CES 2023 (Las Vegas): Highlights der Messe
Die CES wird zum heimlichen Autostar
Mehr denn je mutiert die CES 2023 zu einem heimlichen Höhepunkt im Autokalender – dafür stehen spektakuläre Studien von BMW und Peugeot genauso wie die Vorpremiere des neuen Elektro-Topmodells von VW.
"All in" – normalerweise hört man dieses Kommando in Las Vegas vor allem an den Spieltischen, wenn das gesamte Guthaben auf Sieg gesetzt wird. Doch Anfang Januar 2023 schallt dieser Ruf lautstark auch aus der imposanten Westhall des Las Vegas Convention Centers – genauer, von der CES 2023, wo die Automobilindustrie ihre neue Heimat auf der Elektronikmesse CES gefunden, die Herausforderungen von Mobilitätswende und Digitalisierung angenommen und sich mit einem "All in" felsenfest zur Zukunft bekannt hat. Während herkömmliche Automessen in der Bedeutungslosigkeit verschwinden, wird die CES zum heimlichen Höhepunkt im Autojahr, bei dem mehr Showcars und Designstudien gezeigt werden als etwa bei der IAA in München oder der LA Autoshow. Allerdings geht es bei dieser Motorshow im Tarnkleid längst nicht mehr um Motoren. Digitalisierung ist das alles übergreifende Thema und die Königsdisziplin für eine erfolgreiche Zukunft, sagt zum Beispiel BMW-Entwicklungsvorstand Frank Weber und rollt als Beweis die Studie i Vision DEE auf die Bühne. Diese Vision für eine "Digital Emotional Experience" ist nicht nur der eindrucksvolle Beweis dafür, dass sie in München doch noch Autos zeichnen können, die begeistern statt provozieren. Sie ist auch der bislang konkreteste Ausblick auf die sagenumwobene "Neue Klasse", mit der BMW zur Mitte der Dekade die nächste Stufe der elektrischen Revolution zünden und erst einmal 3er und X3 ersetzen will. Mit dem Showcar demonstriert BMW, wie es bei den künftigen Modellen Wirklichkeit und Vision, Realität und Animation verschmelzen wollen. "Mixed Reality Slider" heißt das zentrale Bedienelement, das im ansonsten vollkommen nackten Cockpit des handlichen Viertürers aufflammt und das Mischungsverhältnis zwischen realer und virtueller Welt regelt. Je nachdem, wie weit der Finger über die Leuchtleiste gleitet, beschränkt sich die Darstellung deshalb auf klassische Anzeigen relevanter Fahrinformationen, blendet die Inhalte aus den digitalen Kommunikationskanälen der Insass:innen ein, taucht in deren Social Media-Welten ein oder lässt die reale Umgebung in fast schon psychedelische Phantasien voller Pril-Blumen übergehen. Und dabei beschränkt sich die Darstellung nicht auf die üblichen Displays: Anstelle eines Bildschirms hinter dem Lenkrad und einer Flimmerfläche im Armaturenbrett bespielt BMW bei der Studie die gesamte Innenseite der Frontscheibe, die mit einer besonders platzsparenden Anzeigetechnik zum vollflächigen Head-up-Display wird. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
Der Volvo Concept Recharge (2021) im Video:
Die Highlights der CES 2023
Ganz so weit wie BMW sind die anderen deutschen Aussteller bei der CES 2023 eher nicht. VW zeigt im Vorgriff auf die Weltpremiere des ID.7 als ernsthaftem Tesla-Gegner mit 700 Kilometern Reichweite und endlich auch ausgereiftem Bediensystem einen Prototyp, der nur wegen seines Lackes auffällt, weil der auf Knopfdruck zwischen zwei Dutzend Farben changieren kann. Frühere Stammspieler wie Audi und Mercedes gehen da schon ein wenig unter: Während die Vier Ringe zwar das Versprechen einer Holoride-Serienlösung mit spielerischen VR-Erlebnissen auf der Rückbank einlösen und Mercedes mit der Ankündigung eines weltweiten, eigenen Ladenetzes im Stil der Tesla Supercharger auch eine wichtige Botschaft hat, gibt es hier wie dort keine neuen Autos zu bestaunen. Eine Überraschung ist dagegen der Auftritt des Stellantis-Chefs Carlos Tavares. Ja, ein ebenso sauberer wie smarter Elektro-Pick-up wie der Ram 1500 Revolution ist eine überfällige Antwort auf den Ford F-150 Lightning und passt mit seinen riesigen Bildschirmlandschaften sowie 130 kWh Akkukapazität auch gut auf die Tech-Show. Doch Tavares hat auch einen neuen Peugeot mitgebracht und muss diese Marke vielen Menschen erst einmal erklären. Neu ist die dezidierte Elektroplattform, auf der ab 2025 und 2026 Marken wie Opel, Citroën, DS und eben auch Peugeot konkurrenzfähige E-Autos mit alltagstauglichen Ladeleistungen und Reichweiten von bis zu 800 Kilometern bauen. Und egal, ob die Amis das Löwenlogo kennen oder nicht, wissen auch sie das spektakuläre Design des rasiermesserscharfen Coupés zu würdigen, schmunzeln über eine Fensterkuppel mit dem gleichen Isolierglas wie bei Helmen der Nasa und staunen über die nächste Evolutionsstufe des i-Cockpits, das mit Steer-by-Wire-Technik zu einer Art Spielekonsole für den Straßenverkehr wird. Auch interessant: Alles zur CES 2023
Selbst Sony mischt im Autokonzert mit
Ja, der Peugeot Inception Concept kann auch autonom fahren, der Jeep Wrangler lässt Passagier:innen am Start einer Wanderung raus und sammelt sie am Ziel wieder ein und der Ram folgt einer Person etwa auf der Farm oder der Baustelle in Schrittgeschwindigkeit wie ein treuer Hund an der Leine, doch im Großen und Ganzen ist autonomes Fahren bei der CES 2023 für die Autohersteller kein großes Thema. Das heißt allerdings nicht, dass es in Las Vegas keine Roboter auf Rädern gibt, dafür ringen ersten die Zulieferer mit smarter Software, schlauen Sensoren und starken Prozessoren um lukrative Aufträge für kommende Assistenzsysteme und Autopiloten und zweitens drängen führerlose People Mover und Lieferwagen für die letzte Meile auf die Überholspur. Nicht zuletzt mischen sich immer wieder neue Marken unter die Aussteller der CES 2023. Das gilt nicht nur für Start-ups wie den türkischen Hoffnungsträger Togg oder das holländische Lightyear, das in Las Vegas die Bestellbücher für sein zweites Auto geöffnet hat und Ende 2025 mit einem Modell für unter 40.000 Euro an den Start gehen will, das dank Solarzellen auf der Karosse mit einer Akkuladung 800 Kilometer weit kommt und dreimal seltener laden an die Steckdose muss als ein Serienstromer. Nein, das gilt sogar für Elektronik-Giganten wie Sony, das mit Honda einen Prototyp auf die Messe stellt, der 2025 in Serie gehen soll "All in" heißt also nicht nur, dass die Autobauer selbst voll auf Zukunft setzen, sondern auch, dass in der PS-Welt plötzlich (wieder) alle mitmischen wollen.
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