Faszinierender Vergleich: Dacia Duster & Dacia Sandrider
Duster trifft auf bösen Zwilling
Wir fahren den neuen Dacia Duster – smart, vernünftig und mit einem großartigen Preis-Leistungs-Verhältnis – , um seinen bösen Zwilling, den Dacia Sandrider in einem Vergleich kennenzulernen, der sich auf sein Dakar-Debüt vorbereitet. Vom Tagesausflug in die Hölle, bitte ...
Sobald man die ersten Dacia in Frankreich sieht, hört es nicht mehr auf. Sie sind überall: Duster, Sandero, der alte Logan, Lodgy, Dokker und der neue Jogger. Aber der Dacia, den wir heute sehen werden, unterscheidet sich grundlegend von all diesen vernünftigen, preisgünstigen, funktionalen Familienautos: Der Dacia Sandrider, Dacias erster Werksbeitrag zur berüchtigten Dakar-Rallye, ist ein mutiger Schritt. Ob dies der Beginn eines neuen Kapitels, eine Fußnote zum letzten oder ein völliger Irrweg sein wird, kann nur die Zeit zeigen. Wir fahren für einen Vergleich dorthin.
Für die Fahrt zu unserem Ziel holen wir einen Dacia Duster von einer unscheinbaren Seitenstraße im Südwesten von Paris ab und tauchen fast sofort in ein urbanes Meer aus Dacia-Modellen ein. Es ist keine Illusion. Dacia ist eine der größten Erfolgsgeschichten der Automobilindustrie der letzten Jahre. Die neuesten Verkaufszahlen bestätigen die Position als zweitmeistverkaufte Marke im europäischen Einzelhandel, wobei der Duster seinen Platz als eines der drei meistverkauften Autos auf dem Kontinent festigt. Beeindruckende Leistung für einen Hersteller, von dem vor zehn Jahren viele noch nie gehört hatten. Um herauszufinden, ob der neue Duster der dritten Generation Dacias Vormarsch zur europäischen Dominanz fortsetzen kann, begeben wir uns auf einen 800-km-Roadtrip von Paris zur Mittelmeerküste, wo wir die wildere Seite dieses französisch-rumänischen Herstellers kennenlernen werden.
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Leslie & Cars fährt den Dacia Duster Extreme (2024) im Fahrbericht (Video):
Dacia Duster besucht seinen bösen Zwilling Dacia Sandrider für einen Vergleich
Nachdem wir den Pariser Verkehrs-Wirbelsturm mit unserem Dacia Duster unversehrt hinter uns gelassen haben, öffnet sich die A10 Richtung Süden nach Orléans vor uns wie eine perfekt gepflegte dreispurige Autobahn nach Valhalla. Mit einem Startpreis von unter 20.000 Euro (Stand: August 2024) ist der Duster extrem preiswert, aber bei höheren Geschwindigkeiten zeigen sich einige Einsparungen. Die flache, stark geneigte Windschutzscheibe und das stumpfe Vorderteil erzeugen reichlich Windgeräusche, die nur von den fröhlichen Klängen von Chérie FM übertönt werden, während der Mildhybrid-Dreizylinder-Turbobenziner von Renault mit seinem Punch nur die wenigsten Konkurrenten in einem Vergleich beeindrucken dürfte.
Und doch gibt es wenig, was auf die preisgünstigen Wurzeln des Dusters hinweist. Der Innenraum ist gesegnet mit Stauraum und das Infotainmentsystem ist geschmeidig und benutzerfreundlich. Neu eingeführte Fahrerassistenzsysteme (deren Fehlen früheren Dacia in den Euro NCAP-Sicherheitstests teuer zu stehen kam) können durch einen Doppelklick auf einen Knopf deaktiviert werden.
Mit der Zeit im Nacken nehmen wir eine Abkürzung auf die A75. Vor uns liegt das Viadukt von Millau. Die Wolken durchdringen die höchste Brücke der Welt und ihre beeindruckende Silhouette lässt alles unter ihren strahlend weißen Pfeilern bedeutungslos erscheinen, als ob sie daran erinnern will, dass die meisten Autos trotz Mehrpreis im Grunde nichts bieten, was nicht auch der 20.000-Euro-Duster liefern kann. Große, schwere Elektroautos und SUV mit steigenden Preisen gibt es zuhauf. Und gerade, weil erschwingliche, kostengünstige Autos langsam vom unteren Ende des Angebots verschwinden, ist Dacias Timing so perfekt.
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Der Dacia Sandrider ist ein Biest
Mit 877 km auf dem Tacho seit Paris, rollen wir mit dem Dacia Duster gerade rechtzeitig ins Château de Lastours (eine Art privater Spielplatz mit über 80 km Schotterstrecke), um Dacias neuestes Fahrzeug, den Sandrider, nach einem Testlauf ins Paddock zurückkehren zu sehen. Blankes Carbon umhüllt das Rohrrahmen-Chassis, mit winzigen Überhängen vorne und hinten, die seine kompakten Proportionen dominieren. Dacia sahen eigentlich immer freundlich und zugänglich aus. Nicht dieser hier. Der Sandrider wird Dacias Debüt bei der Dakar-Rallye 2025 geben und auch an der Weltmeisterschaft in der Rallye-Raid teilnehmen. Dass eine Marke mit marginaler Erfahrung im Offroad-Motorsport gleich mit dem härtesten Rennen der Welt einsteigt, ist schon bemerkenswert.
Und doch, je mehr wir uns umsehen, desto vertrauter fühlt sich der Dacia Sandrider an. Als Dacia 2022 das Dacia Manifesto-Konzept gezeigt hat, feierten auch Elemente wie das Starkle-Material und das YouClip-Zubehörsystem Premiere. Beides entdecken wir nun in diesem Duster. Wie viele Konzepte und Studien sollte auch der Manifesto nie in die reale Welt gelangen. Aber die Ähnlichkeit zwischen ihm und dem Sandrider ist verblüffend. Dacia behauptet unschuldig, die Idee für das Dakar-Programm sei erst nach dem Designprozess für den Manifesto entstanden.
Die Technik des Sandriders wurde in Zusammenarbeit mit der Karosserieschmiede Prodrive aus Banbury durchgeführt – kein Unbekannter Name im Dünen-Motorsport, der mit sieben seiner Hunter genannten Fahrzeuge an der Dakar 2024 teilnahm. Dacia betont, dass es sich beim eigenen Sandrider nicht bloß um einen umgestalteten Prodrive Hunter handelt. Der Sandrider habe zwar aus den Erfahrungen des Hunters im Renneinsatz gelernt, doch Motor und Fahrwerk seien anders und die Aufhängung wurde weiterentwickelt. Der Sandrider ist also ein richtiger Dacia.
Auf der Piste entfacht der Sandrider ein Inferno
Aber auf diesem Niveau braucht es mehr als nur Herstellerunterstützung und ein schnelles Auto – die Pilot:innen müssen für den Renneinsatz perfekt auf das Auto abgestimmt sein. Und in dieser Hinsicht hat Dacia nichts dem Zufall überlassen. Wenn die Dakar ihre eigene Version der Fantasy Premier League hätte, würde die Kombination aus Nasser Al-Attiyah (fünffacher Dakar-Sieger), Cristina Gutiérrez (erste Klassensiegerin bei der Dakar und Extreme-E-Championesse 2022) und Sébastien Loeb (Fahrlegende) das Budget schneller sprengen, als Todd Boehly "Financial Fair Play" sagen kann. Um den Sanrider in Aktion zu erleben, steigen wir bei Gutiérrez ein, die – nach ihrem Sieg bei der Dakar 2024 in der T3 Challenger-Klasse – erstmals in die T1-Kategorie aufsteigt. Neues Auto, unbekannte Strecke, ein Pressemitglied auf dem Beifahrersitz – trotzdem ist Gutiérrez absolut in ihrem Element.
Wirbel aus orangem Staub schießen hinter uns in die Luft, während wir im Dacia Sandrider wie eine wildgewordene Hornisse auf Schienen die ersten paar hundert Meter der Strecke entlangsausen. Die vereinzelten Wolken am idyllisch türkisen Himmel über uns stehen in scharfem Kontrast zur Gewalt, die sich ein paar tausend Meter darunter abspielt. Dacia ist auf Abwegen und wir klammern uns verzweifelt fest. Davon lässt sich Cristina Gutiérrez nicht beunruhigen. Mit weit aufgerissenen Augen, die auf die Strecke vor uns gerichtet sind, zeigt sie auf den Tacho, als wir die 160 km/h passieren. Anders als bei Sébastien oder Nasser ist für sie der Reiz, das ultimative Dakar-Auto zu fahren, noch längst nicht abgeklungen. Ganz im Gegenteil. Die 37-Zoll BF Goodrich Offroad-Reifen krallen sich in Fels und Staub, als wären wir auf Asphalt, während der 3,0-l-V6 uns mit einem Schlag in die Nieren aus den Kurven herauskatapultiert – mit dem Dacia Duster hat der hier nichts mehr gemein. Die ersten paar Kurven sind eine sensorische und physische Überlastung und wir fragen uns, wie viel mehr wir ertragen können, doch nach ein paar angestrengten Minuten, beginnt uns die technische Tiefe des Autos zu überzeugen.
Aus Angst wird Genuss
Der Schalensitz ist äußerst bequem, die Sicht durch die "schwebende" Motorhaube hervorragend, die Klimaanlage stark und das anpassbare Bildschirm- und Schaltsystem liefert jede Menge Informationen, um durch die Wüste zu navigieren. Doch Gutiérrez weiß, wohin sie fährt, und steuert auf Sprünge zu, als wären es harmlose Bodenwellen. Mit fast 113 km/h heben wir ab und stellen uns auf einen ordentlichen Aufschlag ein. Doch stattdessen fühlt es sich an, als würde uns eine unsichtbare Hand kurz vor dem Aufprall sanft auffangen und den Dacia Sandrider behutsam wieder auf den Boden setzen. Während die Sprünge größer und waghalsiger werden, bleiben die Landungen konstant – über zwei Tonnen Rallye-Raid-Metall und Kohlefaser kommen wie eine Feder in einer sanften Brise wieder auf die Erde zurück.
Nach der Fahrt sprechen wir mit dem technischen Direktor Philip Dunabin, und fragen nach dem Geheimnis der verblüffenden Aufhängung. Seine Erklärung: "Beim Landen hast du einen langen Federweg (Serienreglement: max. 350 mm). Es fließt eine enorme Menge Arbeit in die Dämpfer, die Dämpfereinstellungen und in die Federn. Ein weiteres großes Element in diesem Zusammenspiel sind die sehr große Reifen. Triffst du auf Felsen und Unebenheiten auf, federn sie schon einen Großteil des Aufpralls ab."
Die Tatsache, dass unsere Wirbelsäule nicht völlig zerstört ist, zeugt von der Qualität der Technik, die uns hier präsentiert wurde. Ein weiteres Zeichen für die gute Arbeit beim Sandrider: Die Zuverlässigkeit war in den ersten Tests erstklassig. Doch die Frage, die bleibt, ist: warum Dakar und warum jetzt? Dacia-Teamchef Tiphanie Isnard erklärt: "Es entspricht völlig dem Geist der Käuferschaft. Wir wollen etwas durch menschliches Abenteuer, menschliche Erfahrung erleben – und die Dakar ist genau das." Und eigentlich ist doch die ganze Geschichte von Dacia ein einziges großes Abenteuer: vom Logan über den Duster bis hin zum Sandrider und was auch immer als Nächstes kommt. Und es gibt keine Hinweise darauf, dass die Reise bald zu Ende sein könnte.