Mit dem Porsche 718 GT4 ePerformance testet die Marke aktuell Konzepte und technische Lösungen für künftige elektrifizierte Rennwagen. Ihr Anspruch: Das Auto muss so schnell sein wie der 911 GT3 Cup – mindestens. Testfahrt im eisigen Finnland!
"Okay, jetzt du." Richy, aka Richard Lietz, räumt nach den Demo-Runden den Fahrersitz und überlässt mir das Lenkrad. Bis hierhin war es ein großer Spaß, nun wird mir doch ein wenig mulmig. Mal sehen, was ich gelernt habe und wie sich die unfassbare Power des Porsche 718 GT4 ePerformance von 800 kW (1088 PS) anfühlt. Meine Nerven sind bei dieser Testfahrt aufs Äußerste gespannt. Dabei begann alles ganz easy mit einem knappen Briefing. Danach Einkleiden mit feuerfester Unterwäsche, Overall, Schuhen, Handschuhen, Hans-System, Helm. Ohrenstöpsel für die Funkverbindung nicht vergessen. Um mich an die Bedienung, die Bedingungen und speziell das Griplevel der Spike-Reifen auf der eisigen Oberfläche zu gewöhnen sowie hilfreiche Fahrmanöver wie den Skandinavian Flick oder kontrolliertes Linksbremsen einzustudieren, klettere ich zunächst ins Cockpit eines konventionellen Porsche 718 GT4 Clubsport mit 425 PS (316 kW) und Heckantrieb.
Gurte festzurren, seitliches Fangnetz einrasten, Tür zu. Ein Moment innerer Einkehr. Funkcheck? Okay. Motor an-, ESP und Traktionskontrolle ausschalten, Bremsbalance nach hinten einstellen. Abfahrt. Erste Übung: Slalom mit anschließender Drift-Wende und wieder retour. Klappt auf Anhieb und macht einen Mordsspaß. Mit jedem Durchgang werde ich präziser, fräse mit der tiefen Schnauze noch ein paar Zentimeter dichter an den Pylonen vorbei, lasse das Heck noch weiter nach außen tanzen und übe mich im blitzschnellen Zusammenspiel aus Bremse und Gas, um den Drift im richtigen Moment auszulösen und danach zu stabilisieren. Ich bin angefixt, mehr davon! Auch interessant: Unsere Produkttipps auf Amazon
Der Porsche 718 GT4 ePerformance im Fahrbericht (Video):
Testfahrt im Porsche 718 GT4 ePerformance: Brutale Power
Kreisfahrt: Anstellen über die Bremse, Heck rumschwingen und halten. Eine Runde. Zwei. Drei, vier … Rechtsrum, linksrum, weite und enge Radien. Klappt auch. Rüber zur Acht: driften, umsetzen, beschleunigen, bremsen – Blickführung! Allmählich keimt ein bisschen Stolz in mir auf. Kein Dreher, saubere Linie, strammes Tempo. Ich bin bereit. Handling. Hier gilt es, das Ganze in einer komplexen Abfolge unterschiedlicher Radien auf das spiegelglatte Parkett zu bringen. Es kommt, was kommen muss: In Kurve zwei wird mein Übermut mit einem fulminanten Dreher bestraft. Immerhin lasse ich den Cayman fast komplett um die eigene Achse kreiseln, bleibe auf der Piste und stecke nicht in der Schneewand. Gut gegangen. Also nochmal, diesmal bitte mit mehr Respekt, denn die Physik ist gnadenlos und die eigentliche Herausforderung kommt erst noch.
Dann, endlich, ist es soweit. Ich zwänge mich in den Fahrersitz des Porsche 718 GT4 ePerformance. Hier ist es noch enger als im Clubsport. Auf dem Beifahrersitz: Richy, der mich vorwarnt: "Das wird gleich richtig laut!" Wir verabreden Handzeichen für den Notfall, und der österreichische Profi spricht mir lakonisch Mut zu: "Ich kann eh nix machen … ." Daumen hoch von der Boxencrew. HV-System: on. Modus: Standard. Los gehts mit der Testfahrt!
Unfassbares Griplevel beim Slalom
Slalom: Der Grip ist so viel höher als beim Clubsport. Nicht nur beim Beschleunigen, auch in den Kurven. Was zuvor spielerisch gelang, verlangt nun volle Konzentration und absolute Präzision. Zum Lohn wetzt der Porsche 718 GT4 ePerformance viel schneller durch den Parcours. Richy gibt vor jedem neuen Durchgang ein paar Tipps, während ich mit den Handschuhen die Seitenscheiben innen vom Eis befreie. Der Prototyp ist eigentlich für Rundstreckeneinsätze konstruiert, nicht für Rallye-Prüfungen im Winter. Ich arbeite mich durch die Bandbreite der Kraftverteilung und Bremsbalance, bis ich mein persönliches Wohlfühl-Setting eingeregelt habe.
Der E-Antrieb lässt sich je nach Bedarf von extrem hecklastig und hyperagil bis unerschütterlich traktionsstark und spurstabil variieren. Dabei kommen vorn und hinten je eine 400-kW-Maschine aus Porsche-Eigenproduktion zum Einsatz, die sich den Job teilen. Im Standard-Modus liefert das System 450 kW (612 PS), womit der ePerformance auf Slicks bereits die gleichen Rundenzeiten fährt wie ein 911 Cup – und zwar 30 min lang ohne Leistungsabfall. Dass die Energie des 80-kWh-Akkus das überhaupt hergibt, liegt an der enormen Rekuperationsleistung des Dual-Motor-Konzepts von bis zu 800 kW. Nur mit Heckantrieb hätte der Akku deutlich größer ausfallen müssen – und das ganze Auto wäre rund 250 Kilogramm schwerer geworden.
Ölkühlung für das Hochvoltsystem
Um die Thermik des Hochvoltsystems abzusichern, setzt Porsche eine Ölkühlung ein, die selbst unter sengender Sonne der Rennkurse im Nahen Osten oder Asiens dafür sorgt, dass die Komponenten in einem Temperatur-Fenster zwischen 25 und 80 °C bleiben. 30 l eines extrem dünnflüssigen, nicht leitenden Fluids zirkulieren dabei durch die Komponenten und durchströmen einen Hochleistungskühler im Vorderwagen. Statt der sonst im Rennsport üblichen Alu-Kühlrippen nutzt Porsche beim Prototyp jedoch einen Kunststoff-Kühler, bei dem etwa 5000 feine Röhrchen mit einem Innendurchmesser von nur 0,1 mm miteinander verklebt sind, was sich zu einer Strecke von rund drei Kilometern addiert. Doch heute ist Kühlung nicht das Problem, vielmehr wird der Porsche 718 GT4 ePerformance vor dem Start mit einem Heizlüfter auf etwa 45 Grad aufgeheizt, damit die Komponenten in der klirrenden Kälte bestmöglich funktionieren.
Nachdem Auto und Fahrer ausreichend vorgewärmt sind, übernimmt Richy das Steuer, ich werde auf dem Beifahrersitz festgezurrt. Mehr liegend als sitzend erwarte ich das Schlimmste, als der Le-Mans-Klassensieger startet, um mir in ein paar Demo-Runden zu zeigen, wo der Hammer hängt. Es kommt schlimmer. Gefühlt doppelt so schnell wie ich zuvor im Clubsport ballert Richy mit dem Ding durch die Dämmerung. Total surreal. Echt.
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Mode 2: Volle Power von 800 kW entfesselt
Jetzt ich. Der Porsche 718 GT4 ePerformance reißt schlagartig an, lässt die Zahlen auf dem GPS-Tacho quasi aus dem Stand auf 70 springen. Na schön, er hat Allrad, Sperrdifferentiale und Spike-Reifen. Dennoch: Die Traktion ist irrwitzig! Die Reaktion auf Lenkimpulse ist messerscharf, selbst auf Schnee. Die Power von 450 kW lässt sich super feinfühlig dosieren, und die Balance ist ein Traum. Nach Belieben mehr Unter- oder Übersteuern – je nach Lenkwinkel und Set-up des Antriebs. Eigens für den Wintertest haben sie bei Porsche zudem an der Software getüftelt und eine Sonderfunktion integriert: Bleibst du mit dem linken Fuß leicht auf der Bremse und gibst mit dem rechten weiter "Gas", wird gezielt Kraft an die Hinterachse geschickt. Dadurch lässt sich das Heck herumheben, ohne zur Handbremse zu greifen oder beim Scandinavian Flick zuvor die Linie zu verlassen. Doch du musst umdenken und dich konzentrieren wie nie. Drohst du abzufliegen – Gas geben. Alles läuft so wahnsinnig schnell, dass die vertrauten Reflexe einfach zu langsam sind. Noch dazu musst du in all der Hektik ganz genau umfassen, damit du die kurzen Griffbügel des DTM-Lenkrads triffst.
Aber es geht noch wilder – Mode 2: Qualifying. Jetzt erst wird die volle Power von 800 kW (1088 PS) entfesselt, dafür ist der Kraftfluss weniger heckbetont, weil nun auch die vordere Maschine mit maximalem Punch anzieht. Das macht den ePerformance sperriger, sprengt aber endgültig alle Vorstellungen davon, wie brutal dich ein Auto auf Eis und Schnee nach vorn katapultieren kann. Das Gefühl? Einfach völlig absurd und mit einem Serienauto nicht im Ansatz zu vergleichen! Bevor ich den Prototyp doch noch ins Off schieße, winken sie mich raus. Nichts passiert, nur die rund 550 Spikes haben sich bei dem Versuch, 800 kW zu übertragen, weitestgehend verabschiedet. Dieser Racer hat alles, was es für spannende Wettkämpfe braucht. Das gilt nicht zuletzt für den Sound: ein rohes Spektakel aus Mechanik und kreischenden E-Maschinen, das nach purer Power klingt.
Technische Daten des Porsche 718 GT4 ePerformance
AUTO ZEITUNG 05/2024 | Porsche 718 GT4 ePerformance |
Technische Daten | |
Motor | Zwei permanenterregte E-Maschinen |
Antrieb | Konstantübersetzung; Allradantrieb |
Systemleistung | 800 kW/1088 PS |
Max. Drehmoment | 740 Nm |
Kapazität/Spannung | 80 kWh/900 V |
Karosserie | |
Leergewicht | 1550 kg |
Fahrleistungen | |
Beschleunigung (0-100 km/h) | 6,5 s |
Höchstgeschwindigkeit | 285 km/h |
Kaufinformationen | |
Wert | Einzelstück; ca. 4 Mio. Euro |
Alle Daten Werksangaben; *Breite mit Außenspiegel |