- Classic Cars: Porsche 901 wird Porsche 911
- Die Kernkompetenzen sind bei 901 und 911 gleich geblieben
- 993 Carrera: Essenz des 901-Konzepts
- Der 901 begeistert mit seiner Leichtigkeit
- Der 911 Carrera S gibt den bulligen Boxer
- 911 Carrera S dank Automatik ein Cruiser
- Jeder 901 ist anders
- Drei 901 auf einmal sieht man nicht oft
Wahres Elfer-Feeling und unnachahmlichen Boxer-Sound garantiert der Porsche 911 mit Heckantrieb und luftgekühltem Saugmotor. Mit 901 und 993 Carrera S bat Classic Cars das erste und das letzte Exemplar dieser Art zum Stelldichein.
Es ist einer der letzten warmen Tage in diesem Herbst. Noch einmal steigt das Thermometer auf über 20 Grad an. Langsam verzieht sich im Unterallgäu der Nebel, die Sonne bahnt sich ihren Weg. Es ist kurz nach neun, und hinter uns liegen bereits 130 höchst erquickliche Landstraßen-Kilometer mit dem Porsche 993 Carrera S, dem letzten luftgekühlten Elfer-Exemplar mit Saugmotor und Heckantrieb aus Zuffenhausen. Unser heutiger Termin bei der Firma RUF Automobile in Markt Pfaffenhausen hat einen ganz besonderen Anlass – er lautet Porsche 901. Es ist der Ur-Elfer aus der ersten Serie von 232 Exemplaren, von denen die ersten 82 noch auf den Namen 901 und nicht 911 hörten. Mit ihm schlug Porsche 1963 das erste Kapitel der unvergleichlichen Erfolgsstory "911" auf. Doch bis die Erfolgsgeschichte tatsächlich starten konnte, hatte Porsche noch einige Klippen zu umschiffen. Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
Classic Cars: Porsche 901 wird Porsche 911
Rückblende auf das Jahr 1963: Bereits am 12. September 1963 wird der neue Porsche 901 als Nachfolgemodell für den erfolgreichen 356 auf der IAA in Frankfurt präsentiert. Gut ein Jahr später, im Oktober 1964, zeigt Porsche den Wagen erneut auf dem Pariser Salon, wo die Firma Peugeot auf die Ziffernfolge 901 aufmerksam wird. Die Französ:innen haben sich derartige Typenbezeichnungen mit einer Null in der Mitte schützen lassen, und so bleibt dem Zuffenhausener Sportwagen-Hersteller nichts anderes übrig, als die Nummer neu zu überdenken. Rasch entscheidet man sich für 911. Ein cleverer Schachzug von Porsche auch deshalb, weil "9-1-1" in den USA mit seinem wichtigen Markt bereits jedem Menschen bekannt ist: Es handelt sich schlicht um die dortige Notrufnummer, besungen übrigens 2000 im Song "911" von Wyclef Jean und Mary J. Blige. Als wir uns mit Alois Ruf über den Porsche 911 im Allgemeinen und den 901 im Besonderen unterhalten, beginnen seine Augen wie auf Knopfdruck zu strahlen. "Er ist mein absoluter Lieblings-Elfer, ganz ohne Frage", sagt er. Viele Jahre zuvor spielte allerdings der Zufall Schicksal und sorgte bei Ruf für die Motivation, den "neuen Porsche", wie man damals zum 901 noch sagte, besitzen und fahren zu wollen. Ihm ist das Erlebnis noch immer so präsent, als wäre es gestern gewesen: "Mein Schlüsselerlebnis mit dem Elfer war, als mein Vater und ich zu einer Ausstellung fuhren. Wir sind bei Augsburg auf der Autobahn überholt worden. Im Regen. Plötzlich eine Gischt von Wasser, ein Auto bretterte an uns vorbei, dann ein unheimliches Geräusch, und ich hab’ gerade noch das Stuttgarter Kennzeichen gesehen. Es war ein dunkelblauer 901. Unser Auto hat regelrecht das Wackeln angefangen, so ist der Wagen an uns vorbei gezischt. Wir haben nicht mehr zur Windschutzscheibe raus gesehen, weil der Scheibenwischer das Wasser nicht mehr wegschaffen konnte. Es war toll - ein Riesenerlebnis. Ich glaube, das werde ich nie vergessen. Es hat mir die Leidenschaft zum 911 gebracht", schildert er die Initialzündung für seine Passion Porsche 911.
Die Kernkompetenzen sind bei 901 und 911 gleich geblieben
Heute sind die Kernkompetenzen des Elfers immer noch dieselben. Geblieben sind das grundlegende Design mit seiner unverwechselbaren Silhouette, die Anordnung des Sechszylinder-Boxers hinter der Hinterachse und das hohe Maß an Sportlichkeit; lediglich das Prinzip der Motorkühlung wechselte 1996 mit Erscheinen der 911-Baureihe 996 vom riemengetriebenen Luftgebläse hin zum effektiveren Wassermantel. Eingefleischte Elfer-Fans bevorzugen indes immer noch den per Gebläserad gekühlten Boxer. Grund genug für uns, den Ur-Elfer 901 und das letztgebaute luftgekühlte Elfer-Modell mit Saugmotor und Heckantrieb, den 993 Carrera S, einander gegenüberzustellen. "Von den 82 gebauten 901 dürften heute insgesamt noch etwa 15 Stück existieren", schätzt Fachmann Ruf, und so sind wir froh, als er uns sein Bali-blaues Schmuckstück präsentiert. Neben dem in Arctissilber lackierten 993 Carrera S nimmt sich sein Ur-Elfer ungemein zierlich, ja fast schon klein aus. Dieser Eindruck resultiert einerseits aus dem um 61 Millimeter kürzeren Radstand, vor allem aber aus der im Heckbereich um 185 Millimeter schmaleren Karosserie. Porsche hatte den 993 Carrera S für die Modelljahre 1997 und 1998 noch eigens aufgelegt, obgleich die neue 996-Baureihe bereits gestartet war. Grund dafür war insbesondere die Nachfrage aus den USA nach einem ausschließlich heckgetriebenen 911 mit 1795 Millimeter breiter 911-Turbo-Karosserie sowie Tiptronic S-Viergang-Automatik. Da der 993 Turbo dieses Antriebskonzept nicht bieten konnte, fiel die Wahl auf den nominell 285 PS (210 kW) starken Saugmotor. Gerade in dieser Hinsicht ist unser Testexemplar historisch stimmig, wenngleich es den 993 Carrera S auch mit einem Sechsgang-Schaltgetriebe gab. Während der 993 Carrera S vom November 1996 datiert und damit gerade mal 16 Jahre auf dem Buckel hat, ist Rufs 901 mit der Werknummer 37 und Auslieferungsmonat Dezember 1964 sozusagen der Elfer-Methusalem.
993 Carrera: Essenz des 901-Konzepts
Mit 130 PS (96 kW) produziert der Sechszylinder-Boxer des 901 weniger als die Hälfte der Carrera S-Leistung. Hauptverantwortlich dafür ist der in der Anfangsphase noch bescheidene Elfer-Hubraum von 1991 Kubikzentimeter, verglichen mit den üppigen 3,6 Liter des Carrera S. Völlig anders geartet ist auch die Art der Gemischaufbereitung: Während sich beim 901 Solex-Fallstromvergaser vom Typ 40 PI um die Zubereitung des zündfähigen Kraftstoff-Luft-Gemisches kümmern, übernimmt dies beim Carrera S eine sequentielle Einspritzung in Verbindung mit der digitalen Motorelektronik von Bosch, der Motronic 5.2. Diese bestimmt auch den richtigen Zündzeitpunkt für die jeweils zwei Zündkerzen der sechs Zylinder. Die konventionelle Batterie-Spulen-Zündung des 901 arbeitet nach alter Väter Sitte mit Verteiler und Unterbrecher, und pro Zylinder gibt es eine Zündkerze. Das führt im Stop-and-Go-Betrieb mitunter dazu, dass sich einer der Zylinder plötzlich verabschiedet, da die Zündkerzen aufgrund der vergleichsweise schwachen Zündspannung gerne zum Verrußen neigen. "Ein 901 sollte deshalb stets munter gefahren werden", erklärt Hans Lampert, Abteilungsleiter bei RUF und intimer Kenner des 901, Werknummer 37 – kümmerte er sich vor gut zehn Jahren doch um dessen Totalrestaurierung. Doch bis es dazu kam, musste Ruf lange und intensiv suchen. Er erinnert sich: "Den 901 habe ich 1990 in den USA in einer Gebrauchtwagenzeitschrift entdeckt. Wie ich so blättere, sehe ich, dass da ein 911 aus der frühen Produktion angeboten ist. Hört sich interessant an. Mal sehen, wie viel Wahres hier dran ist, sagte ich mir. Und tatsächlich, es war der 37ste 901. Eines von 82 Fahrzeugen, die im Herbst 1964 gebaut wurden, als die Nullserie des 901 begann. Ich konnte es nicht fassen und dachte, das Auto musst Du unbedingt mit nach Hause nehmen, es in den Keller stellen, und irgendwann wird es restauriert. Aber fragen Sie nicht, wie das Auto ausgesehen hat. Es war nur ein Rosthaufen. Dazu noch weiß lackiert und mit allen möglichen Neuteilen verschiedener Elfer-Modelle zurechtgemacht."
Der 901 begeistert mit seiner Leichtigkeit
Mittlerweile hat der 901 seit seiner Restaurierung im RUF-Classic-Bereich gut viele tausend Kilometer absolviert und bereitet seinem Besitzer nach wie vor allergrößtes Vergnügen. Er fasst zusammen: "Man kann das schlecht schildern, man muss es einfach mal selbst ausprobiert haben. Ein 911 in der Ur-Version wiegt gut 1000 Kilo und hat nur 130 PS (96 kW). Gut, heute haben wir Motoren mit 500 PS (368 kW), aber die Mehrleistung ist kein wirklicher Ersatz für das störende Mehrgewicht. Wir fahren heute mit 1600 Kilo, das sind 60 Prozent mehr Masse. Das ist ein völlig anderes Fahrgefühl. Mit diesem gut 1000 Kilo schweren Auto auf unseren Landstraßen zu fahren, das gibt Ihnen ein Gefühl, als ob Sie auf einer Feder fahren würden. Sie sind so leicht, so federleicht, das ist wunderschön", schwärmt Ruf. Mit 1425 Kilogramm Leergewicht bringt der 993 Carrera S exakt 345 Kilogramm mehr auf die Waage. Dem stehen 155 PS (114 kW) mehr Leistung, eine deutlich größere Spurweite, luxuriösere Ausstattung mit elektrischen, aber eben auch schwereren Sitzen, wesentlich breitere Pneus sowie leistungsstärkere Bremsen entgegen. Nicht zu vergessen ABS und Airbag. Besondere Kennzeichen des Carrera S sind das per Mittelsteg geteilte Lüftungsgitter am Motordeckel und die in Stahlgrau lackierten Instrumentenringe, Einstiegsleisten, Drucktaster am Schalthebel nebst Griffblende des Handbremshebels sowie der "Carrera S"-Schriftzug auf dem Ziffernblatt des Drehzahlmessers.
Der 911 Carrera S gibt den bulligen Boxer
Während das federleichte, agile Fahrverhalten einen Großteil der 901-Faszination ausmacht, sind es beim mehr als 30 Jahre jüngeren Carrera S der starke Antritt des 3,6-Liter-Boxers, die bei Bedarf 265 km/h Höchstgeschwindigkeit – 55 mehr als beim 901 – und vor allem aber die mögliche Querbeschleunigung. Entschlossen krallen sich die 18-zölligen Michelin Pilot Sport auf den seinerzeit für rund 12.000 Mark werksseitig als Sonderzubehör erhältlichen Porsche Speedline-Rädern in den Asphalt, und bis das Heck kurvenausgangs mal kräftig quer kommt, bedarf schon eines sehr beherzten Tritts auf das Gaspedal. Vergleichbare Übungen würde auch der 901 willig erledigen, doch seiner historischen Bedeutung ist eine pflegliche Fahrweise geschuldet, wenngleich Ruf betont, dass es sich bei der Nummer 37 keineswegs um ein Steh-, sondern ein Fahrzeug handele: "Ein Auto ist zum Fahren da. Der 901 ist keine "Garage Queen", und auch zu Treffen fahren wir auf Achse. Selbst bei Regen wird er gefahren, lediglich nicht auf salzigen Straßen." Das ist eine Behandlung, die der ehrwürdige 901 mit dem gefahrenen 911 Carrera S teilt, wenngleich dieser trotz der für Elfer-Verhältnisse geringen Stückzahl von 3714 gebauten Exemplare niemals die Exklusivität des 901 erreichen wird. Spürbare Unterschiede offenbaren der Ur-Elfer und sein Ahne im Bereich der Kraftübertragung. Sportlich-konventionell verfügt der 901 über ein Fünfgang-Schaltgetriebe, während der Carrera S mit der Tiptronic S für seine:n Fahrer:in einen klassischen Wandler-Automaten bereithält. In der Praxis bietet der Carrera S damit zwei unterschiedliche Charaktere: Einmal den des sportlichen Cruisers, gefahren in der "D"-Stellung mit automatisch vollzogenen, aber je nach Fahrweise des:der Pilot:in von der Elektronik adaptierten Gangwechseln. Die andere Seite des Carrera S ist die sportlichere, gefahren im manuellen Modus, bei dem sich die Gänge wie bei einem sequentiellen Getriebe von Hand rauf und runter schalten lassen - entweder am Wählhebel oder über die Lenkradtasten, welche seinerzeit das "S" hinter der Bezeichnung "Tiptronic" rechtfertigten.
911 Carrera S dank Automatik ein Cruiser
So gefahren, kommt durchaus Laune auf, und man ist alles andere als behäbig unterwegs. Ziemlich sportlich geht’s damit übrigens auch - etwa beim Herausbeschleunigen aus Spitzkehren im ersten Gang. Dank der durch die vier Gänge bedingten langen Übersetzung im Vergleich zur Version mit Sechsgang-Schaltgetriebe reicht der erste Gang für enge Haarnadelkurven immer gut. So gelingen hier sogar ansehnliche Drifts, ohne dass einem der Motor wie beim Schalter abrupt in den Begrenzer hustet. Auf schnellem Terrain vermisst der:die Fahrer:in hingegen eine fünfte oder sechste Fahrstufe - beispielsweise auf der Autobahn oder der Rundstrecke. Doch seien wir ehrlich: Die Rennstrecke darf man sich mit einem Carrera S durchaus verkneifen, und oberhalb der 200 km/h noch um Beschleunigungs-Zehntel nachzudenken, tut auch nicht zwangsläufig Not. Vielmehr kann es der:die Fahrer:in bei der heutzutage leider viel zu oft herrschenden Verkehrsdichte durchaus auch genießen, einfach Fahrstufe "D" einzulegen und sich im Stau lästige Schaltarbeit damit zu ersparen. Lediglich die Schaltzeiten sind etwas bedächtig und typisch für Wandlerautomaten jener Tage. Nicht ohne Grund führte Porsche im Juli 2008 bei den 911-Modellen das Doppelkupplungsgetriebe PDK ein, das Schaltvorgänge praktisch ohne Zugkraftunterbrechung ermöglicht, dazu mit sieben Gängen aufwartet und wahlweise manuell zu schalten ist oder einen Automatik-Betrieb mit wählbarem Fahrprogramm anbietet.
Jeder 901 ist anders
Weitere Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede zwischen 901 und 993 Carrera S bieten sich in Hülle und Fülle. So verfügen beide über die angestammte Trockensumpf-Schmierung mit separatem Öltank, wobei das Ölvolumen des 901 bereits 9,0 und das des Carrera S 11,5 Liter beträgt. Auch das Motorkonzept geht in seinen Gemeinsamkeiten weit über die Grundauslegung als Sechszylinder- Boxermotor hinaus. Beide Triebwerke haben zwei Ventile je Brennraum sowie eine obenliegende Nockenwelle je Zylinderreihe. Einen augenfälligen Unterschied offenbaren die Lüfterräder: Während die zwölf Schaufeln beim 901 noch gerade geformt sind, haben die elf Schaufeln beim Carrera S eine gebogene Form. Individuelle Besonderheiten der 82 Exemplare vom Typ 901 sind auf häufige Änderungen in der damaligen Fertigung zurückzuführen. So kann beispielsweise die Position des Öffnerknopfes für den schon damals links auf dem vorderen Kotflügel angebrachten Tankdeckel variieren, und auch der Bezug der A-Säule musste nicht zwangsläufig schwarz sein. "Hier dürfte der Sattler ganz einfach die Auffassung vertreten haben, dass sie mit einem hellen Bezug auch sehr schön aussieht", erläutert Restaurierer Lampert und deutet auf die A-Säule eines roten 901, der gerade bei RUF steht. Dabei handelt es sich um den Wagen mit der Werknummer 18, der erst kurz zuvor bei RUF eine Komplettrestaurierung im Kundenauftrag erhalten hat.
Drei 901 auf einmal sieht man nicht oft
Das Sahnehäubchen aber liefert schließlich die Nummer 27 in Weiß als dritter 901 am heutigen Tage. Auch dieser durchlief bei RUF sämtliche Restaurierungsprozesse, und mittlerweile blickt das mittelständische Automobil-Unternehmen auf nicht weniger als vier 901-Restaurierungen zurück – mehr als ein Viertel des geschätzten Weltbestandes. Wir nutzen die Gelegenheit zu einem Foto mit den drei 901, denn so eine Gelegenheit hat man nicht oft. Doch Exklusivität hat nicht ausschließlich mit geringen Stückzahlen zu tun. Exakt 409.081 luftgekühlte Porsche 911 liefen vom Band, und glaubt man den Angaben von Porsche, so sind mehr als 70 Prozent davon noch existent - eine ganze Menge also. Seit der Umstellung auf die Flüssigkeitskühlung 1996 erfuhren die Luftgekühlten trotz der teils relativ hohen Fertigungszahlen kontinuierliche Steigerungen in Wert und Begehrlichkeit.
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