Chevrolet Camaro 6.2 V8/Corvette Stingray: Test Downsizing? Kennen die nicht!
Was für ein Test: Mit der durchtrainierten Corvette und dem kraftstrotzenden Camaro lässt Chevrolet zwei extrem reizvolle Sportler auf die deutschen Kunden los. Dabei untergräbt ihr betörend frei saugender 6,2-Liter-V8 die Downsizing-Ägide der Neuzeit – nachhaltig!
Camaro gegen Corvette – das ist ein Test gegen das Downsizing. Warum soll man sich Etwas vormachen? In von Turboladern fast bis zum Bersten aufgeladene Kleinzylinder oder gar säuselnde Elektromotoren kann man sich einfach nicht verlieben. Trotz aller Hochachtung für die technische Raffinesse, die Sensorik und die mühevolle Feinabstimmung am Rechner lassen sich unsere Emotionen von moderner Komplexität nur schwer beeindrucken. Bringt sich dagegen ein 6,2 Liter großer Stoßstangen-V8 nach dem Anlassen mit einer kurzen Donnerschlag-Salve aus vier armdicken Endrohren in Stellung, dürfte auch der müdeste Beobachter plötzlich hellwach sein. Dass ausgerechnet Chevrolet für solche Gefühlsausbrüche verantwortlich ist, überrascht. Schließlich verabschiedeten sich die Amerikaner vor einigen Jahren mit Kleinwagen aus koreanischer Fertigung vom europäischen Markt. Mit Camaro und Corvette Stingray kehrten sie aber aufsehenerregend zurück – ein erster Vergleichstest der beiden topaktuellen Modelle mit nahezu gleichem V8 unter der Haube.
Corvette im Video:
Test: Camaro gegen Corvette
Das Konzept des Stoßstangen-V8 mit zwei hängenden Ventilen je Zylinder ist älter als die Geschichte der Corvette selbst und trotzdem ein potentes Motorenkonzept. Denn mit den drehfaulen Niedrigtour-Blubberern der Urzeit hat dieses Aggregat nichts mehr zu tun. Der Test zeigt: Bei jeder Drehzahl ab 1000 U/min aufwärts hängt der Kurzhuber wie ein Rennmotor am Gas, schiebt mit über 600 Nm mächtig voran und entfaltet seine enorme Leistung bis fast 7000 /min mustergültig homogen, begleitet von schmetternd ansteigenden Gänsehaut-Fanfaren aus dem Heck. Dabei lässt sich die V8-Sinfonie über die Siebengang-Handschaltung der Corvette viel präziser dirigieren als über die Schaltpaddel der Achtstufen-Automatik (2000 Euro) im Camaro. Der kleine Leistungsunterschied von 13 PS zugunsten der Corvette ist bei den Fahrleistungen vernachlässigbar. Beide schaffen den Spurt auf Tempo 100 in 4,3 Sekunden, die 200-km/h-Marke ist nach gut 14 Sekunden geknackt. Für Technikfans: Die Amerikaner offerieren im Jahr 2016 übrigens Direkteinspritzung, variable Ventilsteuerung und die bedarfsweise Abschaltung von vier Zylindern. Auch wenn man diesen Vorgang im Teillast-Alltag und diesem Test vor allem in der Corvette deutlich spürt, so gehören Verbräuche von mehr als 20 Litern damit der Vergangenheit an. Der Camaro pegelt sich bei 12,8 Litern auf 100 Kilometern ein, die Corvette mit Siebengang-Handschaltung bei 13,3 Litern.
Testwagen mit großer Fahrdynamik
Das gewaltige Drehmoment gelangt bei beiden direkt über das bei Bedarf automatisch sperrende Differenzial an die Hinterachse. Und: Drift- und Burnout-Freunde kommen damit voll auf ihre Kosten. Doch Camaro und Corvette sind alles andere als einfache Reifenvernichter. Richtig an die Hand genommen, überzeugen sie als extrem potente Rundenzeitenjäger, auch wenn die immense Kraft selbst an schnellen Kurvenausgängen feinfühlig gezügelt werden will. Die Kurventempi sind jedenfalls beeindruckend. Beim Camaro wünscht man sich allerdings etwas mehr Gefühl in Lenkung und Bremspedal, die Corvette hingegen ist der Traum eines jeden Sportfahrers. Auch dieser Test zeigt, dass sie für die Rennstrecke gemacht ist. Mit superber Rückmeldung, gutmütigem Grenzbereich und extrem neutraler Abstimmung macht sie vor allem in den Kurven des Handlingkurses über 2,5 Sekunden auf den Camaro gut. Auf der Gerade und beim Anbremsen herrscht hingegen Gleichstand zwischen beiden.
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Karosserie: Corvette grazil, Camaro grob
Gerade 1,24 Meter hoch ist die grazile Corvette. Dagegen wirkt der aufrechte und zehn Zentimeter höhere Camaro wie ein ungehobeltes Raubein. Doch durch die tiefe Sitzposition hat man auch hier das Gefühl, in einem echten Sportwagen zu sitzen. Die Übersicht ist wegen der kleinen Fenster, der bulligen Motorhaube und der breiten C-Säule im Camaro aber deutlich schlechter als in der großzügig verglasten Corvette. Die kommt serienmäßig mit Kameras vorn und hinten daher. Der knapp 4,80 Meter lange Camaro hält immerhin mit einer Rückfahrkamera dagegen. Platz gibt es hier wie dort ausreichend – wohlgemerkt für zwei Personen. Denn auch wenn der Camaro im Gegensatz zur Corvette eine Rücksitzbank besitzt, dient diese doch eher der zusätzlichen Gepäckablage. Die umklappbaren Rückenlehnen erhöhen den Nutzwert des Camaro obendrein. Die Corvette kontert mit einem brauchbaren Geheimfach hinter dem elektrisch versenkbaren Bildschirm. Beiden Amis gemein ist die gute Serienausstattung mit Leder, Zweizonen-Klimaanlage, Sitzheizung, einem Achtzoll-Touchscreen und kompletter Navi- sowie Multimedia-Bestückung. Dabei ist die Bedienung nicht sonderlich schwierig. Allerdings fehlen auch viele Sicherheitssysteme in der Aufpreisliste. Der Camaro bietet immerhin einen serienmäßigen Toter-Winkel-Warner. Die Verarbeitungsqualität der beiden Testautos ist den Preisen angemessen. Das heißt aber, dass man beim Schnäppchen Camaro (Zweiliter-Turbo ab 39.900 Euro) keine Wunder erwarten darf. Die Vette dagegen gefällt trotz Kunststoff-Karosse mit einer ultrafesten Struktur und solider Verarbeitung.
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Viel Komfort in beiden Test-Chevys
Generell sind Sportwagen in Sachen Komfort sicher keine Offenbarungen, doch beide Amis eignen sich gut zum entspannten Cruisen. Auf den weichen, dick gepolsterten und zudem noch serienmäßig klimatisierten Camaro-Sesseln hält man die entspannte Gangart aber sicher ein paar Stunden länger aus. Schon deswegen, weil die Dämmung von Motor- und Windgeräuschen hier besser gelungen ist. Im Vergleich ist die Corvette jedenfalls eine kompromisslose Krawallmaschine, deren aufdringliche Art auf langen Strecken schon mal nerven kann. Die Sitzposition in der Stingray lässt obendrein gerade mit den Competition-Sportsitzen (1850 Euro) etwas zu wünschen übrig. Auch wenn einen das Gestühl bei sportlicher Fahrweise kräftig in die Zange nimmt, würde man gern etwas tiefer sitzen. Und für Großgewachsene wären ein paar Zentimeter mehr Längseinstellung ein Segen. Die Cockpitausrichtung auf den Fahrer, die lange Armauflage und der gut positionierte Schalthebel zeichnen die Sportwagen-Ikone aber aus. Und wirklich erstaunlich gut abgestimmt ist das grundsätzlich straffe Fahrwerk. Selbst auf schroffen Kanten offenbart die Flunder im Test keine übertriebene Härte. Vorder- und Hinterachse sind sehr homogen abgestimmt und zeigen selbst auf unruhigem Untergrund für Sportwagenverhältnisse erstaunliche Gelassenheit. Hier entpuppt sich der Camaro als unharmonischer: Rollen die Vorderräder noch sanft über Bahngleise, poltert die Hinterachse an gleicher Stelle regelrecht.
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Preis-Leistung stimmt beim Camaro
Der 453 PS starke Camaro 6.2 V8 bietet sich für nur 45.900 Euro regelrecht billig an. Hier gibt es also ein ganzes PS für rund 100 Euro – nirgendwo sonst dürfte man mehr Leistung fürs Geld bekommen. Nicht einmal im selben Haus, denn für die Corvette müssen bei vergleichbarer Ausstattung und nahezu identischem Motor mindestens 79.500 Euro bezahlt werden. Bei den Unterhaltskosten liegen beide auf etwa demselben Niveau.
Technische Daten
Technische Daten | Chevrolet Camaro Coupé 6.2 V8 | Chevrolet Corvette Stingray |
Motor | V8 | V8 |
Hubraum | 6162 ccm | 6162 ccm |
Leistung | 453 PS | 466 PS |
Max. Drehmoment | 617 Nm | 630 Nm |
Getriebe | 8-Stufen-Automatik | 7-Gang, manuell |
Antrieb | Hinterrad, Sperrdifferenzial | Hinterrad, mech. Sperrdifferenzial |
L/B/H in mm | 4784/1880/1340 | 4493/1887/1239 |
Leergewicht | 1659 kg | 1539 kg |
Verbrauch | 12,8 l SP/100 km | 13,3 l SP/100 km |
0-100 km/h | 4,3 s | 4,3 s |
Höchstgeschwindigkeit | 290 km/h | 290 km/h |
Preis | 45.900 Euro | 79.500 Euro |
Platzierung | 1 | 2 |
Wer sich für den sündhaft günstigen Chevrolet Camaro oder die messerscharfe Chevrolet Corvette interessiert, der hat es nicht so sehr mit der Zurückhaltung. Dabei sind die beiden Testwagen mehr als nur extrovertierte Showcars. Im Alltag auch mal lammfromm, liefern sie sich dank gleichem 6,2-Liter-V8 auf der Rennstrecke ein Spitzenduell mit infernalischem Sound, Urgewalt und gut beherrschbarem Handling. Top ausgestattet sind beide obendrein. Als besserer Allrounder gewinnt hier der Camaro vor allem wegen seines niedrigen Preises deutlich. Für die kompromisslosere Corvette sind fast 35.000 Euro mehr fällig – ein hoher Aufpreis, den man unter Umständen erst auf der Rennstrecke verstehen kann.