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Geht auch ganz einfach:
Alle Infos zum Jaguar I-Pace

Brake by Wire von Bosch: Testfahrt mit Pads statt Pedalen

Nicht mehr lang bis zur Champagnerbremse

Guntram Fiala Produkttest-Redakteur
Inhalt
  1. Ruckfrei verzögern ist komplizierter geworden
  2. Brake-by-wire macht sanftes Bremsen noch sanfter, Notbremsungen aber noch spontaner
  3. Keine haptische Rückmeldung vom ABS

Bremsen wird in Zukunft digitaler und komfortabler: Brake-by-wire ersetzt das Bremspedal durch einen Drucksensor. Unnötiges Rucken gehört damit der Vergangenheit an, wie unsere erste Testfahrt zeigt.

 

Ruckfrei verzögern ist komplizierter geworden

Bremsen war mal ziemlich einfach. In dieser seligen Ära genügte es, den Druck aufs Bremspedal zu erhöhen, um die Verzögerung zu verstärken. Dann kamen Hybrid- und Elektroautos. Um wertvolle kinetische Energie nicht einfach in Abwärme zu verwandeln, gilt es seitdem, beim Verzögern zunächst wie mit einem großen Dynamo zu rekuperieren und mit dieser zurückgewonnenen elektrischen Energie die Batterie zu speisen. Erst beim starken Verzögern oder kurz vor dem Stillstand greift die mechanische Bremse ein und reibt die Bremsscheiben warm. Doch genau dieser Übergang vom rekuperativen zum abrasiven Bremsen gerät häufig zur ruckeligen Angelegenheit.

Auch für Feinmotoriker wird das korrekte Dosieren der Bremse so zur Herausforderung. Und selbst in Chauffeurslehrgängen, in denen Profis das sanftestmögliche Verzögern bis zum Stillstand lernen sollen, damit ihre Passagiere:innen keinen Tropfen edlen Champagners verschütten, herrscht Frust.
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Brake-by-wire erklärt: Video

 
 

Brake-by-wire macht sanftes Bremsen noch sanfter, Notbremsungen aber noch spontaner

Wenn man Bosch Glauben schenken darf, ist es aber nicht mehr weit bis zur sogenannten Champagnerbremse für alle. Das Zauberwort: Brake by wire, auf Deutsch also Bremsen per Kabel. Dabei wird das reguläre Bremspedal durch einen trittfesten Sensor, Control Pad genannt, ersetzt, jegliche mechanische Verbindung zwischen rechtem Fuß und Bremssystem gekappt. Analog zur vollelektrischen Lenkung (Steer-by-wire) wird der Impuls auf den Sensorpad in ein elektrisches Signal übersetzt. Fortan dosiert also ein Elektronenhirn den Bremsdruck. Im Jaguar I-Pace, den die Entwicklungsabteilung von Bosch zum Versuchsträger aufgerüstet hat, macht es das bei unserer Testfahrt deutlich besser als ein durchschnittlich begabter Bremsfuß. Bei Verzögerungen bis zu 0,3 g – weit entfernt von einer Vollbremsung, die auf trockener Straße rund einem g entspricht – stoppt das Auto extrem sanft bis zum Stillstand. Der Übergang von der Rekuperation zum mechanischen Bremsen gerät so flüssig, dass man ihn nicht mehr wahrnimmt. Auch der Ruck, der normalerweise das Anhalten signalisiert, bleibt aus. Da schwappt weder Champagner noch Cola. Selbst ein Wackeldackel bliebe weitgehend cool. Und das funktioniert selbst in schwierigen Situationen, etwa beim Anhalten am Hang. Allerdings fühlt sich der geringe "Pedalweg" des Pads ungewohnt an. Im Testwagen beträgt der nur drei mm. Bremsfuß und-wade müssen sich daran gewöhnen, dass Druck und Bewegung nun weitgehend entkoppelt sind. Aber das ließe sich auch ändern und sogar individuell konfigurieren: Pads, die erheblich mehr Pedalweg offerieren, sind bereits in der Erprobung. Und Fahrer:innen eines Citroën DS, der schon seit den Fünfzigerjahren mit starker hydraulischer Unterstützung und steinhartem Pedal bremst, wissen, dass man sich daran gewöhnen kann.

 

Keine haptische Rückmeldung vom ABS

So sanft das Bosch-System beim leichten Verzögern agiert, so brutal wird es, wenn es hart auf hart kommt. Bei Notbremsungen beißt die Bremse im I-Pace erbarmungslos und gefühlt ohne Verzögerung zu. Selbst wenn der Jaguar dabei in den Regelbereich des ABS bremst, bleiben Vibrationen im Pad aus. Das ist einerseits ein Komfortgewinn, andererseits ein Verlust an Rückmeldung, denn im Zweifel ist es gut, über womöglich rutschigen Untergrund beim Bremsen informiert zu werden. Mit dem Brake-by-wire-System kommt dieses Feedback allein über die ABS-Warnlampe im Instrumentenblock. Aber es gibt andere positive Effekte: Ohne das Gestänge im Fußraum sind Füße und Beine im Falle eines Crashs deutlich besser geschützt. Die Pads sind erheblich kompakter als herkömmliche Pedale, auch der Geräuschkomfort profitiert von der mechanischen Entkopplung und der Aufwand, um ein Auto auf Rechtslenkung umzurüsten, ist gering.

Um die Sicherheit des Systems zu garantieren, sind alle Sensoren, Kabel, die Steuereinheit und Aktuatoren wenigstens doppelt vorhanden. Damit dies auch für die Versorgung mit Strom gilt, ist das System vor allem für Hybrid- und Elektromodelle gedacht. In Serie wird es aber nicht vor 2026 kommen. Pads, die das Gaspedal ersetzen werden, noch etwas später. Dann aber können zumindest die Rückpassagier:innen die Korken knallen lassen. Außer bei Notbremsungen und flotter Kurvenfahrt dürften sie keinen Schaumwein mehr verschlabbern.

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