Tesla Model S P85D/Audi RS 7: Test Tesla gegen Audi – Spannung trifft Sprit
Tesla schickt sich seit einiger Zeit an, mit dem rein elektrischen Model S P85D die Autowelt auf den Kopf zu stellen – da kommt dem 700 PS starken Ami ein Gegner wie der Audi RS 7 Sportback gerade recht. Vergleichstest!
Anfang 2016 hieß der Star der Stunde auf YouTube nicht etwa Miley Cyrus oder Justin Bieber. Zwar kommt der Click-Hit ebenfalls aus den USA, es handelt sich aber nicht um ein Pop-Sternchen oder eine Schauspieler-Größe, sondern um ein Auto: den Tesla Model S P85D. Nicht weniger als 25.000 Ergebnisse schmeißt die Videoplattform aus, wenn man nach diesem Begriff sucht. Was man in diesen Videos sieht? Nun, entweder werden unwissend dreinblickende Mitfahrer gezeigt, denen beim Beschleunigen mit dem 700-PS-Elektroflitzer zunächst die Gesichtszüge entgleiten, ehe dem fassungslosen Staunen ein bereites Grinsen folgt. Oder man bekommt eines der unzähligen Beschleunigungsduelle zu sehen, bei denen hochkarätige Supersportler vom Schlage eines Ferrari 458 Italia oder Lamborghini Gallardo von der unscheinbaren Luxuslimousine eiskalt abgehängt und deren stolze Besitzer frustriert zurückgelassen werden. Nach den unzähligen Videos am Rechner ist es jetzt an der Zeit, die Luxuslimousine aus der Virtualität in die Realität eines Vergleichstests zu führen. Dort bekommt es der Vor-Facelift-Tesla nicht mit irgendwem zu tun, sondern mit dem 560 PS starken Audi RS 7 Sportback.
Tesla Model S gegen Audi RS 7 im Test
Es gibt wohl kein Auto, das 700 Pferdestärken so elegant und unscheinbar verpackt wie der Tesla Model S P85D. Auch dass es sich dabei um ein Elektroauto handelt, sieht man dem Ami nicht an. Die Packaging-Vorteile dieser Technik macht er sich jedoch voll zunutze. So bietet der Tesla nicht nur einen deutlich größeren Kofferraum (745 bis 1645 Liter) als der Audi (535 bis 1390 Liter), er hat zusätzlich zwei echte Asse im Ärmel: Zum einen sitzt unter der Haube, wo sich beim RS 7 der Motor befindet, ein zweiter, wenn auch nur 71 Liter großer Stauraum, zum anderen lässt er sich für 3000 Euro Aufpreis sogar zum Siebensitzer aufrüsten. Auf den beiden Sitzen, die im Kofferraum entgegen der Fahrtrichtung angebracht sind, können zwar allenfalls Kinder Platz nehmen, dennoch ist dies ein echtes Alleinstellungsmerkmal für eine Sportlimousine. In den Sitzreihen eins und zwei finden die Passagiere ebenso wie im Audi gute Platzverhältnisse vor. Lediglich die Kopffreiheit ist im Kalifornier für Großgewachsene knapper bemessen als im Ingolstädter. Die Übersichtlichkeit nach hinten lässt im Tesla wegen der stark ansteigenden Fensterlinie, der breiten C-Säulen und der nicht versenkbaren Fondkopfstützen sehr zu wünschen übrig. Dass er im Vergleich zum ebenfalls nicht übermäßig übersichtlichen RS 7 nicht mehr Punkte einbüßt, liegt an der serienmäßigen Rückfahrkamera in HD-Qualität. Deren Bild ist auf dem riesigen 17-Zoll-Touchscreen-Display zu sehen, über das nahezu alle Fahrzeugfunktionen gesteuert werden. Neben den konventionellen Schaltern und Hebeln am und ums Lenkrad finden sich nur noch zwei Tasten im Cockpit: eine für die Warnblinkanlage und eine zum Öffnen des Handschuhfachs. Dadurch sieht der Innenraum extrem aufgeräumt und reduziert aus. Und mit etwas Übung geht die Bedienung erstaunlich leicht und schnell von der Hand, da die Menüs ähnlich Apples iPad logisch aufgebaut sind. Für einige wenige Funktionen wie etwa das Herausfahren der versenkten Türgriffe, falls jemand noch zusteigt, das Öffnen des Kofferraums oder die Lenkradheizung wäre eine Extra-Taste jedoch wünschenswert.
Der RS 7 bietet diese Direktwahltasten, im Gegenzug erfordern einige Funktionen aber mehr Bedienschritte im verzweigteren Menü. Sicherheitstechnisch hat der Tesla seit seinem Erscheinen stark aufgeholt – und das per Update. Seit September 2014 haben alle Model S ein kombiniertes Kamera-Radar-System an Bord, das bislang allerdings noch nicht aktiv war. Mit dem kürzlich veröffentlichten Update wurden dieses sozusagen über Nacht freigeschaltet – nun verfügen alle Model S über Spurhalte-, Spurwechsel- und Tempolimitassistenten sowie ein Notbremssystem – schöne neue Technik-Welt. Dass der Audi hier dennoch mehr Zähler für sich verbuchen kann, liegt unter anderem an den Optionen Head-up-Display, Seitenairbags hinten und Kurvenlicht. Da der Ingolstädter qualitativ auch hochwertiger wirkt, obwohl Tesla inzwischen spürbar zugelegt hat, entscheidet er das erste Kapitel knapp für sich.
Fahrkomfort geht an Tesla, Sitzkomfort an Audi
Geht es um den Fahrkomfort, denkt man bei E-Autos meist an den Geräuschkomfort. Zumindest im Stadtverkehr, solange die Wind- und Abrollgeräusche noch nicht den Ton angeben, ist dieser auch im Model S beeindruckend gut. Von den beiden E-Motoren ist nur unter hoher Last ein leichtes Sirren zu vernehmen, ansonsten herrscht fast schon gespenstische Ruhe. Ganz anders der stimmgewaltige RS 7-Testwagen, der zusätzlich mit der 1000 Euro teuren RS-Sportabgasanlage ausgestattet ist. Beim morgendlichen Start erwacht mit dem Motor auch die halbe Nachbarschaft – kein Vergleich zum Tesla, der nahezu lautlos dem Wohnviertel entgleitet. Und nähert sich der Drehzahlmesser im Audi der 3000er-Marke, erhebt der zuvor noch vergleichsweise kleinlaute Audi RS 7 plötzlich die Stimme und posaunt lautstark aus den zwei RS-typischen ovalen Endrohren. Auf der Autobahn erweist sich der Ingolstädter jedoch als das leisere Auto – auch dank der optionalen Doppelverglasung. Was den Federungskomfort angeht, profitiert der Tesla von der Luftfederung (2500 Euro), mit der der Audi RS 7 serienmäßig ausgestattet ist. Zugunsten der Fahrdynamik ist der Testwagen allerdings mit dem 950 Euro teuren RS-Sportfahrwerk samt Stahlfedern ausstaffiert. Das hat zur Folge, dass der Audi recht unsanft über Querfugen und Kanaldeckel hinwegrollt – teils untermalt von Fahrwerkspoltern. Hier gibt sich der Tesla konzilianter, verdaut Unebenheiten trotz der ebenfalls 21 Zoll großen Optionsbereifung besser und sorgt wegen der geringeren Aufbaubewegungen für mehr Behaglichkeit bei den Insassen. Beim Sitzkomfort schneidet hingegen der RS 7 besser ab: Seine Vordersitze bieten mehr Einstellmöglichkeiten und den besseren Seitenhalt, die Rückbank erlaubt eine angenehmere Sitzhaltung.
Test: Motor und Getriebe
P85D. Die Zahlen-Buchstaben-Kombination steht für Performance, 85 kWh Energie und Dualmotor – sprich zwei E-Motoren. Einer sitzt wie bisher an der Hinterachse, ein weiterer nun zusätzlich an der Vorderachse. Zusammen entwickeln die beiden Asynchronmotoren 700 PS und 930 Nm. Wahnsinn! Apropos: So heißt auch der Modus, den man zuvor aktivieren muss, um die volle Leistung freizuschalten und das vollkommen irre Beschleunigungsgefühl zu erleben. Ein Tritt aufs Gas-, pardon: Fahrpedal, und der Tesla verpasst einem einen derartigen Tritt ins Kreuz, dass einem Sehen und Hören vergeht. Auch wenn der Amerikaner die Werksangabe von 3,3 Sekunden um vier Zehntel verpasst, ist die im wahrsten Sinne des Wortes schlagartige Kraftentfaltung kaum zu beschreiben. Zumindest bis etwa 80 km/h sprintet der 2,2 Tonnen schwere Tesla mit einer Leichtigkeit ansatzlos nach vorn, die derzeit kein anderes Auto erreicht. Oberhalb dieser Geschwindigkeit lässt der Vorwärtsdrang allerdings stärker nach als erwartet: Hier macht sich die typische Leistungscharakteristik der E-Motoren – die Leistungskurve fällt im oberen Drehzahlbereich stark ab – negativ bemerkbar. Bis 100 km/h liegt der RS 7 mit gemessenen 3,5 s nur hauchdünn vorn, bis 200 km/h vergrößert sich der Vorsprung jedoch auf über fünf Sekunden. Bei der Höchstgeschwindigkeit hat der Ami mit 250 km/h ebenfalls klar das Nachsehen gegenüber dem Audi, der gegen Aufpreis bis zu 305 km/h rennt. Doch obwohl dessen V8-Biturbo mit Zylinderabschaltung zum Besten zählt, was es derzeit unter den Verbrennungsmotoren gibt, ist der Benziner in puncto Kraftentfaltung, Ansprechverhalten, Laufkultur und besonders Verbrauch gegen die E-Motoren des Tesla chancenlos. Größtes Handicap des Model S ist nach wie vor die Reichweite, die mit ermittelten 301 km – bei gemäßigter Fahrt sind 400 km und mehr drin – für ein E-Auto zwar sensationell gut ausfällt, große Fahrten aber zeitlich in die Länge zieht.
Bei der Fahrdynamik ist der RS 7 ganz vorne
Dass der Tesla Model S P85D auf dem Handlingkurs knapp zehn Sekunden auf den Audi RS 7 einbüßt, liegt weniger an seiner ausgeprägten Tendenz zum Untersteuern oder dem früh und rigoros regelnden ESP, sondern vorrangig an der schlechteren Beschleunigung bis 200 km/h. Hinzu kommt, dass die Elektronik spätestens in der zweiten Runde die Leistung reduziert, um die Akkus thermisch nicht zu sehr zu belasten. Somit sieht der Ami gegen den Deutschen, der sich spürbar agiler fährt, fahrdynamisch kein Land. Im Gegenzug punktet der Tesla mit der besseren Beherrschbarkeit, und bei den Bremsen liefern beide Rivalen sehr gute Werte ab.
Umwelt und Kosten
106.540 Euro kostet der Tesla Model S P85D, 113.300 Euro der Audi RS 7 – viel Geld für die jeweiligen Topmodelle ihrer Baureihe. Dafür sind die Sportlimousinen sehr umfangreich ausgestattet, auch wenn sich der Preis weiter nach oben treiben lässt. Die Einsparungen bei den im Vergleich zu den Sprit- viel geringeren Stromkosten sowie dem Wegfall der Kfz-Steuer (zehn Jahre lang) macht die hohe Vollkasko-Einstufung des Tesla teilweise wieder zunichte.
So fühlt sich das Model S an
Mehr als 3000 Kilometer waren wir mit dem Model S in knapp drei Wochen unterwegs. Der Weg führte uns quer durch die Republik – von München, wo wir den Testwagen abgeholt haben, zur Redaktion nach Köln, von dort ins Contidrom bei Hannover und weiter für die Fotoproduktion nach Hamburg. Anschließend ging es zurück nach Köln, wo sich der Ami im Alltag bewähren musste. Sie sehen, wir sind mit dem Tesla so verfahren wie mit einem ganz gewöhnlichen Auto mit Verbrenner. Die Reichweitenangst, die sonst bei E-Autos stets mitfährt, existiert im Fall des Model S nicht. Das liegt zum einen an der praxistauglichen Reichweite von rund 300 km bei flotter (im Test inkl. Volllastfahrt auf der Autobahn) und mehr als 400 km bei gemäßigter Fahrweise. Zum anderen an der exakten Vorhersage der Restreichweite sowie an der Navigation, die die inzwischen 37 Supercharger-Stationen in Deutschland in die Routenführung einbezieht. Stets waren mehrere Ladesäulen noch frei, meist befand sich in direkter Nähe ein Café oder Restaurant, um sich während des Ladevorgangs, der in der Regel zwischen 30 und 60 Minuten dauerte, zu stärken. Und das Beste daran: Der Strom ist nicht nur kostenlos, sondern zu 100 Prozent aus regenerativen Energien gewonnen.
Technische Daten der Testwagen
Technische Daten | Tesla Model S P85D | Audi RS 7 |
Motor | Drehstrom-Asynchronantrieb, 85 kWh-Dualmotor | V8-Biturbo |
Leistung | 700 PS bei 0–5100 1/min | 560 PS bei 5700–6600 1/min |
Max. Drehmoment | 930 Nm bei 0–5100 1/min | 700 Nm bei 1750–5500 1/min |
Getriebe | Einganggetriebe | Achtgang-tiptronic |
Antrieb | Allrad | Allrad |
0-100 km/h | 3,7 (Test) | 3,5 Sek. (Test) |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h | 305 km/h |
Leergewicht | 2129 kg | 1995 kg |
Basispreis | 98.440 Euro | 113.300 Euro |
Die Spannung in der Redaktion war zwei Wochen lang hoch wie selten: Schafft es der Tesla Model S P85D wirklich, gegen den Audi RS 7 Sportback nach Punkten zu gewinnen? Und tatsächlich: Dem Elektroauto gelingt gegen den Bayern ein sensationeller Sieg. Warum? Weil er ein rundum gutes Auto ist. Er verliert außer bei Handling und Reichweite nirgends den Anschluss, liegt in vielen Bereichen auf Augenhöhe mit dem Audi und erarbeitet sich mit seinen konzeptbedingten Vorteilen (Verbrauch, Kofferraum und Variabilität) einen satten Punktevorsprung. Well done!