GM Futurliner: Der Bus, der die Zukunft zeigte
Als eine Herde roter Elefanten durch die USA rollte
Bevor Internet und Fernsehen die Massen informierten, tourte General Motors mit einer Leistungsschau zu Industrie, Forschung und Technik durch die USA. Ihr Herzstück: Zwölf gigantische Busse namens GM Futurliner. Das steckte hinter den ikonischen Zukunftsbussen!
Wir schreiben das Jahr 1936: Während auf der anderen Seite des Atlantiks dunkle Wolken am Himmel der Geschichte aufziehen, erholen sich die Vereinigten Staaten von Amerika schleppend von der als "Great Depression" bekannten Wirtschaftskrise von 1929. Inmitten dieser düsteren Tage tourt eine Herde aus acht stromlinienförmigen Riesenbussen durch das Land. Die Roadshow namens "Parade of Progress" wird von 57 Mitarbeitenden des Konzerns begleitet, die mit einer Bühnenshow und animierten Exponaten selbst in den abgelegensten Winkeln des Landes veranschaulichen sollen, wie Forschung und Technik das Leben in der Zukunft verbessern sollen.
Die Idee dafür ging auf den GM-Forschungsdirektor Charles Kettering zurück, der den Bürger:innen der USA die Geschichte der Industrie und Forschung näherbringen wollte. Begleitet von 32 aktuellen Modellen der Marke GM, rührten die gigantischen GM Streamliner kräftig die Werbetrommel für General Motors, auch in Kuba, Mexiko und Kanada.
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Der GM Futurliner als Bote der Technologie von Morgen
Die Show erwies sich als voller Erfolg. Für General Motors stand fest, dass eine zweite Parade des Fortschritts mit neuen Fahrzeugen stattfinden musste. Entworfen nach den Vorstellungen des damaligen GM-Designchefs Harley Earl, wurden dafür neue riesige Busse von der GM-Firma Yellow Truck & Coach Manufacturing Company in Pontiac, Michigan, in die Realität umgesetzt. Das Blech fertigte die ebenfalls zu GM gehörende Fleetwood Fisher Body Division.
Die zehn Meter langen, 2,50 m breiten und 3,60 m hohen Kolosse hörten auf den Namen GM Futurliner und brachten stolze 13,5 t auf die Waage. Nicht zuletzt deshalb erhielten die Busse den Beinamen "Rote Elefanten". Für die Zwecke der Show ließen sich die rund fünf Meter langen Seitenwände ausklappen, um Bühnen zu bilden, die mit wechselnden Ausstellungen bestückt wurden. Mithilfe eines 0,5 PS (0,37 kW) starken Motors konnte ein 4,5 m langer Lichtmast auf eine Höhe von 5,48 m ausgefahren werden. Ein integriertes Lautsprechersystem rundete ihre PR-Talente ab.
Angetrieben wurden die automobilen Giganten zunächst von einem 4,9-l-Vierzylinder-Dieselmotor, der 150 PS (110 kW) und 355 Nm zur Verfügung stellte. Zwei jeweils 170 l fassende Treibstofftanks sorgten für die nötige brennbare Energie. Gekoppelt an ein manuelles Viergang-Getriebe, sollen die Futurliner eine Höchstgeschwindigkeit von rund 64 km/h erreicht haben. Die Zwillingsreifen an der Vorderachse waren servogelenkt, während jedes der vier Räder seine eigene Bremse hatte. Assistenzsysteme, wie das Autronic-Eye, das bei entgegenkommenden Fahrzeugen automatisch das Scheinwerferlicht ab- und wieder aufblendete, sollten das Fahren der Ungetüme erleichtern.
Frei von Problemen waren die großen Technikwunder allerdings nicht. So versagten wohl gerne die Servopumpen aufgrund der hohen Kräfte und auch die Bremsen litten unter dem enormen Gewicht. Es ist sogar die Rede davon, dass die Personen am Steuer angewiesen wurden, einen Sicherheitsabstand von mindestens 91 m zueinander einzuhalten.
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Die "Parade of Progress" tourt mit 58 l Hubraum durch die USA
Nichtsdestotrotz rollte die Flotte der Roten Elefanten anlässlich der New Yorker Weltraumausstellung im Jahr 1941 erneut über den Asphalt der amerikanischen Straßen. Ihre Zahl war nun auf Zwölf gewachsen. Jeder Bus trug eine eigene Ausstellung in seinem Inneren, die mit klangvollen Namen wie "Power of the Air Age", "Miracles of Heat and Cold" oder "Diesel Power Parade" Düsentriebewerke, Küchengeräte, Dieseltechnologie oder Werkzeuge zur Schau stellten.
In ihrem Schlepptau: das extra für den Anlass gefertigte 46 x 24 m große GM "Aer-O-Dome"-Zelt, das Platz für 1500 Menschen bot und aus einem Aluminium-Exoskelett bestand, 22 stromlinienförmige Futurliner-Transporter und -Zugmaschinen sowie 24 Exponate, die sich mit den Errungenschaften von Forschung und Technik sowie mit den Möglichkeiten von "morgen" befassten. Bis zum Kriegseintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg im selben Jahr tourten die GM Futurliner so ausgestattet durch insgesamt 251 Städte der USA.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ging es für die Futurliner-Flotte zwischen 1953 und 1956 ein letztes Mal auf die "Parade of Progress". Dafür wurden sie von GM umfangreich modernisiert. Das zunächst ähnlich einem Flugzeug in Kuppelform designte Cockpit wurde angepasst, da die in 3,35 m Höhe sitzenden Personen am Steuer vor allem in Staaten wie Kalifornien durch die fehlende Klimatisierung unter großer Hitze leiden mussten. Den Dieselmotor ersetzte GM durch einen 4,9 l großen Sechszylinder-Benzinmotor. Gekoppelt an ein Viergang-Hydramatic-Automatikgetriebe mit Zweigang-Schaltgetriebe leistete das OHV-Triebwerk nun 147 PS (108 kW) und stellte 355 Nm Drehmoment bereit.
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Das Fernsehen machte dem Futurliner den Garaus
Mit der zunehmenden Verbreitung von privaten Fernsehgeräten ging die Ära der GM Futurliner allerdings zu Ende. Ein großes Publikum erreichte man damit ab 1956 nun in den eigenen vier Wänden und konnte so auf kürzerem und weit weniger kostenintensiverem Wege Werbung für neue Produkte aus Industrie und Forschung machen.
Doch was geschah mit den zwölf Riesenbussen? General Motors verkaufte die Fahrzeuge an diverse Firmen und Privatleute, spendete sogar zwei der Michigan State Police. Nach und nach fanden die Giganten allerdings ihren Weg in Sammlerhände. Heute ist lediglich der Verbleib von neun Exemplaren bekannt. Futurliner Nummer Eins, Zwei und 12 gelten als verschollen. Futurliner Nummer Drei ist hingegen in unserer Bildergalerie zu sehen. Der "Power for the Air Age"-Bus wurde nach diversen Stationen in Sammlerhänden im Jahr 2014 umfangreich durch die amerikanische Firma Kindig It Design restauriert und befindet sich in altem Glanz in privatem Besitz. Über Fahrzeug Nummer Vier wird in Fan-Kreisen gemunkelt, dass er eine Verwendung als Ersatzteilspender fand und dem Erhalt anderer Exemplare verhalf.
Futurliner Nummer Fünf wurde 2002 nach einer Ersatzteilspende zu einem Autotransporter umgebaut und später an einen deutschen Autohandel verkauft, der ebenfalls Bus Nummer Sieben und Neun erwarb. Nummer Sechs soll sich im Besitz eines amerikanischen Busunternehmens befinden, während Futurliner Nummer Acht als Restaurationsprojekt in Schweden residieren soll. Der Öffentlichkeit präsentiert sich mittlerweile wieder der zehnte GM Futurliner. Der ebenfalls restaurierte Oldtimer lässt sich im National Auto & Truck Museum in Auburn, US-Bundesstaat Indiana, bewundern. Eine Vorstellung über den Wert eines GM Futurliners gibt uns Wagen Nummer Elf. Der rote Elefant wurde im Jahr 2015 für eine Summe von vier Millionen US-Dollar im Rahmen einer Auktion verkauft.