernden, aus tiefer Brust grollenden Sound unter der Gürtellinie.

Das wütende Hornissensummen des 650S ist auch nicht zu verachten,  im  direkten Vergleich aber – pah! In den ersten Kehren schreibt der SLS AMG dann ein weiteres Kapitel ins Buch der Autotechnik: Front/Mittelmotor – präzises Einlenken, ein sich gutmütig ankündigender Grenzbereich, gegenüber dem radikaleren Mittelmotorkonzept etwas weniger Transparenz, weniger absolute Schärfe, aber auch einen Hauch mehr Verortbarkeit.

Und der SLS AMG ist immer noch einer der Besten. Die gelungene Gewichtsverteilung durch das nach hinten versetzte Transaxle-Getriebe und den tief zur Fahrzeugmitte geschobenen V8 ist spürbar. So beweglich, so wach, so glamourös.

Die enormen Keramik-Bremsscheiben bekommt der SLS nur gegen Aufpreis mit auf die Reise. Ein weiterer Hinweis, dass er im Gegensatz zum McLaren eben doch kein reinrassiges Rennstrecken-Werkzeug sein möchte: Seine serienmäßigen Stahlbremsscheiben packen nahezu ebenso derbe zu, bieten aber nicht die dieselbe unerbittliche Standfestigkeit im hemmungslosen Racing-Betrieb.

Genau hier räumt der McLaren 650S den SLS AMG  völlig  unsentimental weg, der Mercedes hat nicht den Hauch einer Chance. Aber seine Stärke ist die Emotion, das große Kino im Alltag. Nun rollt der SLS AMG in den Nebel der Geschichte, mit ihm geht der Autowelt ein großer Entertainer und Performer verloren. Ob es jemals wieder einen Flügeltürer geben wird, steht in den Sternen. Der Mercedes-AMG GT soll das Erbe antreten.

Beim nächsten Versuch dürfen die Affalterbacher ihr eigenes Auto sogar „Mercedes-AMG“ nennen. Das hat nichts mit einem Vertrauensbonus zu tun, das Auto-Business ist schließlich keine karitative Angelegenheit. Aber es zeigt, dass man bei Mercedes-Benz aus der wenig erfolgreichen SLR-Nummer gelernt hat. Keine Rücksicht mehr auf Eitelkeiten nimmt, sondern direkt den Weg zum Erfolg sucht. Sportwagen bauen – das ist eben eine Sache für Spezialisten.

 

TECHNIK  
 McLaren 650S SpiderMercedes SLS AMG GT Roadster
Motor
V8-Zylinder, 4-Ventiler, Bi-Turbo-Aufladung, Trockensumpfschmierung
V8-Zylinder, 4-Ventiler, Trockensumpfschmierung
Hubraum3799 cm³6208 cm³
Leistung478 kW / 650 PS bei 7250 /min420 kW / 591 PS bei 6800/min
Max. Drehmoment678 Nm bei 6000 /min650 Nm bei 4750/min
Getriebe7-Gang-Doppelkupplung7-Gang-Doppelkupplung, Transaxle-Anordnung
AntriebHinterradHinterrad
Fahrwerkrundum: Doppelquerlenker, Federn, adapt. Dämpfer, aktibver Wankausgleich; ESC (ESP)v.: Doppelquerlenkerachse, McPherson-Federbeine, Stabilisator; h.: Doppelquerlenkerachse, Federn, Dämpfer, Stabilisator; ESP
Bremseninnenbelüftete Scheibenbremsenrundum: innenbelüftete/perforierte Scheiben
Reifenv.: 235/35 R 19 Y; h.: 305/30 R 20 Yv.: 265/35 R 19 Y; h.: 295/30 R 20
Felgenv.: 8,5 J x 19; h.: 11 J x 20v: 9,5 J x 19, h.: 11 J x 20
L/B/H4512/2093/1203 mm4638/1939/1262 mm
Radstand2670 mm2680 mm
Leergewicht/Zuladung1468 kg / k.A.1620 kg / 315 kg
Kofferraumvol.k.A.176 l
Tankinhalt72 l85 l
FAHRLEISTUNGEN  
0-100 km/h3,0 s3,8 s
Höchstgeschwindigkeit1329 km/h317 km/h
EU-Verbrauch111,7 l SP/100 km13,2 l S/100 km
CO2-Ausstoß1275 g/km308 g/km
Grundpreis255.000 Euro233.835 Euro
1Werksangaben  

Johannes Riegsinger

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