Der chinesische Autohersteller Great Wall Motor hat sein Angebot neu strukturiert: Der Wey 03 tritt als Plug-in-Hybrid-SUV mit rekordverdächtiger E-Reichweite zum Test an.
Eine gute Nachricht vorweg: Für den Vertrieb der Modelle von Great Wall Motor, zu denen Wey und Ora gehören, ist auf dem hiesigen Markt die Emil Frey-Gruppe verantwortlich – eine seriöse und etablierte Händlergruppe mit Sitz in der Schweiz. Fünf Jahre Neuwagengarantie ohne Kilometerbegrenzung schaffen zusätzliches Vertrauen.
Ob der GWM Wey 03 Letzteres verdient, muss er auf der Teststrecke und im Alltag beweisen. Die annähernd 4,70 m Außenlänge sortieren den Newcomer zwischen den Kompakt- und den Mittelklasse-SUV ein: BMW X3 und Mercedes GLC sind ein paar Zentimeter länger, VW Tiguan & Co. ein gutes Stückchen kürzer. Die klassisch geformte Karosserie versteckt die aufwendige Technik gut. Der mit nutzbaren 28,9 kWh recht große Akku sitzt im Unterboden, an den beiden Achsen versteckt sich jeweils ein E-Motor, während ein 2,0-l-Vierzylinder nebst Neungang-Doppelkupplungsgetriebe den Raum unter der Motorhaube für sich beansprucht.
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Der Wey Coffee 01 (2022) im Fahrbericht (Video):
So schlägt sich der GWM Wey 03 im AUTO ZEITUNG-Test
Für die maximal fünf Fahrgäste bleibt ein angenehmes Platzangebot, mit dem sich der GWM Wey 03 nicht vor der etablierten Konkurrenz verstecken muss. Abgesehen vom stechenden Geruch gefallen auch die Materialien. Viele weiche Oberflächen und elegante Sitze mit Alcantara-Bezug schmeicheln dem Auge, und auch die Verarbeitung geht in Ordnung.
Der Sitzkomfort fällt im Test jedoch ab, da die weiche Polsterung kaum Unterstützung – etwa für den Rücken – bietet, was auf langen Strecken rasch ermüdet. Eine Lordosenstütze und eine ausziehbare Sitzfläche könnten helfen, müssen allerdings extra geordert werden (Sitzkomfort-Paket, 700 Euro). Der Kofferraum ist trotz hoher Ladekante gut nutzbar, hält aber nur ein überschaubares Maximalvolumen bereit. 459 kg Zuladung beschränken die Alltagstauglichkeit zusätzlich.
Die Konkurrenten:
Komplexe Bedienung und viele Assistenten
Bei der Bedienung des GWM Wey 03 gibt es ebenfalls mehr Schatten als Licht. Positiv fallen im Test etwa das serienmäßige Head-up-Display, das die (zu) kleinen, digitalen Instrumente sinnvoll ergänzt, die intuitive Getriebebedienung via Wählhebel und das separate Bedienfeld für die Klimaanlage auf. Dieses bietet zudem einen Schnellzugriff auf andere Einstellungen, etwa für das ESP.
Der große Touchscreen, der prominent auf dem Armaturenträger sitzt, ist gut erreichbar. Allerdings reagiert er zum Teil langsam auf Eingaben und missfällt außerdem mit vielen Untermenüs. Diese muss man oft – manche vor jeder Fahrt – ansteuern, um den GWM Wey 03 und seine Assistenzsysteme nach den eigenen Vorstellungen zu konfigurieren. Sowohl das stark bevormundende Fahrer:innen-Überwachungssystem als auch die nervige Tempowarnung müssen, wenn nicht gewünscht, vor jeder Fahrt in verschiedenen Menüs deaktiviert werden. Feinschliff fehlt etwa auch beim Spurhalteassistenten, der das Fahrzeug deutlich linkslastig positioniert und somit wenig vertrauensvoll wirkt.
Viel Leistung, schwache Bremsperformance
Ein wahres Pfund ist dagegen der Antriebsstrang des chinesischen Newcomers: Der eher wenig beeindruckende, 204 PS (150 kW) starke Benziner wird äußerst effektvoll vom elektrischen Motoren-Tandem unterstützt, das die Systemleistung des GWM Wey 03 AWD auf 442 PS (325 kW) schraubt. Versammelt man die volle Leistung, hebt es den Vorderwagen aus den Federn, und die Fuhre setzt sich mit Nachdruck in Bewegung, wie die Messwerte unseres Tests belegen.
In Bewegung bleibt die Karosserie allerdings dauerhaft, weil das Fahrwerk recht weich abgestimmt wurde. Das SUV wogt teils unangenehm über Unebenheiten und lässt zu keinem Zeitpunkt sportliche Gefühle aufkommen, die der Antriebsstrang zu wecken versucht. Auch das Neungang-Doppelkupplungsgetriebe funktioniert am besten, wenn man es ruhiger angehen lässt – unter Last wirkt es im Test bisweilen überfordert, wenn die Gänge über Gebühr ausgedreht und nur mit Verzögerung gewechselt werden.
Wirklich überzeugend präsentiert sich das SUV im Elektro-Fahrbetrieb: Leise, ausreichend kraftvoll und bis zu 128 km weit lässt es sich stromern. Weil der GWM Wey 03 zudem schnellladen kann, handelt es sich hier um einen der praktikabelsten Plug-in-Hybride. So kann man auch verschmerzen, dass die Lenkung über alle Einstellungen hinweg nur wenig Gefühl bietet und bei hohem Tempo sehr indifferent um die Mittellage arbeitet. Verbesserungswürdig präsentieren sich allerdings die im Test zu langen Bremswege – Ganzjahresreifen hin oder her.
Ist der Preis des GWM Wey 03 wirklich heiß?
55.900 Euro muss man für den GWM Wey 03 AWD mindestens auf den Tisch des Händlers blättern. Dabei wuchert der Chinese mit seiner umfangreichen Luxury-Ausstattung, die nur wenige Wünsche offen lässt. Die Schnellladefähigkeit, eine 360°-Kamera sowie das Head-up-Display sind moderne Annehmlichkeiten, die beim Wey – und das ist keinesfalls selbstverständlich – serienmäßig sind. Dass man sich dennoch mit der kurzen Aufpreisliste beschäftigen sollte, liegt an den nicht optimalen Sitzen. Hier dürfte das fair eingepreiste Sitzkomfort-Paket die Lösung darstellen.
Kann man auf den Allradantrieb verzichten, dann wird man mit der 367 PS (270 kW) starken Frontantriebsvariante wohl kaum schlechter fahren – denn auch sie kann Schnellladen und ähnlich weit elektrisch fahren. Der Grundpreis fällt mit 47.900 Euro allerdings deutlich geringer aus. Bleiben zu guter Letzt noch zwei große Unbekannte: Der Wertverlust und auch der Wiederverkauf des Plug-in-Hybrid-SUV lassen sich derzeit nur schwer prognostizieren.
Technische Daten & Messwerte
AUTO ZEITUNG 17/2024 | GWM Wey 03 AWD |
Positiv | Hohe elektrische Reichweite, gute Schnellladefähigkeit und erfreuliches Preis-(Motor-)Leistungs-Verhältnis |
Negativ | Lange Bremswege, eher mäßiger Sitzkomfort und eine geringe Zuladung |
Technik | |
Motor | 4-Zylinder, 4-Ventiler, Turbo, Direkteinspritzung; 1998 cm³; 2 permanenterregte Synchronmaschinen |
Antrieb | 9-Gang-Doppelkupplungsgetriebe; Allrad, elektronisch |
Systemleistung | 325 kW/442 PS |
Leistung Verbrenner/E-Motor | 150 kW (204 PS), 6000-6300 U/min / vorne: 120 kW (163 PS), hinten: 135 kW (184 PS) |
Systemdrehmoment | 685 Nm |
Drehmoment Verbrenner/E-Motor | 320 Nm, 1500-4000 U/min / vorne: 325 Nm, hinten: 232 Nm |
Kapazität brutto/netto | 34,0/28,9 kWh |
Karosserie | |
Außenmaße (L/B/H) | 4668/1890 (2140)*/1730 mm |
Leergewicht (Werk/Test) | 2220/2211 kg |
Kofferraumvolumen | 517-1289 l |
Fahrleistungen | |
Beschleunigung 0-100 km/h (Test) | 4,8 s |
Höchstgeschwindigkeit (Werk) | 230 km/h |
Bremsweg aus 100 km/h kalt/warm (Test) | 40,0/41,8 m |
Verbrauch auf 100 km (Test/WLTP) | 5,8 l Super + 14,5 kWh/0,5 l Super + 24,3 kWh |
Elektrische Reichweite (Test) | 128 km |
Preise | |
Grundpreis | 55.900 € |
Testwagenpreis | 56.750 € |
*Breite mit Außenspiegel |
Die Furcht vor Autos aus Fernost ist unbegründet, wie der GWM Wey 03 beweist: Seinen größten Vorteil, die enorme Elektro-Reichweite, verdankt er seinem für PHEV-Verhältnisse großen Akku. Im Test weisen Bremsen, Fahrwerk und Sitze jedoch im Vergleich zur teureren Premiumkonkurrenz spürbare Defizite auf.