Audi SQ7/Bentley Bentayga Diesel: Test Kann der Audi Q7 auch Bentayga?
Die Engländer beweisen Mut und bringen im Bentayga den ersten Diesel der Firmengeschichte. Der potente Achtzylinder steckt baugleich auch schon im Audi SQ7. Höchste Zeit für ein Kräftemessen.
Die Briten haben es derzeit schwer, denn vieles ist im Umbruch: Der Brexit spaltet das Land, die Schotten streben nach Unabhängigkeit und eine der britischsten Automarken bricht mit der Tradition. Im neuen Bentayga gibt es jetzt erstmals einen Dieselmotor. Ein Antrieb, den die vornehme Kundschaft bislang allenfalls in den Arbeitsgeräten der Werktätigen des Commonwealth akzeptierte, soll das luxuriöse SUV bewegen. Wir wissen nicht, ob die Queen "amused" ist, sind aber gespannt darauf, was die Techniker da auf die Räder gestellt haben und greifen nach dem Schlüssel des Testwagens.
Die Audi-Modellpalette im Video:
Test der Luxus-Diesel: Audi SQ7 vs. Bentley Bentayga
Innen empfängt der Bentayga, der sich die Plattform mit dem SQ7 teilt, die Passagiere mit edlem Leder, feinen Hölzern und jeder Menge Chrom. Alles wirkt überaus massiv. In Sachen Materialgüte kommt der Audi in der Summe nicht mit, seine bis in den letzten Winkel präzise Verarbeitung zeigt dem Bentley jedoch, wo es lang geht. So kommt es, dass er in der Bepunktung weniger weit hinter dem Briten liegt als erwartet. Das Raumangebot speziell im Fond fällt beim SQ7 in Sachen Kopffreiheit üppiger aus. Er besitzt im Gegensatz zu seinem britischen Konkurrenten aber auch kein Glasschiebedach. Zudem ist die Audi-Karosserie übersichtlicher als die des Bentley. Im alltäglichen Umgang hat man sich an die Bedienung der beiden Testkandidaten schnell gewöhnt. Wer verreisen möchte, findet im Audi ein Kofferraumvolumen zwischen 805 und 1990 Litern vor. Der Bentley bietet dagegen nur 484 bis 1774 Liter. Das ist nicht weiter tragisch, dürfte sich doch bei dem einen oder anderen Besitzer des luxuriösen Briten das Personal ums Gepäck kümmern. Mit 555 (Audi) beziehungsweise 542 Kilogramm (Bentley) Zuladung liegen beide nahezu gleichauf. Die zulässige Anhängelast beträgt jeweils 3,5 Tonnen – für einen standesgemäßen Pferde- oder Bootsanhänger völlig ausreichend. In der Variabilität sammelt der Bentley mehr Punkte, denn in seiner serienmäßigen fünfsitzigen Konfiguration kostet beispielsweise eine längs verschiebbare Rücksitzbank im Gegensatz zum Audi keinen Aufpreis. Die Sicherheitsausstattung des Engländers ist zwar ebenfalls üppig, teilweise jedoch nur gegen Aufpreis erhältlich.
Fahrkomfort im Bentley ist unübertroffen
Die fein belederten Bentley-Vordersitze warten mit einer Massagefunktion auf (Komfortausstattung für die Vordersitze, 3338 Euro), die auf Langstrecken sehr angenehm wirkt. Diese Annehmlichkeit bekommt man auch für den Audi (450 Euro), doch sind die SQ7-Sitze mit verstellbaren Seitenwangen auf den jeweiligen Fahrer-Torso einstellbar. Im Fond dagegen wartet der Bentley, der zum Test als Viersitzer vorgefahren ist, mit zwei individuell und elektrisch einstellbaren Einzelsitzen auf (10.323 Euro). Sie sorgen für einen wahrhaft fürstlichen Aufenthalt. Vor allem die Oberschenkelauflage fällt deutlich besser als im Audi aus. Aus ergonomischer Sicht gefällt der SQ7 mit dem bekannt guten MMI-System, das sich aus dem Handgelenk bedienen lässt, mit dem Bildschirm in passender Höhe besser. Die Fahrzeug- und Connectivity-Funktionen des Bentayga Diesel werden dagegen über einen Drehschalter sowie einen bei Sonneneinstrahlung nicht spiegelfreien Touchscreen bedient. Während der Fahrt entwickelt das SUV von der Insel das etwas angenehmere Klangbild. Einerseits vernehmen die Insassen des Briten weniger Windgeräusche als die des Bayern, andererseits ist der Motor im Bentley akustisch kaum noch als Diesel zu identifizieren – Chapeau! Wie gut man sich bei Bentley auf den Komfort versteht, wird auch an den Feder-Dämpfer-Eigenschaften des Bentayga deutlich: Leer wie beladen bügelt er trotz der üppigen 21-Zoll-Bereifung mit seiner Luftfederung so ziemlich alles glatt, was ihm unter die Räder kommt. Im Vergleich reicht der Audi Stöße hier und da etwas trockener durch, ohne dass man ihm vorwerfen könnte, unkomfortabel zu sein.
Audi beschleunigt bei gleichem Motor flotter
Zwei Testkandidaten, aber ein und derselbe Motor, der mit 435 PS und 900 Nm beeindruckende Eckdaten liefert: Der selbstzündende 4,0-Liter-Biturbo-V8 verfügt über Register-Aufladung und einen Elektrolader, der aus einem separaten 48 V-Netz gespeist wird. Dieser spricht blitzschnell an und vermeidet im tiefsten Drehzahlkeller erfolgreich Turbolöcher, bevor die konventionellen Lader ins Spiel kommen. Im Ergebnis setzen beide SUV Gasfußbewegungen beinahe digital in Schub um. Doch wirkt der über 2,7 Tonnen schwere Bentley in Sachen Leistungsentfaltung eine Spur träger als der Audi, was seinem um fast fünf Zentner höheren Leergewicht geschuldet ist. So bleibt er nicht nur bis zur 100-km/h-Marke mit 5,4 Sekunden um 0,7 Sekunden hinter dem Konkurrenten; auch bis 200 km/h verliert er über zwei Sekunden. Dafür regelt der Bentayga nicht bei 250 km/h ab, wie es beim SQ7 der Fall ist: Der englische Nobel-Diesel kann bis 270 km/h rennen. Was die Laufkultur angeht, dürften beide das Beste sein, was man im Diesel-Segment derzeit bekommt. Beim Verbrauch bleibt der schwerere Bentley mit 9,8 Litern Diesel auf 100 Kilometer überraschenderweise einen halben Liter unter dem Audi.
Die Fahrdynamik ist im Audi ausgeprägter
Für seine 2,7 Tonnen Leergewicht lenkt der Bentayga Diesel zwar spontan ein und dank der elektrisch betriebenen, aktiven Wankstabilisierung geschieht dies auch nahezu frei von Seitenneigung. Die hohe Vorderachslast von 1468 Kilo (Audi: 1395 kg) ruft aber rasch das rigide regelnde ESP auf den Plan, was Ausflüge in die höheren Sphären der Fahrdynamik früh vereitelt. Die Lenkung arbeitet recht präzise, für den einen oder anderen dürfte es aber etwas weniger Servounterstützung sein. Neben der aktiven Wankstabilisierung enthält das "Fahrwerkspaket advanced" des SQ7 auch eine Allradlenkung und ein aktives Hinterachsdifferenzial. In der Folge wirkt der Audi viel agiler und fühlt sich an, als wöge er nicht nur 233, sondern 1000 Kilo weniger als der Konkurrent. In dieser Fahrwerks- und Antriebskonfiguration erzielt er spürbar höhere Kurventempi und kann darüber hinaus auch mit deutlich mehr Kraft aus der Kurve schieben. Der Grenzbereich des Bayern liegt ebenfalls spürbar höher als der des Briten. Im Ergebnis absolviert der SQ7 die Handling-Prüfung vier Sekunden schneller als der Bentayga. Beim Verzögern liefert er nicht nur die kürzeren Bremswege. Seine Karbon-Keramik-Anlage (8500 Euro) lässt sich deutlich besser dosieren als die konventionelle Bremsanlage des Bentayga. Erstaunlich ist dabei das hohe Fahrsicherheitsniveau der beiden.
Umwelt/Kosten im Test: Bentley fast doppelt so teuer
Exklusivität hat ihren Preis: Bereits mit seinem Basistarif von 174.335 Euro ist der Bentayga Diesel beinahe doppel so teuer wie der Audi SQ7 (91.000 Euro). Bei Bentley weiß man offenkundig, was einem die Kundschaft schuldig ist. Insofern hat der Engländer gegenüber dem Deutschen bei den Kosten keine Chance. Daran ändert auch nichts, dass Versicherungen den Bentley nach individueller Risikobewertung des Eigners einstufen, weshalb dieser Punkt ebenso wenig bewertet werden konnte wie Wertverlust und Werkstattkosten aufgrund der fehlenden Daten.
Technische Daten | Audi SQ7 | Bentley Bentayga Diesel |
Motor | V8, Biturbo-Diesel | V8, Biturbo-Diesel |
Hubraum | 3956 ccm | 3956 ccm |
Leistung | 435 PS | 435 PS |
Maximales Drehmoment | 900 Nm | 900 Nm |
Getriebe | Achtstufen-Automatik | Achtstufen-Automatik |
Antrieb | Allrad, permanent | Allrad, permanent |
0-100 km/h | 250 km/h (abgeregelt) | 270 km/h |
Höchstgeschwindigkeit | 4,7 s | 5,4 s |
Leergewicht | 2270 kg | 2499 kg |
Kofferraum | 805-1990 l | 484-1774 l |
L/B/H in mm | 5069/1968/1741 | 5140/1998/1742 |
Testverbrauch | 10,3 l D/100 km | 9,8 l D/100 km |
Grundpreis | 91.000 Euro | 174.335 Euro |
Testwagenpreis | 108.250 Euro | 182.112 Euro |
Platzierung | 1 | 2 |
Der Ausgang dieses Vergleichstest zeigt einmal mehr, wie sich der Multi-Markenkonzern Volkswagen auf das zielgenaue Platzieren seiner Marken und Modelle versteht, auch wenn sie sich zahlreiche Baugruppen teilen. Der neue Bentley Bentayga Diesel begeistert mit Exklusivität, Stil, bestem Federungskomfort und einem kultivierten, druckvollen Antrieb. Preis und Fahrdynamik vereiteln jedoch einen Sieg nach Punkten, was solvente Markenfans nicht stören dürfte, haben sie doch in der Regel für das fahrdynamische Vergnügen weitere Fahrzeuge in der Garage. Der Audi SQ7 prescht nach vorne. Er zeigt eine für diese Gewichtsklasse ungeahnte Agilität, ohne beim Komfort nennenswerte Kompromisse einzufordern. Er ist zwar ebenfalls keineswegs billig, aber viel günstiger als sein britischer Konkurrent.