Für die Retro-Testfahrt begeben wir uns ins gut gefüllte AUTO ZEITUNG-Archiv: Hier finden wir Fahrberichte faszinierender Autos. Dieses Mal: der Saab 9-5, der 2010 alle Hoffnungen der Marke auf eine Zukunft auf sich vereinte – gescheitert, wie wir heute wissen.
Wenn der Spruch stimmt, dass Totgesagte länger leben, dann kann Saab noch viele aufregende Autos bauen. Denn die Schwed:innen, fast 20 Jahre an der Kandare des nicht immer geschickt operierenden General Motors-Konzerns, schienen wenige Monaten vor dieser Testfahrt weit weg vom Fenster zu sein: in Liquidation, die Produktion gestoppt, von Zulieferungen abgeschnitten. Doch nach dem Verkauf an den niederländischen Sportwagenbauer Spyker Cars dürfen die Saab-Fans in aller Welt hoffen: Seit März 2010 läuft im Stammwerk Trollhättan wieder die Produktion, täglich rollen rund 220 Kombis, Limousinen und Cabriolets des Modells 9-3 und der neuen Oberklasselimousine 9-5 vom Band. Im Sommer 2010 beginnt auch in Deutschland der Verkauf des Hoffnungsträgers Saab 9-5, der technisch mit dem Opel Insignia verwandt ist. Die zurzeit 83 deutschen Saab-Händler und ihre Kundschaft dürfen sich über eine auf gut fünf Meter Länge gewachsene Limousine freuen. Anders als das Vorgängermodell unterscheidet sie sich damit deutlich vom 4,63 Meter langen Mittelklässler 9-3. Auch der Opel Insignia (4,83 Meter) kommt da nicht mit. Überhaupt wollen die Schwed:innen möglichst wenig an ihre Vergangenheit unter General Motors erinnern. "Wir wollen zurück zu unseren alten Tugenden", erklärt Entwicklungschef Mats Fägerhag und meint damit extravagante, technisch anspruchsvolle Autos wie zum Beispiel den bis 1993 gebauten Saab 900. Optisch kann der neue Saab 9-5 an den einst unverwechselbaren Charakter der Marke anknüpfen. Besonders die Front wirkt auffällig eigenständig und hebt sich deutlich von Konkurrenten wie 5er-BMW oder Audi A6 ab. Dank des typischen Saab-Designs erreicht die Limousine einen sehr guten cW-Wert von nur 0,28, was sich positiv bei den Verbrauchswerten auswirkt. Der Kofferraum liegt mit 515 Liter Stauvolumen auf Klassenniveau, dank der serienmäßig geteilt umklappbaren Rücksitzlehne lässt sich die Ladekapazität aber noch deutlich erweitern. Den Passagier:innen stellt der 9-5 ebenfalls ein standesgemäßes Platzangebot zur Verfügung. Großgewachsene finden auch in der zweiten Reihe eine ausreichende Kopf- und Beinfreiheit vor, auf den Vordersitzen sowieso. Mehr zum Thema: Unsere Produkttipps auf Amazon
Der Saab 96 von Neo Brothers (Video):
Retro-Testfahrt mit dem Saab 9-5
Saab-Erfahrene fühlen sich hier sofort heimisch, das fahrerorientierte Cockpit und der Starterknopf – statt des traditionellen Getriebe-/Zündschlosses – auf der Mittelkonsole erinnern an die guten alten Zeiten. Viele Bedienelemente, Schalter und auch die verwendeten Materialien stammen jedoch noch aus dem Opel-Shop – für die Premiumklasse reicht das nicht. Das gilt ebenso für die Verarbeitungsqualität, die sich noch deutlich von der eines Audi A6 unterscheidet. Auch technisch ist die Nähe zu Opel unverkennbar: Alle Vierzylinder-Motoren wie die beiden Diesel mit 160 und 190 PS oder die Turbo-Benziner mit 180 und 220 PS arbeiten baugleich im Insignia. Nur der 2,8 Liter große V6-Benziner erreicht im Saab 300 PS, bei Opel sind es 260 oder 325 PS. Der 2.0T mit 220 PS trägt die meisten Saab-Gene in sich: Vierzylinder mit Turboaufladung sind seit den späten 70er-Jahren das Markenzeichen von Saab. Für die erste Ausfahrt stand uns der Motor in Verbindung mit einer Sechsstufenautomatik und dem Allradantrieb XWD zur Verfügung. Das sehr drehfreudige Triebwerk harmoniert gut mit dem Getriebe. Allerdings wirkt die Lenkung in der Mittellage schwammig und bietet zu wenig Rückmeldung. Erst beim V6 und dem starken Diesel ist die Hydraulik besser abgestimmt – hier muss Saab nachbessern. Komfort vom DriveSense-System (ab 1160 Euro), das Fahrwerk, Getriebe, Motor und Lenkung je nach Wunsch komfortabler oder sportlicher ausrichtet. Zu Preisen ab 33.700 Euro (1.6T mit 180 PS) gibt es jedenfalls ein großes Auto, das aus dem üblichen Modelleinerlei herausragt. Und da für die nächsten Jahre die Produktion und die Entwicklung neuer Modelle (9-3 in 2012) finanziell gesichert scheinen, spricht eigentlich nichts dagegen, einen 9-5 zu kaufen. Jedenfalls nicht für echte Saab-Fans.
Technische Daten des Saab 9-5 2.0T XWD
AUTO ZEITUNG 2010 | Saab 9-5 2.0T XWD |
Technische Daten | |
Motor | 2,0-Liter-Vierzylinder-Turbobenziner |
Getriebe/Antrieb | 6-Gang; Automatik; Allrad |
Leistung | 162 kW/220 PS |
Max. Drehmoment | 350 Nm |
Karosserie | |
Außenmaße (L/B/H) | 5008/1868/1467 mm |
Leergewicht/max. zul. Gesamtmasse | 1885/2430 kg |
Kofferraumvolumen | 513 l |
Fahrleistungen (Werksangaben) | |
Beschleunigung (0-100 km/h) | 8,0 s |
Höchstgeschwindigkeit | 240 km/h |
Verbrauch auf 100 km (Werk) | 8,6 l S |
Kaufinformationen | |
Basispreis | 33.700 Euro |
Marktstart | 2010 |