Im Test muss der optisch etwas zurückhaltendere Porsche 911 GT3 Touring-Paket zeigen, was er kann. Kommt es auf die inneren Werte des Sportwagens an?
Positiv | Feine Lenkung, starke Bremse, hohe Querdynamik, fantastischer Klang |
Negativ | Hoher Preis, teils billig wirkende Materialien |
Das SUV im Rückspiegel scheint förmlich zu grinsen, während der Porsche 911 GT3 Touring-Paket beim Test auf eine dieser fiesen Verkehrsschwellen mit extrasteilem Rampenwinkel zurollt. Kapitulation? Denkste. Ein Tastendruck genügt und der Vorderwagen wird angehoben – um rund vier Zentimeter. So lässig wie der Stadtpanzer im Schlepptau nimmt der Porsche den Buckel zwar nicht unter die breiten Niederquerschnittsreifen, aber immerhin sichert die 3130 Euro teure Liftfunktion das Überleben des Frontspoilers. Und der liegt generell zwei Zentimeter tiefer als gewöhnlich, schließlich ist das hier ein GT3, wenn auch nicht auf den ersten Blick erkennbar. Denn ein entscheidendes Bauteil fehlt: Der Heckflügel. Rabatt gibt‘s deshalb nicht, die Ausstattungsvariante Touring-Paket kostet mit 170.969 Euro exakt so viel wie die von einem Schwanenhalsspoiler gekrönte Version. Hinten gibt sich der Touring also schnörkellos, nicht mal ein Bürzel steckt auf dem Heckdeckel. Ein bisschen Abtrieb bekommt der Understatemenet-GT3 aber schon, wenn sich ab 120 km/h dann doch ein Spoiler in die Höhe reckt und für Stabilität sorgt – wie bei anderen Elfern auch. Weitere Unterschiede zur GT3-Variante mit Flügel sind die komplett lackierte Frontschürze, silberfarbene Scheibenrahmen und natürlich der spezifische Heckdeckel plus Schriftzug. Sonst aber besitzen beide GT3 dieselbe Technik. Das heißt, doppelte Dreieckquerlenker vorn für weniger Verwindung und mehr Lenkpräzision, keine aktiven Motorlager (minus 3,5 Kilogramm), die um zehn Kilogramm abgespeckte Abgasanlage, Einzeldrosselklappen und, ja, die in Saugmotor-Fankreisen verschrieenen, weil den bekannten Klang killenden Partikelfilter.
Der Porsche GT3 (2021) im Video:
Der Porsche 911 GT3 Touring-Paket im Test
Genug geplaudert, jetzt unterziehen wir den Porsche 911 GT3 Touring-Paket unserem Test. Also ab auf die Waage. Glatte 1500 Kilogramm zeigt das Display an, mit vollem 90-Liter-Tank (190 Euro), PDK-Getriebe und eben der Vorderachs-Liftfunktion. 14 Kilogramm leichter war der vorige GT3-Testwagen mit Flügel, ohne Liftfunktion (minus 8 Kilogramm) und mit der 9187 Euro teuren Karbon-Keramik-Bremse (minus 18 Kilogramm). Nebenbei reduziert letztere nicht nur die ungefederten Massen, sondern sorgt auch für etwas kürzere Bremswege. Dennoch verzögert der Porsche 911 GT3 Touring-Paket im Test mit den serienmäßigen gelochten Scheiben aus Grauguss-Verbundwerkstoff stark. 35,5 Meter aus Tempo 100 sind zwar kein Fabelwert, mit kalter Anlage und Semislick-Reifen vom Typ Michelin Pilot Sport Cup 2 N0 aber in Ordnung. Deren Sensoren melden übrigens stets den genauen Fülldruck ans Cockpit – nicht jedoch die Temperatur, wobei diese Info gerade bei solch sensiblen Pneus wichtig wäre. Sind alle Bauteile aufgewärmt, hängt man bei Vollverzögerung schwer im Gurt: 32 Meter aus 100 und 121,9 Meter aus 200 km/h meldet das Messinstrument. Zügig geht's dank Launch Control aus dem Startblock, wobei sich die Drehzahl bei ohrenbetäubenden 6300 Touren einpendelt und dieses Niveau anschließend nicht mehr unterschreitet. Dabei sägt und kreischt und dreht der vier Liter große Sechszylinder-Boxer mit Einzeldrosselklappenanlage, als wolle er alle wissen lassen, dass es so etwas wie ihn noch gibt – trotz Euro 6d, rollenden Hochvolt-Akkus und Tempolimit-Damokles-Schwert. 3,3 Sekunden braucht das inklusive Testfahrer 1568 Kilogramm schwere Coupé aus dem Stand auf Tempo 100, 10,4 Sekunden bis 200, nach weiteren 6,8 Sekunden wandert die digitale Tachonadel über den 250er-Strich, 318 km/h sollen möglich sein. Doch geradeaus können andere besser, GT3-Revier ist die Kurve, egal ob als Schikane, Serpentine, Curb-verzierte Kehre oder enge Haarnadel. Hier kann man die feine Abstimmung der elektromechanischen variablen Lenkung voll auskosten, die stets Aufschluss über den Körnungsgrad der Asphaltoberfläche gibt, ohne dass man sich genervt fühlte. Im Gegenteil. Die Arbeit am 360 Millimeter durchmessenden Volant macht einfach nur Freude, weil man nicht viel Arbeit hat und trotzdem sauschnell unterwegs ist. Ein Lenkeinschlag, der Radius sitzt, die Kurve ist erledigt – auch, weil die doppelquergelenkte Vorderachse Richtungsänderungen sehr spontan, nicht jedoch hektisch umsetzt. In Sachen Bremse ist Porsche ebenfalls Benchmark, weil die Abstimmung von ABS und Bremskraftverteilung nahezu perfekt ist, das Pedal-Gefühl einfach passt, egal, ob Rechts- oder Linksfüßler – und weil die schwere Hinterachse des Porsche 911 GT3 Touring (Gewichtsverteilung: 40:60 Prozent) das Eintauchen des Vorderwagens reduziert.
Sport- und Trackmodus im Porsche 911 GT3 Touring-Paket
Das alles passiert beim Test schon im Normal-Modus des Porsche 911 GT3 Touring-Paket, der für die flotte Überland-Fahrt völlig ausreicht. In Sport und Track werden Getriebe-, Fahrwerks-, Motor und Lenkungskennlinien noch schärfer gestellt, ist das Fahrgefühl noch intensiver, greifen die Regelsysteme später ein. Doch wer mit dem GT3 Touring-Paket auf öffentlicher Straße durch elektronische Helfer eingefangen werden muss, ist eh jenseits des Erlaubten unterwegs. Also gönnen wir uns den Luxus und drehen ein paar Runden auf unserem Testgelände, stellen fest, dass das PSM (ESP) nur selten eingreifen muss oder wir erst einmal nichts davon mitbekommen, so gut ist der Grip der breiten Semislick-Mischbereifung, so Fein sind die ganz gezielten, den Fahrfluss nicht unterbrechenden, sondern unterstützenden, also absichernden Regelimpulse. Und tritt man am Kurvenausgang mal zu forsch aufs Gaspedal, regelt das der elektronische Traktionskontrolleur. Und was ist mit Cruisen? Ja, das kann der mit Tempomat für die Verbindungsetappen zwischen Zuhause und Kurven-Reich ausgestattete GT3 mit Touring-Paket auch, trotz des Gestrafften Fahrwerks-Set-ups, der Supersport-Sohlen, der reduzierten Dämmung und der hohen Drehzahlen. Eine Sänfte ist der Touring also nicht, federt im Test jedoch stets sauber an und bügelt mit zunehmendem Tempo Unebenheiten besser aus. Er wird dann aber auch lauter. 3500 Touren dreht der 510 PS starke Boxer im siebten Gang des PDK (ohne Aufpreis) bei 130 km/h, 5000 Umdrehungen sind es bei 200 km/h.
Messwerte & technische Daten des Porsche 911 GT3 Touring-Paket
AUTO ZEITUNG 18/2021 | Porsche 911 GT3 Touring-Paket |
Technik | |
Zylinder/Ventile pro Zylin. | 6-Zyl.-Boxer/4-Ventile |
Hubraum | 3996 cm³ |
Leistung | 375 kW/510 PS |
Max. Drehmoment | 470 Nm bei 6100 /min |
Getriebe/Antrieb | 7-Gang, Doppelkupplung; Hinterradantrieb |
Messwerte | |
Leergewicht (Werk) | 1500 kg |
Beschleunigung 0-100 km/h (Test) | 3,3 s |
Höchstgeschwindigkeit (Werk) | 318 km/h |
Bremsweg aus 100 km/h kalt/warm (Test) | 35,5/32,0 m |
Verbrauch auf 100 km (Test/WLTP) | 12,3/12,9 l SP |
CO2-Ausstoß (WLTP) | 308 g/km |
Preise | |
Grundpreis | 170.696 € |
Der Test zeigt: Eine fast gewöhnliche Elfer-Karosserie über den sehnigen GT3 zu stülpen, ist eine gute Idee für diejenigen, die nicht zu dick auftragen, aber trotzdem das puristischste Fahrerlebnis wollen, das Porsche für den 911 bietet. Auch wenn der Porsche 911 GT3 Touring nur eine Ausstattung ist, wird allein durch das Weglassen des Heckflügels ein neues Auto aus dem 911 GT3. Klar, das ist hauptsächlich gefühlt, aber Gefühle bekommt man in kaum einem Porsche mehr als in diesem.